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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Zweites Buch.
während der Himmel über uns klar und heiter war. Oben ist
ein grosses Holzkreuz, das man von Madrid leicht erkennt, und
eine kleine Kirche Sankt Johann, wo ein Eremit lebt, der hier
mit seinem Esel zu sehen ist. Seitwärts ist ein Thurm und
Haus, wo der König öfters hinging wenn er jagte. Viel Roth-
wild kam uns vor."

Nach dieser Skizze wurden später mehrere Gemälde gemacht,
eins, nach Rubens selbst von einem sehr gewöhnlichen Maler,
Peter Verhulst, sah Edward Norgate. Letzterer schilderte es
Carl I so lebhaft, dass dieser den Wunsch nach seinem Besitz
aussprach. Rubens, obwol er es nicht für würdig erklärte, unter
den Wundern des königlichen Cabinets zu erscheinen, liess es
unter seiner Leitung von dem Landschafter vollenden. Diess ist
vielleicht das beim Earl of Radnor in Longford Castle befind-
liche sehr grosse Exemplar. Ein andres fand sich im Nachlass;
auch die Dresdener Galerie besitzt eins.

Rubens Einfluss auf Velazquez.

Von Pacheco hören wir, dass Rubens, der auf seiner ersten
Reise eine so grundschlechte Meinung von den spanischen Malern
erhalten hatte, diesmal in seinem Schwiegersohn einen wenigstens
kennen lernte, an dessen Person nicht nur, sondern auch an
dessen Arbeiten er Geschmack fand. "Er äusserte sich sehr
günstig über seine Bilder wegen seiner Bescheidenheit", so drückt
er sich etwas seltsam aus, als sei die Bescheidenheit eine Mit-
ursache wenigstens des gezollten Beifalls. Nach der Ueberliefe-
rung des Hofs freilich sollte Rubens, laut dem spätern Zeugniss
des Gaspar de Fuensalida, ihn anerkannt haben als das was er
immer galt im Palast: "den grössten Maler den es giebt und ge-
geben hat in Europa" 1). Sein Name wird in Rubens Briefen
nicht genannt, aber wir haben deutliche Winke über ihre Be-
ziehungen in jenem Stich von Pontius (S. 214) und in den um-
fangreichen Bestellungen in Antwerpen, die nicht ohne Velazquez
Mitwirkung erfolgt sein können.

Ich habe die Daten über Rubens zweiten Besuch in Madrid
zusammengestellt, um den Leser in Stand zu setzen, sich von

1) Dixo -- que siempre le a conocido en palacio . . . . con nombre del
mayor pintor que ay ni auido en Europa y que asi lo confeso Rubens, vn gran
pintor Flamenco quando vino a esta corte. Revista Europea 1874. II. 275.

Zweites Buch.
während der Himmel über uns klar und heiter war. Oben ist
ein grosses Holzkreuz, das man von Madrid leicht erkennt, und
eine kleine Kirche Sankt Johann, wo ein Eremit lebt, der hier
mit seinem Esel zu sehen ist. Seitwärts ist ein Thurm und
Haus, wo der König öfters hinging wenn er jagte. Viel Roth-
wild kam uns vor.“

Nach dieser Skizze wurden später mehrere Gemälde gemacht,
eins, nach Rubens selbst von einem sehr gewöhnlichen Maler,
Peter Verhulst, sah Edward Norgate. Letzterer schilderte es
Carl I so lebhaft, dass dieser den Wunsch nach seinem Besitz
aussprach. Rubens, obwol er es nicht für würdig erklärte, unter
den Wundern des königlichen Cabinets zu erscheinen, liess es
unter seiner Leitung von dem Landschafter vollenden. Diess ist
vielleicht das beim Earl of Radnor in Longford Castle befind-
liche sehr grosse Exemplar. Ein andres fand sich im Nachlass;
auch die Dresdener Galerie besitzt eins.

Rubens Einfluss auf Velazquez.

