Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

Viertes Buch.
andern dieser Klasse erhoben die zu Pferd, wegen der Entschlos-
senheit und Gewandtheit die dazu gehört, und wegen der Stra-
pazen und Gefahren, welche die Schwierigkeit des Bodens und
die Furchtbarkeit des Wildschweins bedingt, das schneidiger
(executivo, leichter annimmt) ist als selbst der spanische Stier und
"giftig von Odem und Hauer" (colmilla).

Lange umfassende Vorbereitungen waren erforderlich zu
einer eingestellten Saujagd (monteria de jabali en tela cerrada).
Ein Theil des Reviers wurde mit Tüchern von Hanf "wie mit
einer Mauer" eingekreist, und das Wild durch Anlegung eines
Fütterungs- oder Köderplatzes (cebadero) angekirrt. In der damals
schon wildarmen Umgebung von Madrid musste man wohl zwei
Meilen Umkreis, ein halbes Revier (medio monte) umspannen.
Solche telas hatte Carl V aus Deutschland eingeführt und damit
diese Art Jagd. Nur der König konnte sich dieses kostspielige
Vergnügen erlauben. Die einzelnen Stücke waren 36--40 Schritte
lang, wurden miteinander durch Holzknöpfe verbunden und mit-
telst Ringen an Fichtenstangen mit Haken aufgehängt, der untere
Saum aber in der Erde vergraben. Jene Stangen wurden wie
bei Zelten durch zwei, eine äussere und innere gestützt. Man
brauchte zwölf, neuerdings zwanzig Wagen Leinwand, die Olivares
aus Flandern kommen liess. Quevedo meint, man könne damit
den Entsatz einer Festung bestreiten1). Ein Thor von zweihun-
dert Schritt Breite wurde offen gelassen, und wenn man genug
Thiere eingetrieben hatte, vorsichtig geschlossen. Im Jahre 1638
bestätigte man vierzig, von denen man die stärksten acht aus-
wählte. Dann wurde ein Kampfplatz im Centrum jenes einge-
kreisten Reviers gesucht, der eben, ohne Löcher und gern sumpfig
gewählt wurde, und die hundert Schritt im Durchmesser haltende
contratela (von den Italiern serraglio genannt) mit doppelter, drei
Ellen hoher Tuchwand gestellt. Die Eichen wurden der Pferde
wegen abgeästet.

Diese Contratela sieht man auf dem Gemälde errichtet um
eine amphiteatralische Thalmulde, wie ein Krater. Gegenüber
erhebt sich der steile, von Schluchten zerrissene, mit düstern
Eichen bedeckte Abhang; hie und da wirft der blosse gelbe
Sand blendendes Sonnenlicht zurück; in der Mitte breitet sich

1) Y con lo que cuesta la tela de la caza,
pudieran enviar socorro a una plaza.
Quevedo, a S. M. el Rey Fel. IV. Obras III, 498.

Viertes Buch.
andern dieser Klasse erhoben die zu Pferd, wegen der Entschlos-
senheit und Gewandtheit die dazu gehört, und wegen der Stra-
pazen und Gefahren, welche die Schwierigkeit des Bodens und
die Furchtbarkeit des Wildschweins bedingt, das schneidiger
(executivo, leichter annimmt) ist als selbst der spanische Stier und
„giftig von Odem und Hauer“ (colmilla).

