Die tiefsinnigsten Philosophen in England haben allemal die Unendlichkeit des Weltgebäudes behauptet. Der Herr von Leibnitz in seinen bekannten Streitschrif- ten mit dem Doctor Clarke, einem der vornehmsten Freunde und Anhänger des großen Newtons, bestrite dieses Lehrgebäude; und man hätte also von dem Herrn von Wolff, als eifrigen Nachfolger und Erklärer der Leibnitzischen Lehrsätze, vermuthen können, daß er eben dieser Meynung zugethan sey. Allein, es hat dersel- be in seiner teutschen Metaphysik gnugsam zu erken- nen gegeben, daß er der Meynung von der Unendlich- keit des Weltgebäudes nicht abgeneigt sey. Er saget ausdrücklich, daß sich die Endlichkeit des Weltgebäu- des nicht denken lasse, und erläutert solches dadurch, daß, wenn man voraussetzte, daß jemand an den äus- sersten Gränzen des Weltgebäudes stünde; so würde er entweder seinen Arm ausstrecken können, oder nicht. Jn dem erstern Fall müßte über den Gränzen des Welt- gebäudes noch Raum, und also keine Gränzen oder Schranken vorhanden seyn. Jn dem andern Fall hingegen müßte das Ausstrecken des Arms durch ir- gend eine Materie gehintert werden, und alsdenn könnte daselbst das Ende der Welt nicht statt finden. Dieses sind ohngefehr die Gedanken des Herrn von Wolff, die er bey diesem Gegenstande anführet; wie- wohl ich das Buch nicht bey der Hand habe, und sie wollen im Grunde eben dasjenige behaupten, was ich vorhin, meines Erachtens, etwas deutlicher und faßlicher angeführet habe.
Wenn man die Unendlichkeit des Weltgebäudes, wenigstens was den Raum anbetrifft, annehmen muß;
so
A 4
Einleitung.
Die tiefſinnigſten Philoſophen in England haben allemal die Unendlichkeit des Weltgebaͤudes behauptet. Der Herr von Leibnitz in ſeinen bekannten Streitſchrif- ten mit dem Doctor Clarke, einem der vornehmſten Freunde und Anhaͤnger des großen Newtons, beſtrite dieſes Lehrgebaͤude; und man haͤtte alſo von dem Herrn von Wolff, als eifrigen Nachfolger und Erklaͤrer der Leibnitziſchen Lehrſaͤtze, vermuthen koͤnnen, daß er eben dieſer Meynung zugethan ſey. Allein, es hat derſel- be in ſeiner teutſchen Metaphyſik gnugſam zu erken- nen gegeben, daß er der Meynung von der Unendlich- keit des Weltgebaͤudes nicht abgeneigt ſey. Er ſaget ausdruͤcklich, daß ſich die Endlichkeit des Weltgebaͤu- des nicht denken laſſe, und erlaͤutert ſolches dadurch, daß, wenn man vorausſetzte, daß jemand an den aͤuſ- ſerſten Graͤnzen des Weltgebaͤudes ſtuͤnde; ſo wuͤrde er entweder ſeinen Arm ausſtrecken koͤnnen, oder nicht. Jn dem erſtern Fall muͤßte uͤber den Graͤnzen des Welt- gebaͤudes noch Raum, und alſo keine Graͤnzen oder Schranken vorhanden ſeyn. Jn dem andern Fall hingegen muͤßte das Ausſtrecken des Arms durch ir- gend eine Materie gehintert werden, und alsdenn koͤnnte daſelbſt das Ende der Welt nicht ſtatt finden. Dieſes ſind ohngefehr die Gedanken des Herrn von Wolff, die er bey dieſem Gegenſtande anfuͤhret; wie- wohl ich das Buch nicht bey der Hand habe, und ſie wollen im Grunde eben dasjenige behaupten, was ich vorhin, meines Erachtens, etwas deutlicher und faßlicher angefuͤhret habe.
