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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Zweites Buch.
Gedicht von ihm ein, die Künstleranekdote von den fünf Mädchen
des Zeuxis 1).

Von grossem Nutzen war Velazquez die Adresse eines hohen
Sevillaner Geistlichen, des Kanonikus und maestro de escuela an
der Kathedrale, D. Juan de Fonseca y Figueroa (+ 1627). Er be-
kleidete den angesehenen Posten eines sumiller de cortina. Dieses
Hofamt, wie schon sein französischer Name (somellier) anzeigt,
burgundischer Herkunft, wurde von mehreren Geistlichen verwal-
tet. Sie hatten die Gebetbücher zu verwahren, sagten dem Wo-
chenkaplan die Stunde der Messe an, begleiteten den König in
die Kapelle und standen neben dem Baldachin, dessen Vorhang
sie auf- und zuzuziehen hatten. Es war also ein Ceremonienamt,
wurde aber wegen seines Einflusses nur Männern von Stand und
Ansehn ertheilt; es hat den Weg zum Kardinalat gebahnt, z. B.
dem Geronimo Colonna 2). Figeroa trat in der Folge in die
Diplomatie; in demselben Jahre erhielt er eine Mission nach
Parma zur Beglückwünschung des jungen Herzogs; der geheime
Auftrag war, die italienischen Fürsten für das spanische Interesse,
besonders in Betreff Valtellin's zu gewinnen und über die dies-
seitigen Pläne zu beruhigen. Er war ein Freund der Malerei
und malte selbst, z. B. ein Bildniss des Francisco de Rioja. Er
gedachte auf dieser Reise einen lang gehegten Wunsch zu er-
füllen, Rom, Neapel und Sicilien zu sehen 3).

Es wurden nun Schritte gethan, dem jungen Maler die Auf-
nahme des Königs zu verschaffen. Dies galt als das einfachste
Mittel zu raschem und dauerndem Erfolg bei den Grossen. Arte-
misia Gentileschi sagte dem Massimo Stanzioni, dass er die Bild-
nisse ansehn müsse als Mittel, sich die Gunst derer zu erwerben,
die ihm später nützen könnten 4). Diesmal hatten Velazquez'
Gönner keinen Erfolg.

Dagegen malte er im Auftrag seines Schwiegervaters den
Dichter Luis de Gongora, der jenem wahrscheinlich für sein
Bildnisswerk noch fehlte. Dies Porträt wurde in der Hauptstadt
sehr gelobt. Ob es dasselbe ist, welches jetzt im Prado (1085)
hängt, ist nicht gewiss. Ein gut gezeichneter, aber trocken und

1) Pacheco, El Arte I, 218. Vgl. 235. 254. II, 191. 282.
2) Khevenhiller, Annales Ferd. X, 1067. Domenico Zane nennt es impiego
molto honorevole, e che ha portato altri al cardinalato. Depesche vom 24. Dec. 1656.
3) Depesche des Anast. Germonio, Erzbischof von Tarantasia, vom 20. Juli 1622
im Turiner Archiv.
4) Dominici, Vite de' pittori napoletani III, 178.

Zweites Buch.
Gedicht von ihm ein, die Künstleranekdote von den fünf Mädchen
des Zeuxis 1).

Von grossem Nutzen war Velazquez die Adresse eines hohen
Sevillaner Geistlichen, des Kanonikus und maestro de escuela an
der Kathedrale, D. Juan de Fonseca y Figueroa († 1627). Er be-
kleidete den angesehenen Posten eines sumiller de cortina. Dieses
Hofamt, wie schon sein französischer Name (somellier) anzeigt,
burgundischer Herkunft, wurde von mehreren Geistlichen verwal-
tet. Sie hatten die Gebetbücher zu verwahren, sagten dem Wo-
chenkaplan die Stunde der Messe an, begleiteten den König in
die Kapelle und standen neben dem Baldachin, dessen Vorhang
sie auf- und zuzuziehen hatten. Es war also ein Ceremonienamt,
wurde aber wegen seines Einflusses nur Männern von Stand und
Ansehn ertheilt; es hat den Weg zum Kardinalat gebahnt, z. B.
dem Gerónimo Colonna 2). Figeroa trat in der Folge in die
Diplomatie; in demselben Jahre erhielt er eine Mission nach
Parma zur Beglückwünschung des jungen Herzogs; der geheime
Auftrag war, die italienischen Fürsten für das spanische Interesse,
besonders in Betreff Valtellin’s zu gewinnen und über die dies-
seitigen Pläne zu beruhigen. Er war ein Freund der Malerei
und malte selbst, z. B. ein Bildniss des Francisco de Rioja. Er
gedachte auf dieser Reise einen lang gehegten Wunsch zu er-
füllen, Rom, Neapel und Sicilien zu sehen 3).

