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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Juan de las Roelas.

Was aber das wichtigste ist, Roelas war der erste Maler
des Helldunkels in Sevilla, ja er hat es zum Schwerpunkt seiner
Kunst gemacht. Sein System ist ganz eigenthümlich: er ver-
bannt die grauen, braunen und schwarzen Schatten; er modellirt
die Hauptfiguren in einem warmen, bald gelblichen bald röth-
lichen Ton, mit lebhaften, gesättigten, durchsichtigen Farben1):
bald in unmittelbarem Lichtauffall, bald als Silhouette in einem
warmen Halbton; dann aber durchbricht er die Scene mit einem
ausgedehnten, sonnenbeleuchteten Mittelgrund, dem ein die Wolken
durchdringendes Himmelslicht (un rompimiento de gloria) gegen-
übersteht. Die Spanier fanden in diesem System ein colorido atici-
anado
, allein bei einer gewissen Aehnlichkeit des Tons hat er doch
eine verschiedene Art der Lichtökonomie und Composition. In dem
Chiaroscuro, in dem grandiosen Wurf seiner Gestalten, die er
als sei ihm der Rahmen zu eng, in den vordersten Grund drängt
und seitlich und unten noch beschneidet, in seiner einfach maje-
stätischen Draperie, in der Weichheit des Incarnats, welche
seinen Landsleuten von jeher auffiel (dulzura y suavidad, Cean
Bermudez; blandura, Jusepe Martinez) erinnert er eher an die
Schule von Parma, z. B. Schidone. Allein die volksthümlich-ge-
müthliche Unbefangenheit hat etwas dem Norden verwandtes.

Seine frühsten datirten Werke, die vier Scenen des Marien-
lebens, welche er in Olivares malte (1603), wo er eine Pfründe
besass, haben kaum etwas von seiner Eigenart, aber seltsamer
Weise auch die letzten, mit denen er dort seine Laufbahn beschloss:
die Gründung von S. Maria Maggiore mit der Figur Pabst
Pius V, für den Hochaltar gemalt, und die Hirten (1624). Vielleicht
indess liegt hier nur ein Missverständniss der sehr lückenhaften Be-
richte vor. Gewiss ist, dass er sich zuerst Beifall erwarb durch
seine Interpretation des Lieblingsmysteriums der Sevillaner, der
purisima. Sie schwebt in Wolken von Engeln umgeben, über einer
Meeresbucht mit den landschaftlich vertheilten Symbolen. Das stei-
nernste, trübste und schläfrigste dieser Bilder scheint am meisten
angesprochen zu haben, wir finden es unverändert in Sevilla (Mu-
seum), Madrid (Akademie), San Lucar, Dresden, ja sogar in Italien,
im Kloster von Monte Cassino. Später belebt sich das Bild, eine
träumerische Lieblichkeit bringt uns die Himmlische näher, er
findet den Zauber der langen gesenkten Lider, mit den dunklen
Wimpern (Sevilla, Akademie); zuweilen nimmt es die stille reine

1) In der Universidad: orange, dunkelcarmin, blau, violett.
Juan de las Roelas.

Was aber das wichtigste ist, Roelas war der erste Maler
des Helldunkels in Sevilla, ja er hat es zum Schwerpunkt seiner
Kunst gemacht. Sein System ist ganz eigenthümlich: er ver-
bannt die grauen, braunen und schwarzen Schatten; er modellirt
die Hauptfiguren in einem warmen, bald gelblichen bald röth-
lichen Ton, mit lebhaften, gesättigten, durchsichtigen Farben1):
bald in unmittelbarem Lichtauffall, bald als Silhouette in einem
warmen Halbton; dann aber durchbricht er die Scene mit einem
ausgedehnten, sonnenbeleuchteten Mittelgrund, dem ein die Wolken
durchdringendes Himmelslicht (un rompimiento de gloria) gegen-
übersteht. Die Spanier fanden in diesem System ein colorido atici-
anado
, allein bei einer gewissen Aehnlichkeit des Tons hat er doch
eine verschiedene Art der Lichtökonomie und Composition. In dem
Chiaroscuro, in dem grandiosen Wurf seiner Gestalten, die er
als sei ihm der Rahmen zu eng, in den vordersten Grund drängt
und seitlich und unten noch beschneidet, in seiner einfach maje-
stätischen Draperie, in der Weichheit des Incarnats, welche
seinen Landsleuten von jeher auffiel (dulzura y suavidad, Cean
Bermudez; blandura, Jusepe Martinez) erinnert er eher an die
Schule von Parma, z. B. Schidone. Allein die volksthümlich-ge-
müthliche Unbefangenheit hat etwas dem Norden verwandtes.

