für's Auge, nimmt sie nicht den Geist ganz anders gefangen? Nein, mit dieser Königin und Herrin, die so schwer zu erobern ist, wegen ihrer Hohheit, kann es denn doch das Modell nicht aufnehmen.
Tr. Dennoch scheint mir diese Labradora von mehr spanischem Blut, als manche Prinzessin von Geblüt. Nehmt es nicht übel, diese Römerinnen, nach deren Vorbild wir unsere gemeine spanische Natur veredeln sollen -- ich zweifle nicht, dass wir am Tiberufer allen Bei- stand S. Antonius des Abts gegen ihre Blicke anzurufen nöthig haben würden -- aber hier, an die Ufer des Baetis verpflanzt, scheinen sie mir etwas welk geworden zu sein. Ich begreife nicht, dass Euer spanisches Blut nicht in Wallung kommt, wenn vor unsern Augen, wie kürzlich hier in Sevilla geschehen, wo wir die estatuas estofadas eines Montannes be- wundern, zwei spanische Bildhauer, J. Ba. Vasquez und Diego de Pes- quera Kupferstiche der beiden Zuccaro in Stein nachahmten [a. a. O. I, 68].
E. Hombre! Ihr werdet in der That mein Blut in Wallung brin- gen! es giebt keinen besseren Spanier diesseits der Sierra Morena als dieses graue Haupt. Ich war es der mein Leben damit zugebracht die Erinnerung und die Ebenbilder unsrer grossen Männer der Nachwelt zu retten. Ich habe die Werke unsers grössten Dichters vom Untergang bewahrt -- obwol es nicht meines Amtes war. Ich habe der guten Sculptur neues Licht und Leben gegeben. Ich bin es der die spanische Art vertritt in diesem Zeitalter des Verfalls. Und alle die grossen Männer, die unser Spanien gehabt hat, von Alonso Berruguete bis auf Luis de Vargas, die Glorie unsers Vaterlandes, nachdem sie während ihrer besten Lebensjahre in Italien gearbeitet, erkoren sich, wie ihre Werke be- weisen, den Weg des Michelangelo, des Raphael, der da voll ist von Zeichnung, von Schmelz (suavidad), Schönheit, Tiefe und Kraft, weit abgewandt von der verworrenen und gesudelten Malerei, die weder die Art der Alten nachahmt, noch die Wahrheit der Natur. Dadurch machten sie Spanien reich, gossen Licht aus, wurden von Königen ge- ehrt. In ihnen sollen wir wie in einem Crystallspiegel unsere Fehler betrachten (a. a. O. I, 412).
Tr. Wenn es also ein Glaubensartikel der Kunst ist, bei den Italienern in die Schule zu gehn, gut, so sei es! Aber warum nennt Ihr immer nur Michelangelo, Raphael. Für unfehlbar haltet Ihr sie doch auch nicht? Ihr stimmtet ja sonst ganz dem Aretino bei, der in Dolce's Gespräch die heidnischen Fabeln und Unschicklichkeiten im Jüngsten Gericht einem strengen Gericht unterzieht.
E. Das bezieht sich auf die Geschichte, nicht auf die Kunst. Es giebt keine körperliche Bewegung, die nicht in diesem bewunderns- würdigen Werk ausgedrückt ist [a. a. O. I, 15].
7
Dialog über die Malerei.
für’s Auge, nimmt sie nicht den Geist ganz anders gefangen? Nein, mit dieser Königin und Herrin, die so schwer zu erobern ist, wegen ihrer Hohheit, kann es denn doch das Modell nicht aufnehmen.
Tr. Dennoch scheint mir diese Labradora von mehr spanischem Blut, als manche Prinzessin von Geblüt. Nehmt es nicht übel, diese Römerinnen, nach deren Vorbild wir unsere gemeine spanische Natur veredeln sollen — ich zweifle nicht, dass wir am Tiberufer allen Bei- stand S. Antonius des Abts gegen ihre Blicke anzurufen nöthig haben würden — aber hier, an die Ufer des Baetis verpflanzt, scheinen sie mir etwas welk geworden zu sein. Ich begreife nicht, dass Euer spanisches Blut nicht in Wallung kommt, wenn vor unsern Augen, wie kürzlich hier in Sevilla geschehen, wo wir die estatuas estofadas eines Montañes be- wundern, zwei spanische Bildhauer, J. Ba. Vasquez und Diego de Pes- quera Kupferstiche der beiden Zuccaro in Stein nachahmten [a. a. O. I, 68].
