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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Erstes Buch.
Sie lieferte im siebzehnten Jahrhundert zwei Drittel des baaren
Geldes für die Halbinsel1); "die Erwartung seiner Galeonen, sagt
Zunniga, hält die Nationen Europa's in Spannung, die jetzo leider
dabei mehr interessirt sind als Spanien und Sevilla, wohin das
meiste kommt und wo das wenigste bleibt"2).

"Dieses Gold aber, sagt Pedro de Medina, war die Beloh-
nung für den wahren Glauben; wie der Herr Salomo mit Gold
und Silber ausrüstete, um den Tempel zu bauen, d. h. die Un-
gläubigen in den Schooss der Kirche zu bringen."3) Kirche und
Börse waren damals noch sehr nahe Nachbarn. Ehe die Lonja
fertig war, versammelten sich die Kaufleute auf dem durch Stufen
erhöhten Raum vor der Kathedrale. In der Strasse darunter wur-
den die Versteigerungen gehalten: Silbersachen, Sclaven, Stoffe,
Kunstschränke, Gemälde: wie im Tempel der Libitina, sagt
Rodrigo Caro. Unter den Wohlthätigkeitsanstalten war der
grösste Palast der Stadt, das Hospital de la Sangre, gegründet
von Da. Catalina de Rivera und ihrem Sohn D. Fadrique. Dieses
Haus hatte nach und nach für fünfzigtausend Dukaten an from-
men Werken gestiftet.

Sevilla war auch eine sehr katholische Stadt. Seit der Re-
conquista verwandelten sich ihre arabischen Paläste in Klöster4).
"Ihr grösstes Prärogativ ist die Andacht zur Königin der Engel,
jener angeborene Glaube an die unbefleckte Empfängniss, für
deren Definition die Bewegung von ihr ausging." Sevilla besitzt
drei colossale mittelalterliche Madonnengemälde, die noch heute
von Gelehrten, deren Glaube stärker ist als ihre Archäologie, auf
die altchristliche, westgothische Zeit zurückgeführt werden, Bilder,
wie sie keine christliche Nation sich rühmen dürfe zu besitzen.

Trotz alledem, und trotz der italienisch-humanistischen Bildung
und Dichtung, für die man damals schwärmte, war Sevilla eine
Stadt von orientalischem Grundwesen geblieben, und ist es bis
heute. Seine marmorgepflasterten patios, belebt von Brünnlein
mit Blumenpyramiden und von balsamischen Gerüchen durchduftet,
erscheinen dem Nordländer, wenn er, durch seine engen labyrin-

1) Depesche des venez. Gesandten Basadonna vom 15. Mai 1649. Frari-Archiv.
2) Zunniga zu 1579. Zum folgenden 1587. Die spanischen Pistolen fanden
sich nur im Ausland. Man verglich Spanien mit dem arkadischen Esel, der Gold
trägt und Disteln frisst.
3) D. Pedro de Medina, grandezas y cosas notables de Espanna 1548.
Fol. 51 ff.
4) Der Palast des Bab Ragel in s. Clemente. Museo Espannol IV, 198.

Erstes Buch.
Sie lieferte im siebzehnten Jahrhundert zwei Drittel des baaren
Geldes für die Halbinsel1); „die Erwartung seiner Galeonen, sagt
Zúñiga, hält die Nationen Europa’s in Spannung, die jetzo leider
dabei mehr interessirt sind als Spanien und Sevilla, wohin das
meiste kommt und wo das wenigste bleibt“2).

„Dieses Gold aber, sagt Pedro de Medina, war die Beloh-
nung für den wahren Glauben; wie der Herr Salomo mit Gold
und Silber ausrüstete, um den Tempel zu bauen, d. h. die Un-
gläubigen in den Schooss der Kirche zu bringen.“3) Kirche und
Börse waren damals noch sehr nahe Nachbarn. Ehe die Lonja
fertig war, versammelten sich die Kaufleute auf dem durch Stufen
erhöhten Raum vor der Kathedrale. In der Strasse darunter wur-
den die Versteigerungen gehalten: Silbersachen, Sclaven, Stoffe,
Kunstschränke, Gemälde: wie im Tempel der Libitina, sagt
Rodrigo Caro. Unter den Wohlthätigkeitsanstalten war der
grösste Palast der Stadt, das Hospital de la Sangre, gegründet
von Da. Catalina de Rivera und ihrem Sohn D. Fadrique. Dieses
Haus hatte nach und nach für fünfzigtausend Dukaten an from-
men Werken gestiftet.

