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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Die Schmiede Vulcans.
hier ist die Linie der Naturwahrheit zwischen gelehrt plastischer
oder anatomischer Härte eines Michelangelo und malerisch wei-
cher Unbestimmtheit bei den Venezianern. Die zartverschmolzene,
fleissige Durchführung, wo nirgends die Arbeit des Pinsels sicht-
bar bleibt, sollten die sich ansehn, die sich Velazquez als einen
Bravourmaler vorstellen.

Neu dabei und ihm offenbar in Italien aufgegangen ist die
Lossagung von dem Helldunkel der Naturalisten. Die tiefen, scharf
abgesetzten Schatten sind fort. Und doch war ja diese Scene
wie ausersehen zu einem caravaggesken Prachtstück: Höhle,
Kohlenfeuer, rothglühendes Eisen, Strahlenkranz. Die Tendenz
in möglichst vollem Licht zu modelliren, tritt also hier bei einem
wenig Handhabe bietenden Gegenstand auf, aber mit vollem Erfolg:
der Gestaltenkreis hebt sich vor der hellgrauen Wand mit frap-
panter Deutlichkeit ab und geht in die Tiefe auseinander. Zu
jenem Zweck hat er mehrere Lichtquellen angenommen. Das
direkte Hauptlicht fällt, wie die Schlagschatten beweisen, von
vorn links, wahrscheinlich durch eine offene Thür. Das breite
Fenster gegenüber hat Nordlicht, wie das tiefe, jetzt fast nächt-
liche Blau anzudeuten scheint. Endlich der Nimbus Apollo's.
Die hellste Partie im Ganzen ist der erhobene Arm des Gottes.
Die gegenüberstehenden Gesellen und Vulcan erhalten mehr oder
weniger von diesem direkten Licht. Dasselbe ist stark genug,
um der Höhle bis in die letzten Winkel Reflexlicht zu geben und
auch die Schattenseiten der Männer demgemäss mehr oder minder
aufzuhellen. Bei dem Chef ist das Helldunkel gedämpft, damit das
stechende, zornfunkelnde Auge aus der Dämmerung hervordringe.
Jede Figur hat ihre eigene Note in Licht und Schatten.

Apollo in der Schmiede des Vulcan, der Gott des Lichts
in der Höhle des Schmieds: ist das nicht das Sinnbild des Sieges
des Tageslichts über das künstliche Atelier- und Kellerlicht,
über die braunen und schwarzen Nachtgespenster der tenebrosi
und der Bologneser Akademiker? 1).

Das Feuer war unter sehr ungünstigen Umständen zu ma-
len; und wie hat der Maler diese Aufgabe gelöst! Das rothglü-
hende Ende ist mit dem Spatel aufgestrichen, die Lohe zwischen
die Schattentheile zweier Figuren gestellt und der schwarze
Hammer mitten davor gesetzt. Die Lichter auf dem Stahl, den

1) Diesen geistvollen Einfall verdanke ich Emil Hübner.

Die Schmiede Vulcans.
hier ist die Linie der Naturwahrheit zwischen gelehrt plastischer
oder anatomischer Härte eines Michelangelo und malerisch wei-
cher Unbestimmtheit bei den Venezianern. Die zartverschmolzene,
fleissige Durchführung, wo nirgends die Arbeit des Pinsels sicht-
bar bleibt, sollten die sich ansehn, die sich Velazquez als einen
Bravourmaler vorstellen.

Neu dabei und ihm offenbar in Italien aufgegangen ist die
Lossagung von dem Helldunkel der Naturalisten. Die tiefen, scharf
abgesetzten Schatten sind fort. Und doch war ja diese Scene
wie ausersehen zu einem caravaggesken Prachtstück: Höhle,
Kohlenfeuer, rothglühendes Eisen, Strahlenkranz. Die Tendenz
in möglichst vollem Licht zu modelliren, tritt also hier bei einem
wenig Handhabe bietenden Gegenstand auf, aber mit vollem Erfolg:
der Gestaltenkreis hebt sich vor der hellgrauen Wand mit frap-
panter Deutlichkeit ab und geht in die Tiefe auseinander. Zu
jenem Zweck hat er mehrere Lichtquellen angenommen. Das
direkte Hauptlicht fällt, wie die Schlagschatten beweisen, von
vorn links, wahrscheinlich durch eine offene Thür. Das breite
Fenster gegenüber hat Nordlicht, wie das tiefe, jetzt fast nächt-
liche Blau anzudeuten scheint. Endlich der Nimbus Apollo’s.
Die hellste Partie im Ganzen ist der erhobene Arm des Gottes.
Die gegenüberstehenden Gesellen und Vulcan erhalten mehr oder
weniger von diesem direkten Licht. Dasselbe ist stark genug,
um der Höhle bis in die letzten Winkel Reflexlicht zu geben und
auch die Schattenseiten der Männer demgemäss mehr oder minder
aufzuhellen. Bei dem Chef ist das Helldunkel gedämpft, damit das
stechende, zornfunkelnde Auge aus der Dämmerung hervordringe.
Jede Figur hat ihre eigene Note in Licht und Schatten.

