zu kommen, war ein Lebenswunsch jedes gebildeten Spaniers im siebzehnten Jahrhundert, -- wie heute nach Paris. Nicht ohne feinen Spott sagt einmal Lope, freilich aus dem Munde eines Narren, dass man in Frankreich geboren sein möchte, in Italien leben und in Spanien sterben; das erste wegen des reinen Adels und des nationalen Königs, das zweite wegen der Freiheit und Fruchtbarkeit, das dritte für den Glauben, der in Spanien so gewiss, so katholisch, so wahrhaftig ist1).
Wenn Velazquez' Kollegen italienischer Abkunft von Flo- renz dem modernen Athen, von Italien dem Waffenplatz der Kunst sprachen, so war das für ihn kein neues Evangelium. Wer im Hause Pacheco's seine Lehrjahre verbracht hatte, der hätte, sollte man denken, sobald er konnte, alles im Stich lassen müssen, um nach Rom zu kommen. Hier muss man sich die Perspektive herzustellen versuchen, in der den Spaniern in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts ihre künstlerische Ver- gangenheit erschien. Die Gruppe, welche uns heute allein vor-
1) Lope de Vega, El peregrino de su patria. Obras sueltas T. V. Ma- drid 1776.
Nach Italien.
[Abbildung]
Der Titusbogen.
Nach Italien
zu kommen, war ein Lebenswunsch jedes gebildeten Spaniers im siebzehnten Jahrhundert, — wie heute nach Paris. Nicht ohne feinen Spott sagt einmal Lope, freilich aus dem Munde eines Narren, dass man in Frankreich geboren sein möchte, in Italien leben und in Spanien sterben; das erste wegen des reinen Adels und des nationalen Königs, das zweite wegen der Freiheit und Fruchtbarkeit, das dritte für den Glauben, der in Spanien so gewiss, so katholisch, so wahrhaftig ist1).
Wenn Velazquez’ Kollegen italienischer Abkunft von Flo- renz dem modernen Athen, von Italien dem Waffenplatz der Kunst sprachen, so war das für ihn kein neues Evangelium. Wer im Hause Pacheco’s seine Lehrjahre verbracht hatte, der hätte, sollte man denken, sobald er konnte, alles im Stich lassen müssen, um nach Rom zu kommen. Hier muss man sich die Perspektive herzustellen versuchen, in der den Spaniern in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts ihre künstlerische Ver- gangenheit erschien. Die Gruppe, welche uns heute allein vor-
1) Lope de Vega, El peregrino de su patria. Obras sueltas T. V. Ma- drid 1776.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0293"n="267"/><fwplace="top"type="header">Nach Italien.</fw><lb/><figure><p>Der Titusbogen.</p></figure><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Nach Italien</hi></head><lb/><p>zu kommen, war ein Lebenswunsch jedes gebildeten Spaniers im<lb/>
siebzehnten Jahrhundert, — wie heute nach Paris. Nicht ohne<lb/>
feinen Spott sagt einmal Lope, freilich aus dem Munde eines<lb/>
Narren, dass man in Frankreich geboren sein möchte, in Italien<lb/>
leben und in Spanien sterben; das erste wegen des reinen Adels<lb/>
und des nationalen Königs, das zweite wegen der Freiheit und<lb/>
Fruchtbarkeit, das dritte für den Glauben, der in Spanien so<lb/>
gewiss, so katholisch, so wahrhaftig ist<noteplace="foot"n="1)">Lope de Vega, El peregrino de su patria. Obras sueltas T. V. Ma-<lb/>
drid 1776.</note>.</p><lb/><p>Wenn Velazquez’ Kollegen italienischer Abkunft von Flo-<lb/>
renz dem modernen Athen, von Italien dem Waffenplatz der<lb/>
Kunst sprachen, so war das für ihn kein neues Evangelium.<lb/>
Wer im Hause Pacheco’s seine Lehrjahre verbracht hatte, der<lb/>
hätte, sollte man denken, sobald er konnte, alles im Stich lassen<lb/>
müssen, um nach Rom zu kommen. Hier muss man sich die<lb/>
Perspektive herzustellen versuchen, in der den Spaniern in den<lb/>
ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts ihre künstlerische Ver-<lb/>
gangenheit erschien. Die Gruppe, welche uns heute allein vor-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[267/0293]
Nach Italien.
[Abbildung Der Titusbogen. ]
Nach Italien
zu kommen, war ein Lebenswunsch jedes gebildeten Spaniers im
siebzehnten Jahrhundert, — wie heute nach Paris. Nicht ohne
feinen Spott sagt einmal Lope, freilich aus dem Munde eines
Narren, dass man in Frankreich geboren sein möchte, in Italien
leben und in Spanien sterben; das erste wegen des reinen Adels
und des nationalen Königs, das zweite wegen der Freiheit und
Fruchtbarkeit, das dritte für den Glauben, der in Spanien so
gewiss, so katholisch, so wahrhaftig ist 1).
Wenn Velazquez’ Kollegen italienischer Abkunft von Flo-
renz dem modernen Athen, von Italien dem Waffenplatz der
Kunst sprachen, so war das für ihn kein neues Evangelium.
Wer im Hause Pacheco’s seine Lehrjahre verbracht hatte, der
hätte, sollte man denken, sobald er konnte, alles im Stich lassen
müssen, um nach Rom zu kommen. Hier muss man sich die
Perspektive herzustellen versuchen, in der den Spaniern in den
ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts ihre künstlerische Ver-
gangenheit erschien. Die Gruppe, welche uns heute allein vor-
1) Lope de Vega, El peregrino de su patria. Obras sueltas T. V. Ma-
drid 1776.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/293>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.