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Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771.

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der Gebirge auf dem Erdcörper.
Nichts als steile bis in die Wolken reichende Felsen
mit engen Thälern durchschnitten findet man von der
Donau an bis fünf und sechs Meilen weit in Nieder-
österreich hinein. Jch habe bey Klein-Marienzell,
wohl drey bis vier Meilen von der Landstraße nach
Groß-Marienzell, auf der Seite liegend, gleichfalls
Bergwerke gehabt; aber auch hier waren nichts als
enge Thäler, jähe Felsen und Abgründe; kurz, man
findet öfters einen Bezirk von zwanzig Meilen, wo
die Gebirge eben diese Beschaffenheit haben. Wo
sind alsdenn die angeschwemmten Mittel- und Vorge-
birge; und was sollte der weise Uhrheber der Natur
wohl vor Absichten gehabt haben können, wenn er
gleich bey der Schöpfung so viele Felsenmauern, mit
engen Thälern durchschnitten, hätte hervorbringen
wollen? Hat er sich etwan dadurch ein Spielwerk und
einen Zeitvertreib machen wollen? Gewiß ist es viel
vernünftiger, wenn man glaubet, daß solche Felsen-
mauern in einem so großen Bezirke nicht Werke der
Schöpfung, sondern erst durch die nachfolgenden Be-
gebenheiten und Beschaffenheiten des Erdcörpers
gleichsam zufälliger Weise entstanden sind.

Jch will bey dieser Gelegenheit erinnern, daß ich
in diesem weiten Umfange von hohen und rauhen
Felsen an drey verschiedenen weit von einander entfern-
ten Orthen Bergwerke angeleget, und an sechs an-
dern Orthen geschürfet habe. Folglich muß mir die
Steinart dieser Gebirge gar wohl bekannt seyn; den-
noch habe ich nur in einem einzigen Gebirge, nämlich
in dem reichen St. Annaberger Bergwerke den fei-

nen
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der Gebirge auf dem Erdcoͤrper.
Nichts als ſteile bis in die Wolken reichende Felſen
mit engen Thaͤlern durchſchnitten findet man von der
Donau an bis fuͤnf und ſechs Meilen weit in Nieder-
oͤſterreich hinein. Jch habe bey Klein-Marienzell,
wohl drey bis vier Meilen von der Landſtraße nach
Groß-Marienzell, auf der Seite liegend, gleichfalls
Bergwerke gehabt; aber auch hier waren nichts als
enge Thaͤler, jaͤhe Felſen und Abgruͤnde; kurz, man
findet oͤfters einen Bezirk von zwanzig Meilen, wo
die Gebirge eben dieſe Beſchaffenheit haben. Wo
ſind alsdenn die angeſchwemmten Mittel- und Vorge-
birge; und was ſollte der weiſe Uhrheber der Natur
wohl vor Abſichten gehabt haben koͤnnen, wenn er
gleich bey der Schoͤpfung ſo viele Felſenmauern, mit
engen Thaͤlern durchſchnitten, haͤtte hervorbringen
wollen? Hat er ſich etwan dadurch ein Spielwerk und
einen Zeitvertreib machen wollen? Gewiß iſt es viel
vernuͤnftiger, wenn man glaubet, daß ſolche Felſen-
mauern in einem ſo großen Bezirke nicht Werke der
Schoͤpfung, ſondern erſt durch die nachfolgenden Be-
gebenheiten und Beſchaffenheiten des Erdcoͤrpers
gleichſam zufaͤlliger Weiſe entſtanden ſind.

Jch will bey dieſer Gelegenheit erinnern, daß ich
in dieſem weiten Umfange von hohen und rauhen
Felſen an drey verſchiedenen weit von einander entfern-
ten Orthen Bergwerke angeleget, und an ſechs an-
dern Orthen geſchuͤrfet habe. Folglich muß mir die
Steinart dieſer Gebirge gar wohl bekannt ſeyn; den-
noch habe ich nur in einem einzigen Gebirge, naͤmlich
in dem reichen St. Annaberger Bergwerke den fei-

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D 4
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[55/0083] der Gebirge auf dem Erdcoͤrper. Nichts als ſteile bis in die Wolken reichende Felſen mit engen Thaͤlern durchſchnitten findet man von der Donau an bis fuͤnf und ſechs Meilen weit in Nieder- oͤſterreich hinein. Jch habe bey Klein-Marienzell, wohl drey bis vier Meilen von der Landſtraße nach Groß-Marienzell, auf der Seite liegend, gleichfalls Bergwerke gehabt; aber auch hier waren nichts als enge Thaͤler, jaͤhe Felſen und Abgruͤnde; kurz, man findet oͤfters einen Bezirk von zwanzig Meilen, wo die Gebirge eben dieſe Beſchaffenheit haben. Wo ſind alsdenn die angeſchwemmten Mittel- und Vorge- birge; und was ſollte der weiſe Uhrheber der Natur wohl vor Abſichten gehabt haben koͤnnen, wenn er gleich bey der Schoͤpfung ſo viele Felſenmauern, mit engen Thaͤlern durchſchnitten, haͤtte hervorbringen wollen? Hat er ſich etwan dadurch ein Spielwerk und einen Zeitvertreib machen wollen? Gewiß iſt es viel vernuͤnftiger, wenn man glaubet, daß ſolche Felſen- mauern in einem ſo großen Bezirke nicht Werke der Schoͤpfung, ſondern erſt durch die nachfolgenden Be- gebenheiten und Beſchaffenheiten des Erdcoͤrpers gleichſam zufaͤlliger Weiſe entſtanden ſind. Jch will bey dieſer Gelegenheit erinnern, daß ich in dieſem weiten Umfange von hohen und rauhen Felſen an drey verſchiedenen weit von einander entfern- ten Orthen Bergwerke angeleget, und an ſechs an- dern Orthen geſchuͤrfet habe. Folglich muß mir die Steinart dieſer Gebirge gar wohl bekannt ſeyn; den- noch habe ich nur in einem einzigen Gebirge, naͤmlich in dem reichen St. Annaberger Bergwerke den fei- nen D 4

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Zitationshilfe: Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/83>, abgerufen am 19.05.2024.