Von Pacheco hören wir, dass Rubens, der auf seiner ersten
Reise eine so grundschlechte Meinung von den spanischen Malern
erhalten hatte, diesmal in seinem Schwiegersohn einen wenigstens
kennen lernte, an dessen Person nicht nur, sondern auch an
dessen Arbeiten er Geschmack fand. „Er äusserte sich sehr
günstig über seine Bilder wegen seiner Bescheidenheit“, so drückt
er sich etwas seltsam aus, als sei die Bescheidenheit eine Mit-
ursache wenigstens des gezollten Beifalls. Nach der Ueberliefe-
rung des Hofs freilich sollte Rubens, laut dem spätern Zeugniss
des Gaspar de Fuensalida, ihn anerkannt haben als das was er
immer galt im Palast: „den grössten Maler den es giebt und ge-
geben hat in Europa“ 1). Sein Name wird in Rubens Briefen
nicht genannt, aber wir haben deutliche Winke über ihre Be-
ziehungen in jenem Stich von Pontius (S. 214) und in den um-
fangreichen Bestellungen in Antwerpen, die nicht ohne Velazquez
Mitwirkung erfolgt sein können.

Ich habe die Daten über Rubens zweiten Besuch in Madrid
zusammengestellt, um den Leser in Stand zu setzen, sich von

1) Dixo — que siempre le a conocido en palacio . . . . con nombre del
mayor pintor que ay ni auido en Europa y que asi lo confesó Rubens, vn gran
pintor Flamenco quando vino a esta corte. Revista Europea 1874. II. 275.
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[246/0270] Zweites Buch. während der Himmel über uns klar und heiter war. Oben ist ein grosses Holzkreuz, das man von Madrid leicht erkennt, und eine kleine Kirche Sankt Johann, wo ein Eremit lebt, der hier mit seinem Esel zu sehen ist. Seitwärts ist ein Thurm und Haus, wo der König öfters hinging wenn er jagte. Viel Roth- wild kam uns vor.“ Nach dieser Skizze wurden später mehrere Gemälde gemacht, eins, nach Rubens selbst von einem sehr gewöhnlichen Maler, Peter Verhulst, sah Edward Norgate. Letzterer schilderte es Carl I so lebhaft, dass dieser den Wunsch nach seinem Besitz aussprach. Rubens, obwol er es nicht für würdig erklärte, unter den Wundern des königlichen Cabinets zu erscheinen, liess es unter seiner Leitung von dem Landschafter vollenden. Diess ist vielleicht das beim Earl of Radnor in Longford Castle befind- liche sehr grosse Exemplar. Ein andres fand sich im Nachlass; auch die Dresdener Galerie besitzt eins. Rubens Einfluss auf Velazquez. Von Pacheco hören wir, dass Rubens, der auf seiner ersten Reise eine so grundschlechte Meinung von den spanischen Malern erhalten hatte, diesmal in seinem Schwiegersohn einen wenigstens kennen lernte, an dessen Person nicht nur, sondern auch an dessen Arbeiten er Geschmack fand. „Er äusserte sich sehr günstig über seine Bilder wegen seiner Bescheidenheit“, so drückt er sich etwas seltsam aus, als sei die Bescheidenheit eine Mit- ursache wenigstens des gezollten Beifalls. Nach der Ueberliefe- rung des Hofs freilich sollte Rubens, laut dem spätern Zeugniss des Gaspar de Fuensalida, ihn anerkannt haben als das was er immer galt im Palast: „den grössten Maler den es giebt und ge- geben hat in Europa“ 1). Sein Name wird in Rubens Briefen nicht genannt, aber wir haben deutliche Winke über ihre Be- ziehungen in jenem Stich von Pontius (S. 214) und in den um- fangreichen Bestellungen in Antwerpen, die nicht ohne Velazquez Mitwirkung erfolgt sein können. Ich habe die Daten über Rubens zweiten Besuch in Madrid zusammengestellt, um den Leser in Stand zu setzen, sich von 1) Dixo — que siempre le a conocido en palacio . . . . con nombre del mayor pintor que ay ni auido en Europa y que asi lo confesó Rubens, vn gran pintor Flamenco quando vino a esta corte. Revista Europea 1874. II. 275.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/270>, abgerufen am 22.11.2024.