lebte Velazquez von jetzt an ohne Unterbrechung am Hofe Philipp IV. Diess war die Zeit seiner besten Manneskraft. Nach der Arbeit der Schule, dem Suchen und den Versuchen der Lehr- jahre, nach den Lorbeern und Anfechtungen der ersten Meister- jahre, hatte er diese italienische Pause gehabt -- für den höheren Menschen ist ja die wahre Ruhe Wechsel in der Bewegung. In der Kunstwelt Italiens hatte er frei aufgeathmet, war seiner selbst völlig gewiss geworden, und hatte, durch Aufnehmen, neue Schaf- fenslust gewonnen.
Diese achtzehn Jahre fallen zusammen mit der zweiten Hälfte des grossen Kriegs, in dem auch Spanien seine letzte Kraft mitein- gesetzt hat, und nach dem es aus der Reihe der Grossmächte ver- schwand. Am Hof merkte man wenig von diesem Niedergang, ausser in der Finanzklemme, die aber dort chronisch war. Die Menschen, sagt ein Comödiendichter, pflegen immer guter Dinge zu sein, wenn sie auf dem Wege sind sich zu ruiniren. Der zer- störende Krieg fand in Madrid seinen lautesten Wiederhall in den Siegesfesten, wo Phantasie und Luxus sich fortwährend über- boten. Mit der lange vergeblich ersehnten Geburt eines Thron- erben war Freude und Leben im königlichen Hause eingezogen; neben ihm blühte ein liebliches Prinzesschen auf, dem eine von beiden, die kaiserliche oder die Krone von Frankreich, man wusste noch nicht welche, zugedacht war. Ein Lustschloss und ein Jagdschloss entstanden, welche die Kunstwelt im weitesten Umkreis in Bewegung brachten: alles was die Halbinsel, Flan- dern, Italien von Talenten und Kunstwerken übrig hatte, wurde herbeigeholt. Besonders die erste Hälfte dieser Zeit, die dreis- siger Jahre, waren wol die glücklichsten, welche Velazquez und Philipp IV erlebt haben. Der Hofmaler stand im Vordertreffen eines Heers von Talenten, nahe dem Ohre des Monarchen, aber ohne die Anfechtungen, welche ein amtlich Vorgesetzter zu be- fahren gehabt hätte. Da er Niemanden den Raum vertrat, nur
Achtzehn Jahre
lebte Velazquez von jetzt an ohne Unterbrechung am Hofe Philipp IV. Diess war die Zeit seiner besten Manneskraft. Nach der Arbeit der Schule, dem Suchen und den Versuchen der Lehr- jahre, nach den Lorbeern und Anfechtungen der ersten Meister- jahre, hatte er diese italienische Pause gehabt — für den höheren Menschen ist ja die wahre Ruhe Wechsel in der Bewegung. In der Kunstwelt Italiens hatte er frei aufgeathmet, war seiner selbst völlig gewiss geworden, und hatte, durch Aufnehmen, neue Schaf- fenslust gewonnen.
Diese achtzehn Jahre fallen zusammen mit der zweiten Hälfte des grossen Kriegs, in dem auch Spanien seine letzte Kraft mitein- gesetzt hat, und nach dem es aus der Reihe der Grossmächte ver- schwand. Am Hof merkte man wenig von diesem Niedergang, ausser in der Finanzklemme, die aber dort chronisch war. Die Menschen, sagt ein Comödiendichter, pflegen immer guter Dinge zu sein, wenn sie auf dem Wege sind sich zu ruiniren. Der zer- störende Krieg fand in Madrid seinen lautesten Wiederhall in den Siegesfesten, wo Phantasie und Luxus sich fortwährend über- boten. Mit der lange vergeblich ersehnten Geburt eines Thron- erben war Freude und Leben im königlichen Hause eingezogen; neben ihm blühte ein liebliches Prinzesschen auf, dem eine von beiden, die kaiserliche oder die Krone von Frankreich, man wusste noch nicht welche, zugedacht war. Ein Lustschloss und ein Jagdschloss entstanden, welche die Kunstwelt im weitesten Umkreis in Bewegung brachten: alles was die Halbinsel, Flan- dern, Italien von Talenten und Kunstwerken übrig hatte, wurde herbeigeholt. Besonders die erste Hälfte dieser Zeit, die dreis- siger Jahre, waren wol die glücklichsten, welche Velazquez und Philipp IV erlebt haben. Der Hofmaler stand im Vordertreffen eines Heers von Talenten, nahe dem Ohre des Monarchen, aber ohne die Anfechtungen, welche ein amtlich Vorgesetzter zu be- fahren gehabt hätte. Da er Niemanden den Raum vertrat, nur
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Achtzehn Jahre
lebte Velazquez von jetzt an ohne Unterbrechung am Hofe
Philipp IV. Diess war die Zeit seiner besten Manneskraft. Nach
der Arbeit der Schule, dem Suchen und den Versuchen der Lehr-
jahre, nach den Lorbeern und Anfechtungen der ersten Meister-
jahre, hatte er diese italienische Pause gehabt — für den höheren
Menschen ist ja die wahre Ruhe Wechsel in der Bewegung. In
der Kunstwelt Italiens hatte er frei aufgeathmet, war seiner selbst
völlig gewiss geworden, und hatte, durch Aufnehmen, neue Schaf-
fenslust gewonnen.
Diese achtzehn Jahre fallen zusammen mit der zweiten Hälfte
des grossen Kriegs, in dem auch Spanien seine letzte Kraft mitein-
gesetzt hat, und nach dem es aus der Reihe der Grossmächte ver-
schwand. Am Hof merkte man wenig von diesem Niedergang,
ausser in der Finanzklemme, die aber dort chronisch war. Die
Menschen, sagt ein Comödiendichter, pflegen immer guter Dinge
zu sein, wenn sie auf dem Wege sind sich zu ruiniren. Der zer-
störende Krieg fand in Madrid seinen lautesten Wiederhall in
den Siegesfesten, wo Phantasie und Luxus sich fortwährend über-
boten. Mit der lange vergeblich ersehnten Geburt eines Thron-
erben war Freude und Leben im königlichen Hause eingezogen;
neben ihm blühte ein liebliches Prinzesschen auf, dem eine von
beiden, die kaiserliche oder die Krone von Frankreich, man
wusste noch nicht welche, zugedacht war. Ein Lustschloss und
ein Jagdschloss entstanden, welche die Kunstwelt im weitesten
Umkreis in Bewegung brachten: alles was die Halbinsel, Flan-
dern, Italien von Talenten und Kunstwerken übrig hatte, wurde
herbeigeholt. Besonders die erste Hälfte dieser Zeit, die dreis-
siger Jahre, waren wol die glücklichsten, welche Velazquez und
Philipp IV erlebt haben. Der Hofmaler stand im Vordertreffen
eines Heers von Talenten, nahe dem Ohre des Monarchen, aber
ohne die Anfechtungen, welche ein amtlich Vorgesetzter zu be-
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/355>, abgerufen am 24.11.2024.
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