Lange umfassende Vorbereitungen waren erforderlich zu
einer eingestellten Saujagd (monteria de jabalí en tela cerrada).
Ein Theil des Reviers wurde mit Tüchern von Hanf „wie mit
einer Mauer“ eingekreist, und das Wild durch Anlegung eines
Fütterungs- oder Köderplatzes (cebadero) angekirrt. In der damals
schon wildarmen Umgebung von Madrid musste man wohl zwei
Meilen Umkreis, ein halbes Revier (medio monte) umspannen.
Solche telas hatte Carl V aus Deutschland eingeführt und damit
diese Art Jagd. Nur der König konnte sich dieses kostspielige
Vergnügen erlauben. Die einzelnen Stücke waren 36—40 Schritte
lang, wurden miteinander durch Holzknöpfe verbunden und mit-
telst Ringen an Fichtenstangen mit Haken aufgehängt, der untere
Saum aber in der Erde vergraben. Jene Stangen wurden wie
bei Zelten durch zwei, eine äussere und innere gestützt. Man
brauchte zwölf, neuerdings zwanzig Wagen Leinwand, die Olivares
aus Flandern kommen liess. Quevedo meint, man könne damit
den Entsatz einer Festung bestreiten1). Ein Thor von zweihun-
dert Schritt Breite wurde offen gelassen, und wenn man genug
Thiere eingetrieben hatte, vorsichtig geschlossen. Im Jahre 1638
bestätigte man vierzig, von denen man die stärksten acht aus-
wählte. Dann wurde ein Kampfplatz im Centrum jenes einge-
kreisten Reviers gesucht, der eben, ohne Löcher und gern sumpfig
gewählt wurde, und die hundert Schritt im Durchmesser haltende
contratela (von den Italiern serraglio genannt) mit doppelter, drei
Ellen hoher Tuchwand gestellt. Die Eichen wurden der Pferde
wegen abgeästet.

Diese Contratela sieht man auf dem Gemälde errichtet um
eine amphiteatralische Thalmulde, wie ein Krater. Gegenüber
erhebt sich der steile, von Schluchten zerrissene, mit düstern
Eichen bedeckte Abhang; hie und da wirft der blosse gelbe
Sand blendendes Sonnenlicht zurück; in der Mitte breitet sich