Wenn man die Unendlichkeit des Weltgebaͤudes, wenigſtens was den Raum anbetrifft, annehmen muß;
ſo
A 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0035"n="7"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Einleitung.</hi></fw><lb/><p>Die tiefſinnigſten Philoſophen in England haben<lb/>
allemal die Unendlichkeit des Weltgebaͤudes behauptet.<lb/>
Der Herr von <hirendition="#fr">Leibnitz</hi> in ſeinen bekannten Streitſchrif-<lb/>
ten mit dem Doctor <hirendition="#fr">Clarke,</hi> einem der vornehmſten<lb/>
Freunde und Anhaͤnger des großen <hirendition="#fr">Newtons,</hi> beſtrite<lb/>
dieſes Lehrgebaͤude; und man haͤtte alſo von dem Herrn<lb/>
von <hirendition="#fr">Wolff,</hi> als eifrigen Nachfolger und Erklaͤrer der<lb/>
Leibnitziſchen Lehrſaͤtze, vermuthen koͤnnen, daß er eben<lb/>
dieſer Meynung zugethan ſey. Allein, es hat derſel-<lb/>
be in ſeiner teutſchen Metaphyſik gnugſam zu erken-<lb/>
nen gegeben, daß er der Meynung von der Unendlich-<lb/>
keit des Weltgebaͤudes nicht abgeneigt ſey. Er ſaget<lb/>
ausdruͤcklich, daß ſich die Endlichkeit des Weltgebaͤu-<lb/>
des nicht denken laſſe, und erlaͤutert ſolches dadurch,<lb/>
daß, wenn man vorausſetzte, daß jemand an den aͤuſ-<lb/>ſerſten Graͤnzen des Weltgebaͤudes ſtuͤnde; ſo wuͤrde<lb/>
er entweder ſeinen Arm ausſtrecken koͤnnen, oder nicht.<lb/>
Jn dem erſtern Fall muͤßte uͤber den Graͤnzen des Welt-<lb/>
gebaͤudes noch Raum, und alſo keine Graͤnzen oder<lb/>
Schranken vorhanden ſeyn. Jn dem andern Fall<lb/>
hingegen muͤßte das Ausſtrecken des Arms durch ir-<lb/>
gend eine Materie gehintert werden, und alsdenn<lb/>
koͤnnte daſelbſt das Ende der Welt nicht ſtatt finden.<lb/>
Dieſes ſind ohngefehr die Gedanken des Herrn von<lb/><hirendition="#fr">Wolff,</hi> die er bey dieſem Gegenſtande anfuͤhret; wie-<lb/>
wohl ich das Buch nicht bey der Hand habe, und ſie<lb/>
wollen im Grunde eben dasjenige behaupten, was ich<lb/>
vorhin, meines Erachtens, etwas deutlicher und faßlicher<lb/>
angefuͤhret habe.</p><lb/><p>Wenn man die Unendlichkeit des Weltgebaͤudes,<lb/>
wenigſtens was den Raum anbetrifft, annehmen muß;<lb/><fwplace="bottom"type="sig">A 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">ſo</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[7/0035]
Einleitung.
Die tiefſinnigſten Philoſophen in England haben
allemal die Unendlichkeit des Weltgebaͤudes behauptet.
Der Herr von Leibnitz in ſeinen bekannten Streitſchrif-
ten mit dem Doctor Clarke, einem der vornehmſten
Freunde und Anhaͤnger des großen Newtons, beſtrite
dieſes Lehrgebaͤude; und man haͤtte alſo von dem Herrn
von Wolff, als eifrigen Nachfolger und Erklaͤrer der
Leibnitziſchen Lehrſaͤtze, vermuthen koͤnnen, daß er eben
dieſer Meynung zugethan ſey. Allein, es hat derſel-
be in ſeiner teutſchen Metaphyſik gnugſam zu erken-
nen gegeben, daß er der Meynung von der Unendlich-
keit des Weltgebaͤudes nicht abgeneigt ſey. Er ſaget
ausdruͤcklich, daß ſich die Endlichkeit des Weltgebaͤu-
des nicht denken laſſe, und erlaͤutert ſolches dadurch,
daß, wenn man vorausſetzte, daß jemand an den aͤuſ-
ſerſten Graͤnzen des Weltgebaͤudes ſtuͤnde; ſo wuͤrde
er entweder ſeinen Arm ausſtrecken koͤnnen, oder nicht.
Jn dem erſtern Fall muͤßte uͤber den Graͤnzen des Welt-
gebaͤudes noch Raum, und alſo keine Graͤnzen oder
Schranken vorhanden ſeyn. Jn dem andern Fall
hingegen muͤßte das Ausſtrecken des Arms durch ir-
gend eine Materie gehintert werden, und alsdenn
koͤnnte daſelbſt das Ende der Welt nicht ſtatt finden.
Dieſes ſind ohngefehr die Gedanken des Herrn von
Wolff, die er bey dieſem Gegenſtande anfuͤhret; wie-
wohl ich das Buch nicht bey der Hand habe, und ſie
wollen im Grunde eben dasjenige behaupten, was ich
vorhin, meines Erachtens, etwas deutlicher und faßlicher
angefuͤhret habe.
Wenn man die Unendlichkeit des Weltgebaͤudes,
wenigſtens was den Raum anbetrifft, annehmen muß;
ſo
A 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/35>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.