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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Viertes Buch.
In der Kirche der Merced descalza in Sanlucar de Barrameda
(S. 56) in einer dunklen Capelle rechts am Eingang steht über
dem Altar ein grosses Bild, das überdiess zu geschwärzt ist, um
den Meister (Roelas?) zu erkennen. Auch hier ist ein Engel
herzugetreten, aber mit einem Knaben an der Hand dem er den
[Abbildung]

Christus an der Säule.

hingefallenen Heiland zeigt, welcher den Mantel zu erreichen
sucht. Das Kind drückt die Hände an die Brust.

Das andre Motiv der zusammengebrochenen, oder -brechen-
den, aber durch den Strick gehaltenen Gestalt kommt in dem
Gemälde des Bernardino Luini in S. Maurizio (Monasterio maggiore)
zu Mailand vor. Zwei Knechte sind im Begriff ihn loszubinden,
nur der linke Arm ist noch am Elnbogen fest. Aber hier
ist der Heiland ohnmächtig geworden; die Beine knicken kreuz-
weis zusammen; das Haupt sinkt auf die Schulter, der linke Arm
hängt völlig schlaff herab. Während also der Spanier ein letztes
Zusammennehmen der Willens- und Muskelkraft wählte, hat der
Lombarde den viel zarteren Körper in dem Augenblick des völ-
ligen Entweichens der Beherrschung der Glieder und des Bewusst-
seins dargestellt. Die Bewegung ist transitorischer, ja pa-

Viertes Buch.
In der Kirche der Merced descalza in Sanlúcar de Barrameda
(S. 56) in einer dunklen Capelle rechts am Eingang steht über
dem Altar ein grosses Bild, das überdiess zu geschwärzt ist, um
den Meister (Roelas?) zu erkennen. Auch hier ist ein Engel
herzugetreten, aber mit einem Knaben an der Hand dem er den
[Abbildung]

Christus an der Säule.

hingefallenen Heiland zeigt, welcher den Mantel zu erreichen
sucht. Das Kind drückt die Hände an die Brust.

Das andre Motiv der zusammengebrochenen, oder -brechen-
den, aber durch den Strick gehaltenen Gestalt kommt in dem
Gemälde des Bernardino Luini in S. Maurizio (Monasterio maggiore)
zu Mailand vor. Zwei Knechte sind im Begriff ihn loszubinden,
nur der linke Arm ist noch am Elnbogen fest. Aber hier
ist der Heiland ohnmächtig geworden; die Beine knicken kreuz-
weis zusammen; das Haupt sinkt auf die Schulter, der linke Arm
hängt völlig schlaff herab. Während also der Spanier ein letztes
Zusammennehmen der Willens- und Muskelkraft wählte, hat der
Lombarde den viel zarteren Körper in dem Augenblick des völ-
ligen Entweichens der Beherrschung der Glieder und des Bewusst-
seins dargestellt. Die Bewegung ist transitorischer, ja pa-

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[424/0452] Viertes Buch. In der Kirche der Merced descalza in Sanlúcar de Barrameda (S. 56) in einer dunklen Capelle rechts am Eingang steht über dem Altar ein grosses Bild, das überdiess zu geschwärzt ist, um den Meister (Roelas?) zu erkennen. Auch hier ist ein Engel herzugetreten, aber mit einem Knaben an der Hand dem er den [Abbildung Christus an der Säule.] hingefallenen Heiland zeigt, welcher den Mantel zu erreichen sucht. Das Kind drückt die Hände an die Brust. Das andre Motiv der zusammengebrochenen, oder -brechen- den, aber durch den Strick gehaltenen Gestalt kommt in dem Gemälde des Bernardino Luini in S. Maurizio (Monasterio maggiore) zu Mailand vor. Zwei Knechte sind im Begriff ihn loszubinden, nur der linke Arm ist noch am Elnbogen fest. Aber hier ist der Heiland ohnmächtig geworden; die Beine knicken kreuz- weis zusammen; das Haupt sinkt auf die Schulter, der linke Arm hängt völlig schlaff herab. Während also der Spanier ein letztes Zusammennehmen der Willens- und Muskelkraft wählte, hat der Lombarde den viel zarteren Körper in dem Augenblick des völ- ligen Entweichens der Beherrschung der Glieder und des Bewusst- seins dargestellt. Die Bewegung ist transitorischer, ja pa-

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/452>, abgerufen am 22.11.2024.