1) Y con lo que cuesta la tela de la caza,
pudieran enviar socorro á una plaza.
Quevedo, á S. M. el Rey Fel. IV. Obras III, 498.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0408" n="380"/><fw place="top" type="header">Viertes Buch.</fw><lb/>
andern dieser Klasse erhoben die zu Pferd, wegen der Entschlos-<lb/>
senheit und Gewandtheit die dazu gehört, und wegen der Stra-<lb/>
pazen und Gefahren, welche die Schwierigkeit des Bodens und<lb/>
die Furchtbarkeit des Wildschweins bedingt, das schneidiger<lb/>
(<hi rendition="#i">executivo</hi>, leichter annimmt) ist als selbst der spanische Stier und<lb/>
&#x201E;giftig von Odem und Hauer&#x201C; (<hi rendition="#i">colmilla</hi>).</p><lb/>
          <p>Lange umfassende Vorbereitungen waren erforderlich zu<lb/>
einer eingestellten Saujagd (<hi rendition="#i">monteria de jabalí en tela cerrada</hi>).<lb/>
Ein Theil des Reviers wurde mit Tüchern von Hanf &#x201E;wie mit<lb/>
einer Mauer&#x201C; eingekreist, und das Wild durch Anlegung eines<lb/>
Fütterungs- oder Köderplatzes (<hi rendition="#i">cebadero</hi>) angekirrt. In der damals<lb/>
schon wildarmen Umgebung von Madrid musste man wohl zwei<lb/>
Meilen Umkreis, ein halbes Revier (<hi rendition="#i">medio monte</hi>) umspannen.<lb/>
Solche <hi rendition="#i">telas</hi> hatte Carl V aus Deutschland eingeführt und damit<lb/>
diese Art Jagd. Nur der König konnte sich dieses kostspielige<lb/>
Vergnügen erlauben. Die einzelnen Stücke waren 36&#x2014;40 Schritte<lb/>
lang, wurden miteinander durch Holzknöpfe verbunden und mit-<lb/>
telst Ringen an Fichtenstangen mit Haken aufgehängt, der untere<lb/>
Saum aber in der Erde vergraben. Jene Stangen wurden wie<lb/>
bei Zelten durch zwei, eine äussere und innere gestützt. Man<lb/>
brauchte zwölf, neuerdings zwanzig Wagen Leinwand, die Olivares<lb/>
aus Flandern kommen liess. Quevedo meint, man könne damit<lb/>
den Entsatz einer Festung bestreiten<note place="foot" n="1)">Y con lo que cuesta la tela de la caza,<lb/>
pudieran enviar socorro á una plaza.<lb/><hi rendition="#et">Quevedo, á S. M. el Rey Fel. IV. Obras III, 498.</hi></note>. Ein Thor von zweihun-<lb/>
dert Schritt Breite wurde offen gelassen, und wenn man genug<lb/>
Thiere eingetrieben hatte, vorsichtig geschlossen. Im Jahre 1638<lb/>
bestätigte man vierzig, von denen man die stärksten acht aus-<lb/>
wählte. Dann wurde ein Kampfplatz im Centrum jenes einge-<lb/>
kreisten Reviers gesucht, der eben, ohne Löcher und gern sumpfig<lb/>
gewählt wurde, und die hundert Schritt im Durchmesser haltende<lb/><hi rendition="#i">contratela</hi> (von den Italiern <hi rendition="#i">serraglio</hi> genannt) mit doppelter, drei<lb/>
Ellen hoher Tuchwand gestellt. Die Eichen wurden der Pferde<lb/>
wegen abgeästet.</p><lb/>
          <p>Diese Contratela sieht man auf dem Gemälde errichtet um<lb/>
eine amphiteatralische Thalmulde, wie ein Krater. Gegenüber<lb/>
erhebt sich der steile, von Schluchten zerrissene, mit düstern<lb/>
Eichen bedeckte Abhang; hie und da wirft der blosse gelbe<lb/>
Sand blendendes Sonnenlicht zurück; in der Mitte breitet sich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[380/0408] Viertes Buch. andern dieser Klasse erhoben die zu Pferd, wegen der Entschlos- senheit und Gewandtheit die dazu gehört, und wegen der Stra- pazen und Gefahren, welche die Schwierigkeit des Bodens und die Furchtbarkeit des Wildschweins bedingt, das schneidiger (executivo, leichter annimmt) ist als selbst der spanische Stier und „giftig von Odem und Hauer“ (colmilla). Lange umfassende Vorbereitungen waren erforderlich zu einer eingestellten Saujagd (monteria de jabalí en tela cerrada). Ein Theil des Reviers wurde mit Tüchern von Hanf „wie mit einer Mauer“ eingekreist, und das Wild durch Anlegung eines Fütterungs- oder Köderplatzes (cebadero) angekirrt. In der damals schon wildarmen Umgebung von Madrid musste man wohl zwei Meilen Umkreis, ein halbes Revier (medio monte) umspannen. Solche telas hatte Carl V aus Deutschland eingeführt und damit diese Art Jagd. Nur der König konnte sich dieses kostspielige Vergnügen erlauben. Die einzelnen Stücke waren 36—40 Schritte lang, wurden miteinander durch Holzknöpfe verbunden und mit- telst Ringen an Fichtenstangen mit Haken aufgehängt, der untere Saum aber in der Erde vergraben. Jene Stangen wurden wie bei Zelten durch zwei, eine äussere und innere gestützt. Man brauchte zwölf, neuerdings zwanzig Wagen Leinwand, die Olivares aus Flandern kommen liess. Quevedo meint, man könne damit den Entsatz einer Festung bestreiten 1). Ein Thor von zweihun- dert Schritt Breite wurde offen gelassen, und wenn man genug Thiere eingetrieben hatte, vorsichtig geschlossen. Im Jahre 1638 bestätigte man vierzig, von denen man die stärksten acht aus- wählte. Dann wurde ein Kampfplatz im Centrum jenes einge- kreisten Reviers gesucht, der eben, ohne Löcher und gern sumpfig gewählt wurde, und die hundert Schritt im Durchmesser haltende contratela (von den Italiern serraglio genannt) mit doppelter, drei Ellen hoher Tuchwand gestellt. Die Eichen wurden der Pferde wegen abgeästet. Diese Contratela sieht man auf dem Gemälde errichtet um eine amphiteatralische Thalmulde, wie ein Krater. Gegenüber erhebt sich der steile, von Schluchten zerrissene, mit düstern Eichen bedeckte Abhang; hie und da wirft der blosse gelbe Sand blendendes Sonnenlicht zurück; in der Mitte breitet sich 1) Y con lo que cuesta la tela de la caza, pudieran enviar socorro á una plaza. Quevedo, á S. M. el Rey Fel. IV. Obras III, 498.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/408
Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/408>, abgerufen am 01.06.2024.