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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Drittes Buch.
schwebt, wenn spanische Malerei genannt wird, und die jene
Perspective völlig zugedeckt hat, sie war damals erst im Ent-
stehen begriffen. Das ganze Mittelalter war in Finsterniss ver-
sunken, eine Morgenröthe brach an in der Zeit Isabella der Ka-
tholischen, aber der helle Tag ging erst auf, als die spanischen
Maler aus Rom zurückkamen, voran Alonso Berruguete, der schon
ein Künstlerleben hinter sich hatte, als er im Jahre 1520 wieder
in Saragossa auftauchte. Er hatte einst in Florenz noch ein
Gemälde des Filippino vollendet und zählte zu den jugendlichen
Verehrern Michelangelo's während seines glorreichen Aufgangs,
am Carton von Pisa hatte er gelernt was Zeichnen sei. Dann
liess er im Vaterland die anmuthig bewegten Gestalten Raphaels
auf Tafeln, Bonarrotis starkbewegte Propheten in Alabaster-
statuen wieder aufleben. Und hatte nicht Philipp II bei der Aus-
stattung seines Escorial sich hauptsächlich italienischer Hülfe
bedient? Sieben namhafte Maler waren gekommen, ohne die Ge-
hülfen. Der einzige fast, der das Panier der spanischen Schule
dort hochhielt, Juan Fernandez de Navarrete, er wurde doch
auch aus Italien dorthin gerufen. Und heute noch, war nicht
ein Spanier, jener Valencianer Ribera, in Italien gross geworden
und herrschte dort in Neapel über die einheimischen Maler?

Der Zug der jungen spanischen Maler nach Italien war in
der That gross. Aber schon damals machte man die Bemer-
kung, dass nur reife Künstler (que tenian asegurado el genio)
dort Förderung empfingen. Die Meisten, betäubt von jenem "er-
staunlichen Labyrinth von Wundern", verloren Monate, Jahre,
ehe sie Athem schöpften, unfähig etwas zu unternehmen; sie
kamen endlich zurück, um ihren Dünkel als Romfahrer zur
Schau zu tragen und das Heimische zu verachten. Aber zuwei-
len starben sie aus Verdruss. Sie erfuhren zu ihrem Schaden,
dass es besser sei die Schulen Hispaniens, als die Hosterien
Roms zu besuchen1).

Velazquez hatte den König schon mehremale um Urlaub
ersucht, dieser war ihm auch versprochen worden. Der Besuch
des Rubens, die gemeinschaftliche Betrachtung der italienischen
Gemälde im Escorial fachte den Wunsch neu an, vielleicht hat
Rubens selbst bei Philipp IV ein Wort eingelegt. Die Gesichts-
punkte, nach denen dieser die italienischen Meister studirt hatte,

1) Vgl. die Schilderung bei Palomino, II, 61 f. die nicht bloss auf seine
Zeit passt.

Drittes Buch.
schwebt, wenn spanische Malerei genannt wird, und die jene
Perspective völlig zugedeckt hat, sie war damals erst im Ent-
stehen begriffen. Das ganze Mittelalter war in Finsterniss ver-
sunken, eine Morgenröthe brach an in der Zeit Isabella der Ka-
tholischen, aber der helle Tag ging erst auf, als die spanischen
Maler aus Rom zurückkamen, voran Alonso Berruguete, der schon
ein Künstlerleben hinter sich hatte, als er im Jahre 1520 wieder
in Saragossa auftauchte. Er hatte einst in Florenz noch ein
Gemälde des Filippino vollendet und zählte zu den jugendlichen
Verehrern Michelangelo’s während seines glorreichen Aufgangs,
am Carton von Pisa hatte er gelernt was Zeichnen sei. Dann
liess er im Vaterland die anmuthig bewegten Gestalten Raphaels
auf Tafeln, Bonarrotis starkbewegte Propheten in Alabaster-
statuen wieder aufleben. Und hatte nicht Philipp II bei der Aus-
stattung seines Escorial sich hauptsächlich italienischer Hülfe
bedient? Sieben namhafte Maler waren gekommen, ohne die Ge-
hülfen. Der einzige fast, der das Panier der spanischen Schule
dort hochhielt, Juan Fernandez de Navarrete, er wurde doch
auch aus Italien dorthin gerufen. Und heute noch, war nicht
ein Spanier, jener Valencianer Ribera, in Italien gross geworden
und herrschte dort in Neapel über die einheimischen Maler?