Es wurden nun Schritte gethan, dem jungen Maler die Auf-
nahme des Königs zu verschaffen. Dies galt als das einfachste
Mittel zu raschem und dauerndem Erfolg bei den Grossen. Arte-
misia Gentileschi sagte dem Massimo Stanzioni, dass er die Bild-
nisse ansehn müsse als Mittel, sich die Gunst derer zu erwerben,
die ihm später nützen könnten 4). Diesmal hatten Velazquez’
Gönner keinen Erfolg.

Dagegen malte er im Auftrag seines Schwiegervaters den
Dichter Luis de Góngora, der jenem wahrscheinlich für sein
Bildnisswerk noch fehlte. Dies Porträt wurde in der Hauptstadt
sehr gelobt. Ob es dasselbe ist, welches jetzt im Prado (1085)
hängt, ist nicht gewiss. Ein gut gezeichneter, aber trocken und

1) Pacheco, El Arte I, 218. Vgl. 235. 254. II, 191. 282.
2) Khevenhiller, Annales Ferd. X, 1067. Domenico Zane nennt es impiego
molto honorevole, e che ha portato altri al cardinalato. Depesche vom 24. Dec. 1656.
3) Depesche des Anast. Germonio, Erzbischof von Tarantasia, vom 20. Juli 1622
im Turiner Archiv.
4) Dominici, Vite de’ pittori napoletani III, 178.
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[162/0182] Zweites Buch. Gedicht von ihm ein, die Künstleranekdote von den fünf Mädchen des Zeuxis 1). Von grossem Nutzen war Velazquez die Adresse eines hohen Sevillaner Geistlichen, des Kanonikus und maestro de escuela an der Kathedrale, D. Juan de Fonseca y Figueroa († 1627). Er be- kleidete den angesehenen Posten eines sumiller de cortina. Dieses Hofamt, wie schon sein französischer Name (somellier) anzeigt, burgundischer Herkunft, wurde von mehreren Geistlichen verwal- tet. Sie hatten die Gebetbücher zu verwahren, sagten dem Wo- chenkaplan die Stunde der Messe an, begleiteten den König in die Kapelle und standen neben dem Baldachin, dessen Vorhang sie auf- und zuzuziehen hatten. Es war also ein Ceremonienamt, wurde aber wegen seines Einflusses nur Männern von Stand und Ansehn ertheilt; es hat den Weg zum Kardinalat gebahnt, z. B. dem Gerónimo Colonna 2). Figeroa trat in der Folge in die Diplomatie; in demselben Jahre erhielt er eine Mission nach Parma zur Beglückwünschung des jungen Herzogs; der geheime Auftrag war, die italienischen Fürsten für das spanische Interesse, besonders in Betreff Valtellin’s zu gewinnen und über die dies- seitigen Pläne zu beruhigen. Er war ein Freund der Malerei und malte selbst, z. B. ein Bildniss des Francisco de Rioja. Er gedachte auf dieser Reise einen lang gehegten Wunsch zu er- füllen, Rom, Neapel und Sicilien zu sehen 3). Es wurden nun Schritte gethan, dem jungen Maler die Auf- nahme des Königs zu verschaffen. Dies galt als das einfachste Mittel zu raschem und dauerndem Erfolg bei den Grossen. Arte- misia Gentileschi sagte dem Massimo Stanzioni, dass er die Bild- nisse ansehn müsse als Mittel, sich die Gunst derer zu erwerben, die ihm später nützen könnten 4). Diesmal hatten Velazquez’ Gönner keinen Erfolg. Dagegen malte er im Auftrag seines Schwiegervaters den Dichter Luis de Góngora, der jenem wahrscheinlich für sein Bildnisswerk noch fehlte. Dies Porträt wurde in der Hauptstadt sehr gelobt. Ob es dasselbe ist, welches jetzt im Prado (1085) hängt, ist nicht gewiss. Ein gut gezeichneter, aber trocken und 1) Pacheco, El Arte I, 218. Vgl. 235. 254. II, 191. 282. 2) Khevenhiller, Annales Ferd. X, 1067. Domenico Zane nennt es impiego molto honorevole, e che ha portato altri al cardinalato. Depesche vom 24. Dec. 1656. 3) Depesche des Anast. Germonio, Erzbischof von Tarantasia, vom 20. Juli 1622 im Turiner Archiv. 4) Dominici, Vite de’ pittori napoletani III, 178.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/182>, abgerufen am 17.05.2024.