Sevilla war auch eine sehr katholische Stadt. Seit der Re-
conquista verwandelten sich ihre arabischen Paläste in Klöster4).
„Ihr grösstes Prärogativ ist die Andacht zur Königin der Engel,
jener angeborene Glaube an die unbefleckte Empfängniss, für
deren Definition die Bewegung von ihr ausging.“ Sevilla besitzt
drei colossale mittelalterliche Madonnengemälde, die noch heute
von Gelehrten, deren Glaube stärker ist als ihre Archäologie, auf
die altchristliche, westgothische Zeit zurückgeführt werden, Bilder,
wie sie keine christliche Nation sich rühmen dürfe zu besitzen.

Trotz alledem, und trotz der italienisch-humanistischen Bildung
und Dichtung, für die man damals schwärmte, war Sevilla eine
Stadt von orientalischem Grundwesen geblieben, und ist es bis
heute. Seine marmorgepflasterten patios, belebt von Brünnlein
mit Blumenpyramiden und von balsamischen Gerüchen durchduftet,
erscheinen dem Nordländer, wenn er, durch seine engen labyrin-

1) Depesche des venez. Gesandten Basadonna vom 15. Mai 1649. Frari-Archiv.
2) Zúñiga zu 1579. Zum folgenden 1587. Die spanischen Pistolen fanden
sich nur im Ausland. Man verglich Spanien mit dem arkadischen Esel, der Gold
trägt und Disteln frisst.
3) D. Pedro de Medina, grandezas y cosas notables de España 1548.
Fol. 51 ff.
4) Der Palast des Bab Ragel in s. Clemente. Museo Español IV, 198.
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[26/0046] Erstes Buch. Sie lieferte im siebzehnten Jahrhundert zwei Drittel des baaren Geldes für die Halbinsel 1); „die Erwartung seiner Galeonen, sagt Zúñiga, hält die Nationen Europa’s in Spannung, die jetzo leider dabei mehr interessirt sind als Spanien und Sevilla, wohin das meiste kommt und wo das wenigste bleibt“ 2). „Dieses Gold aber, sagt Pedro de Medina, war die Beloh- nung für den wahren Glauben; wie der Herr Salomo mit Gold und Silber ausrüstete, um den Tempel zu bauen, d. h. die Un- gläubigen in den Schooss der Kirche zu bringen.“ 3) Kirche und Börse waren damals noch sehr nahe Nachbarn. Ehe die Lonja fertig war, versammelten sich die Kaufleute auf dem durch Stufen erhöhten Raum vor der Kathedrale. In der Strasse darunter wur- den die Versteigerungen gehalten: Silbersachen, Sclaven, Stoffe, Kunstschränke, Gemälde: wie im Tempel der Libitina, sagt Rodrigo Caro. Unter den Wohlthätigkeitsanstalten war der grösste Palast der Stadt, das Hospital de la Sangre, gegründet von Da. Catalina de Rivera und ihrem Sohn D. Fadrique. Dieses Haus hatte nach und nach für fünfzigtausend Dukaten an from- men Werken gestiftet. Sevilla war auch eine sehr katholische Stadt. Seit der Re- conquista verwandelten sich ihre arabischen Paläste in Klöster 4). „Ihr grösstes Prärogativ ist die Andacht zur Königin der Engel, jener angeborene Glaube an die unbefleckte Empfängniss, für deren Definition die Bewegung von ihr ausging.“ Sevilla besitzt drei colossale mittelalterliche Madonnengemälde, die noch heute von Gelehrten, deren Glaube stärker ist als ihre Archäologie, auf die altchristliche, westgothische Zeit zurückgeführt werden, Bilder, wie sie keine christliche Nation sich rühmen dürfe zu besitzen. Trotz alledem, und trotz der italienisch-humanistischen Bildung und Dichtung, für die man damals schwärmte, war Sevilla eine Stadt von orientalischem Grundwesen geblieben, und ist es bis heute. Seine marmorgepflasterten patios, belebt von Brünnlein mit Blumenpyramiden und von balsamischen Gerüchen durchduftet, erscheinen dem Nordländer, wenn er, durch seine engen labyrin- 1) Depesche des venez. Gesandten Basadonna vom 15. Mai 1649. Frari-Archiv. 2) Zúñiga zu 1579. Zum folgenden 1587. Die spanischen Pistolen fanden sich nur im Ausland. Man verglich Spanien mit dem arkadischen Esel, der Gold trägt und Disteln frisst. 3) D. Pedro de Medina, grandezas y cosas notables de España 1548. Fol. 51 ff. 4) Der Palast des Bab Ragel in s. Clemente. Museo Español IV, 198.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/46>, abgerufen am 21.11.2024.