Der Zug der jungen spanischen Maler nach Italien war in
der That gross. Aber schon damals machte man die Bemer-
kung, dass nur reife Künstler (que tenian asegurado el genio)
dort Förderung empfingen. Die Meisten, betäubt von jenem „er-
staunlichen Labyrinth von Wundern“, verloren Monate, Jahre,
ehe sie Athem schöpften, unfähig etwas zu unternehmen; sie
kamen endlich zurück, um ihren Dünkel als Romfahrer zur
Schau zu tragen und das Heimische zu verachten. Aber zuwei-
len starben sie aus Verdruss. Sie erfuhren zu ihrem Schaden,
dass es besser sei die Schulen Hispaniens, als die Hosterien
Roms zu besuchen1).

Velazquez hatte den König schon mehremale um Urlaub
ersucht, dieser war ihm auch versprochen worden. Der Besuch
des Rubens, die gemeinschaftliche Betrachtung der italienischen
Gemälde im Escorial fachte den Wunsch neu an, vielleicht hat
Rubens selbst bei Philipp IV ein Wort eingelegt. Die Gesichts-
punkte, nach denen dieser die italienischen Meister studirt hatte,

1) Vgl. die Schilderung bei Palomino, II, 61 f. die nicht bloss auf seine
Zeit passt.
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[268/0294] Drittes Buch. schwebt, wenn spanische Malerei genannt wird, und die jene Perspective völlig zugedeckt hat, sie war damals erst im Ent- stehen begriffen. Das ganze Mittelalter war in Finsterniss ver- sunken, eine Morgenröthe brach an in der Zeit Isabella der Ka- tholischen, aber der helle Tag ging erst auf, als die spanischen Maler aus Rom zurückkamen, voran Alonso Berruguete, der schon ein Künstlerleben hinter sich hatte, als er im Jahre 1520 wieder in Saragossa auftauchte. Er hatte einst in Florenz noch ein Gemälde des Filippino vollendet und zählte zu den jugendlichen Verehrern Michelangelo’s während seines glorreichen Aufgangs, am Carton von Pisa hatte er gelernt was Zeichnen sei. Dann liess er im Vaterland die anmuthig bewegten Gestalten Raphaels auf Tafeln, Bonarrotis starkbewegte Propheten in Alabaster- statuen wieder aufleben. Und hatte nicht Philipp II bei der Aus- stattung seines Escorial sich hauptsächlich italienischer Hülfe bedient? Sieben namhafte Maler waren gekommen, ohne die Ge- hülfen. Der einzige fast, der das Panier der spanischen Schule dort hochhielt, Juan Fernandez de Navarrete, er wurde doch auch aus Italien dorthin gerufen. Und heute noch, war nicht ein Spanier, jener Valencianer Ribera, in Italien gross geworden und herrschte dort in Neapel über die einheimischen Maler? Der Zug der jungen spanischen Maler nach Italien war in der That gross. Aber schon damals machte man die Bemer- kung, dass nur reife Künstler (que tenian asegurado el genio) dort Förderung empfingen. Die Meisten, betäubt von jenem „er- staunlichen Labyrinth von Wundern“, verloren Monate, Jahre, ehe sie Athem schöpften, unfähig etwas zu unternehmen; sie kamen endlich zurück, um ihren Dünkel als Romfahrer zur Schau zu tragen und das Heimische zu verachten. Aber zuwei- len starben sie aus Verdruss. Sie erfuhren zu ihrem Schaden, dass es besser sei die Schulen Hispaniens, als die Hosterien Roms zu besuchen 1). Velazquez hatte den König schon mehremale um Urlaub ersucht, dieser war ihm auch versprochen worden. Der Besuch des Rubens, die gemeinschaftliche Betrachtung der italienischen Gemälde im Escorial fachte den Wunsch neu an, vielleicht hat Rubens selbst bei Philipp IV ein Wort eingelegt. Die Gesichts- punkte, nach denen dieser die italienischen Meister studirt hatte, 1) Vgl. die Schilderung bei Palomino, II, 61 f. die nicht bloss auf seine Zeit passt.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/294>, abgerufen am 22.11.2024.