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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Erstes Buch.
von Domherrn, Dechanten und Erzbischöfen, und einer Colonie
fremder und einheimischer Künstler.

Diese Bauwerke beweisen dass Sevilla lange vor Columbus
die blühendste und schönste Stadt der Monarchie war, wie Alar-
con sagt, "die Ausnahme der Zeiten und der Neid der Städte"1).
Navagero fand es den italienischen Städten ähnlicher als irgend
eine andere Stadt des Reichs. Sevilla, schreibt der Florentiner
Serrano, gilt, als Hauptstadt der besten Provinz, und durch seinen
Handel allgemein für die reichste Stadt Spaniens (7. Februar 1637).

Sevilla war von jeher stolz auf seinen Reichthum und auf
seine Devotion, auf die Eleganz seiner Wohnungen und die
grandiosen Werke der Barmherzigkeit, auf die Schönheit seiner
Frauen und die Tapferkeit seiner Edlen. Nicht immer war
Sevilla eine Stadt von Sybariten gewesen; lange erhielt sich der
Geist der vom Norden gekommenen Geschlechter der Recon-
quista. Man betrachte die Grabmäler der Rivera und Ponce de
Leon in der Universidad: da ist die Schlummerstatue des Grün-
ders Per Afan de Rivera, gestorben 1423 im 105. Lebensjahr,
"der (wie die Inschrift sagt) sein Leben verzehrte im Dienst
Gottes, im Krieg gegen die Mauren und im Dienst von fünf
Königen", und seines Sohnes Diego Gomez "der sein ganzes
Leben im Mohrenkrieg verbrachte".

Sevilla war eine Welthandelsstadt geworden. "Es wäre ein
ebenso grosses Wunder, sagt Alarcon, in Madrid einem Frauen-
zimmer zu begegnen das nicht bettelt, wie in Sevilla einem Cava-
lier, der nicht eine Ansteckung vom Handelsmann2) hätte". In der
ersten Zeit kamen Schiffe bis zu vier- bis fünfhundert Tonnen den
Guadalquivir hinauf und löschten die Ladung am Molo, der Torre
de oro. Die Flut stieg bis zwei Meilen über Sevilla hinauf. Ihr
Handel führte nach dem Norden Oel, Wein, Zitronen und Oran-
gen, nach Kastilien Goldstoffe, Doppeltaffet und Sammet, das
Seidengewerbe beschäftigt noch immer Tausende3).

So kam es, dass im Lauf des sechzehnten Jahrhunderts
der Reichthum mit unerhörter Raschheit zunahm, als die Stadt
das grosse und einzige Thor des Verkehrs mit der neuen Welt

1) Esta excepcion de los tiempos, envidia de las ciudades. Alarcon, ganar
amigos I.
2) Es segunda maravilla un caballero en Sevilla, sin ramo de mercader.
Idem, El semejante de si mismo I.
3) Reisebeschreibung des Diego Cuelbis aus Leipzig a. d. J. 1599, Hand-
schrift des Britischen Museums. Noch im Jahre 1673 hatte Sevilla 405 Seidenwebstühle.

Erstes Buch.
von Domherrn, Dechanten und Erzbischöfen, und einer Colonie
fremder und einheimischer Künstler.

Diese Bauwerke beweisen dass Sevilla lange vor Columbus
die blühendste und schönste Stadt der Monarchie war, wie Alar-
con sagt, „die Ausnahme der Zeiten und der Neid der Städte“1).
Navagero fand es den italienischen Städten ähnlicher als irgend
eine andere Stadt des Reichs. Sevilla, schreibt der Florentiner
Serrano, gilt, als Hauptstadt der besten Provinz, und durch seinen
Handel allgemein für die reichste Stadt Spaniens (7. Februar 1637).

Sevilla war von jeher stolz auf seinen Reichthum und auf
seine Devotion, auf die Eleganz seiner Wohnungen und die
grandiosen Werke der Barmherzigkeit, auf die Schönheit seiner
Frauen und die Tapferkeit seiner Edlen. Nicht immer war
Sevilla eine Stadt von Sybariten gewesen; lange erhielt sich der
Geist der vom Norden gekommenen Geschlechter der Recon-
quista. Man betrachte die Grabmäler der Rivera und Ponce de
Leon in der Universidad: da ist die Schlummerstatue des Grün-
ders Per Afan de Rivera, gestorben 1423 im 105. Lebensjahr,
„der (wie die Inschrift sagt) sein Leben verzehrte im Dienst
Gottes, im Krieg gegen die Mauren und im Dienst von fünf
Königen“, und seines Sohnes Diego Gomez „der sein ganzes
Leben im Mohrenkrieg verbrachte“.