Seine frühsten datirten Werke, die vier Scenen des Marien-
lebens, welche er in Olivares malte (1603), wo er eine Pfründe
besass, haben kaum etwas von seiner Eigenart, aber seltsamer
Weise auch die letzten, mit denen er dort seine Laufbahn beschloss:
die Gründung von S. Maria Maggiore mit der Figur Pabst
Pius V, für den Hochaltar gemalt, und die Hirten (1624). Vielleicht
indess liegt hier nur ein Missverständniss der sehr lückenhaften Be-
richte vor. Gewiss ist, dass er sich zuerst Beifall erwarb durch
seine Interpretation des Lieblingsmysteriums der Sevillaner, der
purísima. Sie schwebt in Wolken von Engeln umgeben, über einer
Meeresbucht mit den landschaftlich vertheilten Symbolen. Das stei-
nernste, trübste und schläfrigste dieser Bilder scheint am meisten
angesprochen zu haben, wir finden es unverändert in Sevilla (Mu-
seum), Madrid (Akademie), San Lucar, Dresden, ja sogar in Italien,
im Kloster von Monte Cassino. Später belebt sich das Bild, eine
träumerische Lieblichkeit bringt uns die Himmlische näher, er
findet den Zauber der langen gesenkten Lider, mit den dunklen
Wimpern (Sevilla, Akademie); zuweilen nimmt es die stille reine

1) In der Universidad: orange, dunkelcarmin, blau, violett.
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[53/0073] Juan de las Roelas. Was aber das wichtigste ist, Roelas war der erste Maler des Helldunkels in Sevilla, ja er hat es zum Schwerpunkt seiner Kunst gemacht. Sein System ist ganz eigenthümlich: er ver- bannt die grauen, braunen und schwarzen Schatten; er modellirt die Hauptfiguren in einem warmen, bald gelblichen bald röth- lichen Ton, mit lebhaften, gesättigten, durchsichtigen Farben 1): bald in unmittelbarem Lichtauffall, bald als Silhouette in einem warmen Halbton; dann aber durchbricht er die Scene mit einem ausgedehnten, sonnenbeleuchteten Mittelgrund, dem ein die Wolken durchdringendes Himmelslicht (un rompimiento de gloria) gegen- übersteht. Die Spanier fanden in diesem System ein colorido atici- anado, allein bei einer gewissen Aehnlichkeit des Tons hat er doch eine verschiedene Art der Lichtökonomie und Composition. In dem Chiaroscuro, in dem grandiosen Wurf seiner Gestalten, die er als sei ihm der Rahmen zu eng, in den vordersten Grund drängt und seitlich und unten noch beschneidet, in seiner einfach maje- stätischen Draperie, in der Weichheit des Incarnats, welche seinen Landsleuten von jeher auffiel (dulzura y suavidad, Cean Bermudez; blandura, Jusepe Martinez) erinnert er eher an die Schule von Parma, z. B. Schidone. Allein die volksthümlich-ge- müthliche Unbefangenheit hat etwas dem Norden verwandtes. Seine frühsten datirten Werke, die vier Scenen des Marien- lebens, welche er in Olivares malte (1603), wo er eine Pfründe besass, haben kaum etwas von seiner Eigenart, aber seltsamer Weise auch die letzten, mit denen er dort seine Laufbahn beschloss: die Gründung von S. Maria Maggiore mit der Figur Pabst Pius V, für den Hochaltar gemalt, und die Hirten (1624). Vielleicht indess liegt hier nur ein Missverständniss der sehr lückenhaften Be- richte vor. Gewiss ist, dass er sich zuerst Beifall erwarb durch seine Interpretation des Lieblingsmysteriums der Sevillaner, der purísima. Sie schwebt in Wolken von Engeln umgeben, über einer Meeresbucht mit den landschaftlich vertheilten Symbolen. Das stei- nernste, trübste und schläfrigste dieser Bilder scheint am meisten angesprochen zu haben, wir finden es unverändert in Sevilla (Mu- seum), Madrid (Akademie), San Lucar, Dresden, ja sogar in Italien, im Kloster von Monte Cassino. Später belebt sich das Bild, eine träumerische Lieblichkeit bringt uns die Himmlische näher, er findet den Zauber der langen gesenkten Lider, mit den dunklen Wimpern (Sevilla, Akademie); zuweilen nimmt es die stille reine 1) In der Universidad: orange, dunkelcarmin, blau, violett.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/73>, abgerufen am 25.11.2024.