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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Viertes Buch.
darauf aus war alle aufs beste zu verwenden, zu fördern, so kann
man sein Leben gewiss ein fruchtbares und glückliches nennen.

Aber ebendesshalb vielleicht ist wenig daraus zu erzählen.
Die Urkunden berichten ausser der Verheirathung seiner Toch-
ter nur die Ernennungen zu Hofämtern, die Gehaltserhöhungen
und Abschlagszahlungen, die Reisen mit dem Hofe.

Biographien der Vergangenheit sind Produkte der Quellen,
sie spiegeln in ihrer fragmentarischer Ungleichheit deren Vorzüge
und Mängel ab. Das wichtigste fehlt oft ganz, und das nichtige
drängt sich ausführlich und authentisch vor. Wenn der Künstler
selbst Veranlassung gehabt hätte, sein Leben zu erzählen, zu
welcher Klasse von Biographien hätte die seinige wohl gehört?
Wir fürchten, es würde wenig darin stehen von seinen Werken:
Maler wie er sprechen nicht gern von dem was sie weggegeben
haben; aber als echter Hofmann würde er wol die Gnaden be-
richtet haben, deren Akten die Archive bewahren, und die Feste
an denen er mitgeholfen. Für Kunstfreunde und Künstler liegt
das Leben eines Malers in seinen Werken, in den Wandlungen
der Darstellungsformen und der Technik. Welch ein Buch würde
es geben, wenn man die Historie eines jeden Bildnisses kännte,
den Anstoss, die Sitzungen, die Urtheile (deren Spuren in vielen
pentimenti), die Anerkennung und Anfeindung! Jedes wäre eine
kleine Novelle. Aber wir erfahren nicht einmal die Jahreszahlen!

Es giebt indess noch andere Erlebnisse als die der Familie,
der Berufsthätigkeit und der Erfolge oder Misserfolge im Leben.
Wir denken, ein Künstler, der in der grossen Welt lebt und deren
Personen zu studiren hat, würde, wenn er das erzählte, was
die lebendigsten Erinnerungen zurückgelassen hat, wie Goethe,
auch von dem reden, was er als Zuschauer der grossen Zeit-
bühnen erlebt hat, obwol er da nur einer unter Tausenden war
-- der Bühne der Geschichte und der idealen Bühne der Dich-
tung und Kunst. Denn das ist es doch, weshalb man am Ende
sich sagt, dass es der Mühe werth gewesen ist zu leben. Wenn
man die Chronik von Hof und Hauptstadt aufschlägt, dann ge-
winnen die leeren Rahmen dieser Jahre Gestalt und Farbe; da
liegen die Begebenheiten, quarum pars magna fuit.

Aemter und Gehalt.

Velazquez hat in diesen Jahren zu seiner Stelle als Kammer-
maler nach und nach mehrere Aemter bekommen. Zum kleinsten

Viertes Buch.
darauf aus war alle aufs beste zu verwenden, zu fördern, so kann
man sein Leben gewiss ein fruchtbares und glückliches nennen.

Aber ebendesshalb vielleicht ist wenig daraus zu erzählen.
Die Urkunden berichten ausser der Verheirathung seiner Toch-
ter nur die Ernennungen zu Hofämtern, die Gehaltserhöhungen
und Abschlagszahlungen, die Reisen mit dem Hofe.

Biographien der Vergangenheit sind Produkte der Quellen,
sie spiegeln in ihrer fragmentarischer Ungleichheit deren Vorzüge
und Mängel ab. Das wichtigste fehlt oft ganz, und das nichtige
drängt sich ausführlich und authentisch vor. Wenn der Künstler
selbst Veranlassung gehabt hätte, sein Leben zu erzählen, zu
welcher Klasse von Biographien hätte die seinige wohl gehört?
Wir fürchten, es würde wenig darin stehen von seinen Werken:
Maler wie er sprechen nicht gern von dem was sie weggegeben
haben; aber als echter Hofmann würde er wol die Gnaden be-
richtet haben, deren Akten die Archive bewahren, und die Feste
an denen er mitgeholfen. Für Kunstfreunde und Künstler liegt
das Leben eines Malers in seinen Werken, in den Wandlungen
der Darstellungsformen und der Technik. Welch ein Buch würde
es geben, wenn man die Historie eines jeden Bildnisses kännte,
den Anstoss, die Sitzungen, die Urtheile (deren Spuren in vielen
pentimenti), die Anerkennung und Anfeindung! Jedes wäre eine
kleine Novelle. Aber wir erfahren nicht einmal die Jahreszahlen!