Sevilla war eine Welthandelsstadt geworden. „Es wäre ein
ebenso grosses Wunder, sagt Alarcon, in Madrid einem Frauen-
zimmer zu begegnen das nicht bettelt, wie in Sevilla einem Cava-
lier, der nicht eine Ansteckung vom Handelsmann2) hätte“. In der
ersten Zeit kamen Schiffe bis zu vier- bis fünfhundert Tonnen den
Guadalquivir hinauf und löschten die Ladung am Molo, der Torre
de oro. Die Flut stieg bis zwei Meilen über Sevilla hinauf. Ihr
Handel führte nach dem Norden Oel, Wein, Zitronen und Oran-
gen, nach Kastilien Goldstoffe, Doppeltaffet und Sammet, das
Seidengewerbe beschäftigt noch immer Tausende3).

So kam es, dass im Lauf des sechzehnten Jahrhunderts
der Reichthum mit unerhörter Raschheit zunahm, als die Stadt
das grosse und einzige Thor des Verkehrs mit der neuen Welt

1) Esta excepcion de los tiempos, envidia de las ciudades. Alarcon, ganar
amigos I.
2) Es segunda maravilla un caballero en Sevilla, sin ramo de mercader.
Idem, El semejante de sí mismo I.
3) Reisebeschreibung des Diego Cuelbis aus Leipzig a. d. J. 1599, Hand-
schrift des Britischen Museums. Noch im Jahre 1673 hatte Sevilla 405 Seidenwebstühle.
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[24/0044] Erstes Buch. von Domherrn, Dechanten und Erzbischöfen, und einer Colonie fremder und einheimischer Künstler. Diese Bauwerke beweisen dass Sevilla lange vor Columbus die blühendste und schönste Stadt der Monarchie war, wie Alar- con sagt, „die Ausnahme der Zeiten und der Neid der Städte“ 1). Navagero fand es den italienischen Städten ähnlicher als irgend eine andere Stadt des Reichs. Sevilla, schreibt der Florentiner Serrano, gilt, als Hauptstadt der besten Provinz, und durch seinen Handel allgemein für die reichste Stadt Spaniens (7. Februar 1637). Sevilla war von jeher stolz auf seinen Reichthum und auf seine Devotion, auf die Eleganz seiner Wohnungen und die grandiosen Werke der Barmherzigkeit, auf die Schönheit seiner Frauen und die Tapferkeit seiner Edlen. Nicht immer war Sevilla eine Stadt von Sybariten gewesen; lange erhielt sich der Geist der vom Norden gekommenen Geschlechter der Recon- quista. Man betrachte die Grabmäler der Rivera und Ponce de Leon in der Universidad: da ist die Schlummerstatue des Grün- ders Per Afan de Rivera, gestorben 1423 im 105. Lebensjahr, „der (wie die Inschrift sagt) sein Leben verzehrte im Dienst Gottes, im Krieg gegen die Mauren und im Dienst von fünf Königen“, und seines Sohnes Diego Gomez „der sein ganzes Leben im Mohrenkrieg verbrachte“. Sevilla war eine Welthandelsstadt geworden. „Es wäre ein ebenso grosses Wunder, sagt Alarcon, in Madrid einem Frauen- zimmer zu begegnen das nicht bettelt, wie in Sevilla einem Cava- lier, der nicht eine Ansteckung vom Handelsmann 2) hätte“. In der ersten Zeit kamen Schiffe bis zu vier- bis fünfhundert Tonnen den Guadalquivir hinauf und löschten die Ladung am Molo, der Torre de oro. Die Flut stieg bis zwei Meilen über Sevilla hinauf. Ihr Handel führte nach dem Norden Oel, Wein, Zitronen und Oran- gen, nach Kastilien Goldstoffe, Doppeltaffet und Sammet, das Seidengewerbe beschäftigt noch immer Tausende 3). So kam es, dass im Lauf des sechzehnten Jahrhunderts der Reichthum mit unerhörter Raschheit zunahm, als die Stadt das grosse und einzige Thor des Verkehrs mit der neuen Welt 1) Esta excepcion de los tiempos, envidia de las ciudades. Alarcon, ganar amigos I. 2) Es segunda maravilla un caballero en Sevilla, sin ramo de mercader. Idem, El semejante de sí mismo I. 3) Reisebeschreibung des Diego Cuelbis aus Leipzig a. d. J. 1599, Hand- schrift des Britischen Museums. Noch im Jahre 1673 hatte Sevilla 405 Seidenwebstühle.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/44>, abgerufen am 30.04.2024.