E. Hombre! Ihr werdet in der That mein Blut in Wallung brin- gen! es giebt keinen besseren Spanier diesseits der Sierra Morena als dieses graue Haupt. Ich war es der mein Leben damit zugebracht die Erinnerung und die Ebenbilder unsrer grossen Männer der Nachwelt zu retten. Ich habe die Werke unsers grössten Dichters vom Untergang bewahrt — obwol es nicht meines Amtes war. Ich habe der guten Sculptur neues Licht und Leben gegeben. Ich bin es der die spanische Art vertritt in diesem Zeitalter des Verfalls. Und alle die grossen Männer, die unser Spanien gehabt hat, von Alonso Berruguete bis auf Luis de Vargas, die Glorie unsers Vaterlandes, nachdem sie während ihrer besten Lebensjahre in Italien gearbeitet, erkoren sich, wie ihre Werke be- weisen, den Weg des Michelangelo, des Raphael, der da voll ist von Zeichnung, von Schmelz (suavidad), Schönheit, Tiefe und Kraft, weit abgewandt von der verworrenen und gesudelten Malerei, die weder die Art der Alten nachahmt, noch die Wahrheit der Natur. Dadurch machten sie Spanien reich, gossen Licht aus, wurden von Königen ge- ehrt. In ihnen sollen wir wie in einem Crystallspiegel unsere Fehler betrachten (a. a. O. I, 412).
Tr. Wenn es also ein Glaubensartikel der Kunst ist, bei den Italienern in die Schule zu gehn, gut, so sei es! Aber warum nennt Ihr immer nur Michelangelo, Raphael. Für unfehlbar haltet Ihr sie doch auch nicht? Ihr stimmtet ja sonst ganz dem Aretino bei, der in Dolce’s Gespräch die heidnischen Fabeln und Unschicklichkeiten im Jüngsten Gericht einem strengen Gericht unterzieht.
E. Das bezieht sich auf die Geschichte, nicht auf die Kunst. Es giebt keine körperliche Bewegung, die nicht in diesem bewunderns- würdigen Werk ausgedrückt ist [a. a. O. I, 15].
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Dialog über die Malerei.
für’s Auge, nimmt sie nicht den Geist ganz anders gefangen? Nein,
mit dieser Königin und Herrin, die so schwer zu erobern ist, wegen ihrer
Hohheit, kann es denn doch das Modell nicht aufnehmen.
Tr. Dennoch scheint mir diese Labradora von mehr spanischem
Blut, als manche Prinzessin von Geblüt. Nehmt es nicht übel, diese
Römerinnen, nach deren Vorbild wir unsere gemeine spanische Natur
veredeln sollen — ich zweifle nicht, dass wir am Tiberufer allen Bei-
stand S. Antonius des Abts gegen ihre Blicke anzurufen nöthig haben
würden — aber hier, an die Ufer des Baetis verpflanzt, scheinen sie mir
etwas welk geworden zu sein. Ich begreife nicht, dass Euer spanisches
Blut nicht in Wallung kommt, wenn vor unsern Augen, wie kürzlich hier
in Sevilla geschehen, wo wir die estatuas estofadas eines Montañes be-
wundern, zwei spanische Bildhauer, J. Ba. Vasquez und Diego de Pes-
quera Kupferstiche der beiden Zuccaro in Stein nachahmten [a. a. O. I, 68].
E. Hombre! Ihr werdet in der That mein Blut in Wallung brin-
gen! es giebt keinen besseren Spanier diesseits der Sierra Morena als
dieses graue Haupt. Ich war es der mein Leben damit zugebracht die
Erinnerung und die Ebenbilder unsrer grossen Männer der Nachwelt zu
retten. Ich habe die Werke unsers grössten Dichters vom Untergang
bewahrt — obwol es nicht meines Amtes war. Ich habe der guten
Sculptur neues Licht und Leben gegeben. Ich bin es der die spanische Art
vertritt in diesem Zeitalter des Verfalls. Und alle die grossen Männer,
die unser Spanien gehabt hat, von Alonso Berruguete bis auf Luis
de Vargas, die Glorie unsers Vaterlandes, nachdem sie während ihrer
besten Lebensjahre in Italien gearbeitet, erkoren sich, wie ihre Werke be-
weisen, den Weg des Michelangelo, des Raphael, der da voll ist von
Zeichnung, von Schmelz (suavidad), Schönheit, Tiefe und Kraft, weit
abgewandt von der verworrenen und gesudelten Malerei, die weder die
Art der Alten nachahmt, noch die Wahrheit der Natur. Dadurch
machten sie Spanien reich, gossen Licht aus, wurden von Königen ge-
ehrt. In ihnen sollen wir wie in einem Crystallspiegel unsere Fehler
betrachten (a. a. O. I, 412).
Tr. Wenn es also ein Glaubensartikel der Kunst ist, bei den
Italienern in die Schule zu gehn, gut, so sei es! Aber warum nennt
Ihr immer nur Michelangelo, Raphael. Für unfehlbar haltet Ihr sie
doch auch nicht? Ihr stimmtet ja sonst ganz dem Aretino bei, der in
Dolce’s Gespräch die heidnischen Fabeln und Unschicklichkeiten im
Jüngsten Gericht einem strengen Gericht unterzieht.
E. Das bezieht sich auf die Geschichte, nicht auf die Kunst.
Es giebt keine körperliche Bewegung, die nicht in diesem bewunderns-
würdigen Werk ausgedrückt ist [a. a. O. I, 15].
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/117>, abgerufen am 21.11.2024.
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