Es giebt indess noch andere Erlebnisse als die der Familie,
der Berufsthätigkeit und der Erfolge oder Misserfolge im Leben.
Wir denken, ein Künstler, der in der grossen Welt lebt und deren
Personen zu studiren hat, würde, wenn er das erzählte, was
die lebendigsten Erinnerungen zurückgelassen hat, wie Gœthe,
auch von dem reden, was er als Zuschauer der grossen Zeit-
bühnen erlebt hat, obwol er da nur einer unter Tausenden war
— der Bühne der Geschichte und der idealen Bühne der Dich-
tung und Kunst. Denn das ist es doch, weshalb man am Ende
sich sagt, dass es der Mühe werth gewesen ist zu leben. Wenn
man die Chronik von Hof und Hauptstadt aufschlägt, dann ge-
winnen die leeren Rahmen dieser Jahre Gestalt und Farbe; da
liegen die Begebenheiten, quarum pars magna fuit.

Aemter und Gehalt.

Velazquez hat in diesen Jahren zu seiner Stelle als Kammer-
maler nach und nach mehrere Aemter bekommen. Zum kleinsten

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[330/0356] Viertes Buch. darauf aus war alle aufs beste zu verwenden, zu fördern, so kann man sein Leben gewiss ein fruchtbares und glückliches nennen. Aber ebendesshalb vielleicht ist wenig daraus zu erzählen. Die Urkunden berichten ausser der Verheirathung seiner Toch- ter nur die Ernennungen zu Hofämtern, die Gehaltserhöhungen und Abschlagszahlungen, die Reisen mit dem Hofe. Biographien der Vergangenheit sind Produkte der Quellen, sie spiegeln in ihrer fragmentarischer Ungleichheit deren Vorzüge und Mängel ab. Das wichtigste fehlt oft ganz, und das nichtige drängt sich ausführlich und authentisch vor. Wenn der Künstler selbst Veranlassung gehabt hätte, sein Leben zu erzählen, zu welcher Klasse von Biographien hätte die seinige wohl gehört? Wir fürchten, es würde wenig darin stehen von seinen Werken: Maler wie er sprechen nicht gern von dem was sie weggegeben haben; aber als echter Hofmann würde er wol die Gnaden be- richtet haben, deren Akten die Archive bewahren, und die Feste an denen er mitgeholfen. Für Kunstfreunde und Künstler liegt das Leben eines Malers in seinen Werken, in den Wandlungen der Darstellungsformen und der Technik. Welch ein Buch würde es geben, wenn man die Historie eines jeden Bildnisses kännte, den Anstoss, die Sitzungen, die Urtheile (deren Spuren in vielen pentimenti), die Anerkennung und Anfeindung! Jedes wäre eine kleine Novelle. Aber wir erfahren nicht einmal die Jahreszahlen! Es giebt indess noch andere Erlebnisse als die der Familie, der Berufsthätigkeit und der Erfolge oder Misserfolge im Leben. Wir denken, ein Künstler, der in der grossen Welt lebt und deren Personen zu studiren hat, würde, wenn er das erzählte, was die lebendigsten Erinnerungen zurückgelassen hat, wie Gœthe, auch von dem reden, was er als Zuschauer der grossen Zeit- bühnen erlebt hat, obwol er da nur einer unter Tausenden war — der Bühne der Geschichte und der idealen Bühne der Dich- tung und Kunst. Denn das ist es doch, weshalb man am Ende sich sagt, dass es der Mühe werth gewesen ist zu leben. Wenn man die Chronik von Hof und Hauptstadt aufschlägt, dann ge- winnen die leeren Rahmen dieser Jahre Gestalt und Farbe; da liegen die Begebenheiten, quarum pars magna fuit. Aemter und Gehalt. Velazquez hat in diesen Jahren zu seiner Stelle als Kammer- maler nach und nach mehrere Aemter bekommen. Zum kleinsten

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/356>, abgerufen am 24.11.2024.