Apollo in der Schmiede des Vulcan, der Gott des Lichts
in der Höhle des Schmieds: ist das nicht das Sinnbild des Sieges
des Tageslichts über das künstliche Atelier- und Kellerlicht,
über die braunen und schwarzen Nachtgespenster der tenebrosi
und der Bologneser Akademiker? 1).

Das Feuer war unter sehr ungünstigen Umständen zu ma-
len; und wie hat der Maler diese Aufgabe gelöst! Das rothglü-
hende Ende ist mit dem Spatel aufgestrichen, die Lohe zwischen
die Schattentheile zweier Figuren gestellt und der schwarze
Hammer mitten davor gesetzt. Die Lichter auf dem Stahl, den

1) Diesen geistvollen Einfall verdanke ich Emil Hübner.
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[303/0329] Die Schmiede Vulcans. hier ist die Linie der Naturwahrheit zwischen gelehrt plastischer oder anatomischer Härte eines Michelangelo und malerisch wei- cher Unbestimmtheit bei den Venezianern. Die zartverschmolzene, fleissige Durchführung, wo nirgends die Arbeit des Pinsels sicht- bar bleibt, sollten die sich ansehn, die sich Velazquez als einen Bravourmaler vorstellen. Neu dabei und ihm offenbar in Italien aufgegangen ist die Lossagung von dem Helldunkel der Naturalisten. Die tiefen, scharf abgesetzten Schatten sind fort. Und doch war ja diese Scene wie ausersehen zu einem caravaggesken Prachtstück: Höhle, Kohlenfeuer, rothglühendes Eisen, Strahlenkranz. Die Tendenz in möglichst vollem Licht zu modelliren, tritt also hier bei einem wenig Handhabe bietenden Gegenstand auf, aber mit vollem Erfolg: der Gestaltenkreis hebt sich vor der hellgrauen Wand mit frap- panter Deutlichkeit ab und geht in die Tiefe auseinander. Zu jenem Zweck hat er mehrere Lichtquellen angenommen. Das direkte Hauptlicht fällt, wie die Schlagschatten beweisen, von vorn links, wahrscheinlich durch eine offene Thür. Das breite Fenster gegenüber hat Nordlicht, wie das tiefe, jetzt fast nächt- liche Blau anzudeuten scheint. Endlich der Nimbus Apollo’s. Die hellste Partie im Ganzen ist der erhobene Arm des Gottes. Die gegenüberstehenden Gesellen und Vulcan erhalten mehr oder weniger von diesem direkten Licht. Dasselbe ist stark genug, um der Höhle bis in die letzten Winkel Reflexlicht zu geben und auch die Schattenseiten der Männer demgemäss mehr oder minder aufzuhellen. Bei dem Chef ist das Helldunkel gedämpft, damit das stechende, zornfunkelnde Auge aus der Dämmerung hervordringe. Jede Figur hat ihre eigene Note in Licht und Schatten. Apollo in der Schmiede des Vulcan, der Gott des Lichts in der Höhle des Schmieds: ist das nicht das Sinnbild des Sieges des Tageslichts über das künstliche Atelier- und Kellerlicht, über die braunen und schwarzen Nachtgespenster der tenebrosi und der Bologneser Akademiker? 1). Das Feuer war unter sehr ungünstigen Umständen zu ma- len; und wie hat der Maler diese Aufgabe gelöst! Das rothglü- hende Ende ist mit dem Spatel aufgestrichen, die Lohe zwischen die Schattentheile zweier Figuren gestellt und der schwarze Hammer mitten davor gesetzt. Die Lichter auf dem Stahl, den 1) Diesen geistvollen Einfall verdanke ich Emil Hübner.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/329>, abgerufen am 24.11.2024.