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Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771.

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IX. Abschn. Widerlegung

Wir wollen uns zwar sehr in Acht nehmen, daß
wir ihn in seinen Wurzeln nicht angreifen, und von
denen Wassern der Sündfluth umstürzen und ver-
schlemmen lassen. Allein, das muß doch jedermann
bedenklich vorkommen, wie sich dieser Baum noch im-
mer frisch und grün erhalten können; ohngeachtet er
sich ein ganz Jahr lang in denen Wassern der Sünd-
fluth befunden, und davon so hoch bedecket gewesen.
Es ist gar nicht die Natur der Oehlbäume, daß sie im
Wasser wachsen, oder sich darinnen eine lange Zeit er-
halten. Sie kommen vielmehr nicht einmahl in ei-
nem morastigen Grunde gut fort, und wenn man den
Versuch noch heutiges Tages machen, und einen Oehl-
baum in einem großen Kasten nur zwey Monathe lang
dergestalt in das Wasser setzen wollte, daß dasselbe bis
an seine Spitze reichte; so würde derselbe ganz unver-
meidlich verlohren seyn.

Es giebt freylich Mittel, sich aus dieser Schwü-
rigkeit heraus zu helfen; und sie sind in dergleichen
Art von Zweifeln sehr oft gebrauchet worden. Man
kann nur Gott ein Wunder thun und diesen Oehlbaum
wider die Natur und das Wesen der Sache ein Jahr
lang mitten in denen erschrecklichen Fluthen frisch und
grün erhalten lassen. Aber alsdenn würde die große
Frage übrig bleiben, ob es der Weisheit Gottes ge-
mäß sey, zu Befriedigung der Neugier des Noah, und
wegen des kleinen nichts bedeutenden Umstandes, daß
die zweyte ausgeschickte Taube ein Oehlblatt mit zu-
rückbringen sollte, ein Wunder vorzunehmen.

Dem
IX. Abſchn. Widerlegung

Wir wollen uns zwar ſehr in Acht nehmen, daß
wir ihn in ſeinen Wurzeln nicht angreifen, und von
denen Waſſern der Suͤndfluth umſtuͤrzen und ver-
ſchlemmen laſſen. Allein, das muß doch jedermann
bedenklich vorkommen, wie ſich dieſer Baum noch im-
mer friſch und gruͤn erhalten koͤnnen; ohngeachtet er
ſich ein ganz Jahr lang in denen Waſſern der Suͤnd-
fluth befunden, und davon ſo hoch bedecket geweſen.
Es iſt gar nicht die Natur der Oehlbaͤume, daß ſie im
Waſſer wachſen, oder ſich darinnen eine lange Zeit er-
halten. Sie kommen vielmehr nicht einmahl in ei-
nem moraſtigen Grunde gut fort, und wenn man den
Verſuch noch heutiges Tages machen, und einen Oehl-
baum in einem großen Kaſten nur zwey Monathe lang
dergeſtalt in das Waſſer ſetzen wollte, daß daſſelbe bis
an ſeine Spitze reichte; ſo wuͤrde derſelbe ganz unver-
meidlich verlohren ſeyn.

Es giebt freylich Mittel, ſich aus dieſer Schwuͤ-
rigkeit heraus zu helfen; und ſie ſind in dergleichen
Art von Zweifeln ſehr oft gebrauchet worden. Man
kann nur Gott ein Wunder thun und dieſen Oehlbaum
wider die Natur und das Weſen der Sache ein Jahr
lang mitten in denen erſchrecklichen Fluthen friſch und
gruͤn erhalten laſſen. Aber alsdenn wuͤrde die große
Frage uͤbrig bleiben, ob es der Weisheit Gottes ge-
maͤß ſey, zu Befriedigung der Neugier des Noah, und
wegen des kleinen nichts bedeutenden Umſtandes, daß
die zweyte ausgeſchickte Taube ein Oehlblatt mit zu-
ruͤckbringen ſollte, ein Wunder vorzunehmen.

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[282/0310] IX. Abſchn. Widerlegung Wir wollen uns zwar ſehr in Acht nehmen, daß wir ihn in ſeinen Wurzeln nicht angreifen, und von denen Waſſern der Suͤndfluth umſtuͤrzen und ver- ſchlemmen laſſen. Allein, das muß doch jedermann bedenklich vorkommen, wie ſich dieſer Baum noch im- mer friſch und gruͤn erhalten koͤnnen; ohngeachtet er ſich ein ganz Jahr lang in denen Waſſern der Suͤnd- fluth befunden, und davon ſo hoch bedecket geweſen. Es iſt gar nicht die Natur der Oehlbaͤume, daß ſie im Waſſer wachſen, oder ſich darinnen eine lange Zeit er- halten. Sie kommen vielmehr nicht einmahl in ei- nem moraſtigen Grunde gut fort, und wenn man den Verſuch noch heutiges Tages machen, und einen Oehl- baum in einem großen Kaſten nur zwey Monathe lang dergeſtalt in das Waſſer ſetzen wollte, daß daſſelbe bis an ſeine Spitze reichte; ſo wuͤrde derſelbe ganz unver- meidlich verlohren ſeyn. Es giebt freylich Mittel, ſich aus dieſer Schwuͤ- rigkeit heraus zu helfen; und ſie ſind in dergleichen Art von Zweifeln ſehr oft gebrauchet worden. Man kann nur Gott ein Wunder thun und dieſen Oehlbaum wider die Natur und das Weſen der Sache ein Jahr lang mitten in denen erſchrecklichen Fluthen friſch und gruͤn erhalten laſſen. Aber alsdenn wuͤrde die große Frage uͤbrig bleiben, ob es der Weisheit Gottes ge- maͤß ſey, zu Befriedigung der Neugier des Noah, und wegen des kleinen nichts bedeutenden Umſtandes, daß die zweyte ausgeſchickte Taube ein Oehlblatt mit zu- ruͤckbringen ſollte, ein Wunder vorzunehmen. Dem

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Zitationshilfe: Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/310>, abgerufen am 30.11.2024.