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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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aber er besass nichts von der Selbsterkenntniss derer, die sich
bescheiden, im Beschränkten, Anspruchlosen, Eigenartiges, Ge-
nügendes zu schaffen.

Vielleicht wäre er doch nicht emporgetaucht, ohne die ge-
sellschaftliche Stellung, welche er dem Ansehen seiner Familie
und seines Ohms, des Licenciaten gleichen Namens verdankte,
des Domherrn und Humanisten, der die bildlichen Darstellungen
für Arphe's Custodia angab, die Giralda, den h. Christoph, und
den Catalog der Prälaten Sevilla's mit lateinischen Inschriftversen
versah, und dessen Distichen noch jetzt unter den Reliefs des Ante-
cabildo zu lesen sind. Von ihm erbte er die hohen geistlichen
Verbindungen; dazu kam die Gunst des Mäcenas von Sevilla, des
Herzogs von Alcala: Urtheile der Freundschaft, ja begeisterte
Gedichte, die ihm von wirklichen Dichtern und vornehmen Gönnern
zuflossen, erstickten jeden Zweifel an sich selbst.

Pacheco, aufgewachsen unter den Denkmalen und Erinne-
rungen von Stadt und Provinz (auch sein Name ist altiberisch), nie
im Ausland gereist, widmete sich mit warmem Sonderpatriotismus
der Localforschung, künstlerischen und decorativen Arbeiten,
wie der dem Klassicismus eigentlich zuwiderlaufenden Polychro-
mirung der Holzschnitzereien. Er geriet darüber in Streit mit
seinem Freunde Montannes, in dem er sonst einen Geistesverwandten
verehrte; er verfocht gegen ihn die Bemalung durch Fachmänner
statt durch die Bildschnitzer selbst. Er suchte (seit 1600) die
bisher übliche polirte Bemalung in glänzenden Oelfarben mit
Gold (platos vidriados nennt er diese encarnaciones de polimento)
zu verdrängen durch matte Farben (encarnaciones mates) mit
Schattirungen, wozu er landschaftliche Hintergründe fügte. Hierin
aber hatte er den Volksgeschmack gegen sich, und einige der
von ihm polychromirten Werke scheinen später neubemalt wor-
den zu sein. Zuerst in S. Clemente (Nundez Delgado's Johannes
der Täufer), dann an Hauptwerken des Montannes, dem heil.
Domingo für Portacoeli, dem Crucifix der Karthause (in der
kleinen Sacristei der Cathedrale), dem heil. Hieronymus in Santi-
ponce u. a., hatte er Muster seiner Technik gegeben; das merk-
würdigste Werk dieser Art aber waren die beiden noblen, leben-
athmenden Köpfe zu den Statuen des heil. Ignaz (nach der
Todtenmaske von 1556) und des Franz Javer, in der Casa professa,
jetzt Universitätskirche (1610). Dann berichtet er uns, wie er als
junger Mann (1594) die fünf, 30 und 50 Ellen langen Standarten
von carmoisinrothem Damast für die Indienfahrer bemalt habe,

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aber er besass nichts von der Selbsterkenntniss derer, die sich
bescheiden, im Beschränkten, Anspruchlosen, Eigenartiges, Ge-
nügendes zu schaffen.

Vielleicht wäre er doch nicht emporgetaucht, ohne die ge-
sellschaftliche Stellung, welche er dem Ansehen seiner Familie
und seines Ohms, des Licenciaten gleichen Namens verdankte,
des Domherrn und Humanisten, der die bildlichen Darstellungen
für Arphe’s Custodia angab, die Giralda, den h. Christoph, und
den Catalog der Prälaten Sevilla’s mit lateinischen Inschriftversen
versah, und dessen Distichen noch jetzt unter den Reliefs des Ante-
cabildo zu lesen sind. Von ihm erbte er die hohen geistlichen
Verbindungen; dazu kam die Gunst des Mäcenas von Sevilla, des
Herzogs von Alcalá: Urtheile der Freundschaft, ja begeisterte
Gedichte, die ihm von wirklichen Dichtern und vornehmen Gönnern
zuflossen, erstickten jeden Zweifel an sich selbst.

Pacheco, aufgewachsen unter den Denkmalen und Erinne-
rungen von Stadt und Provinz (auch sein Name ist altiberisch), nie
im Ausland gereist, widmete sich mit warmem Sonderpatriotismus
der Localforschung, künstlerischen und decorativen Arbeiten,
wie der dem Klassicismus eigentlich zuwiderlaufenden Polychro-
mirung der Holzschnitzereien. Er geriet darüber in Streit mit
seinem Freunde Montañes, in dem er sonst einen Geistesverwandten
verehrte; er verfocht gegen ihn die Bemalung durch Fachmänner
statt durch die Bildschnitzer selbst. Er suchte (seit 1600) die
bisher übliche polirte Bemalung in glänzenden Oelfarben mit
Gold (platos vidriados nennt er diese encarnaciones de polimento)
zu verdrängen durch matte Farben (encarnaciones mates) mit
Schattirungen, wozu er landschaftliche Hintergründe fügte. Hierin
aber hatte er den Volksgeschmack gegen sich, und einige der
von ihm polychromirten Werke scheinen später neubemalt wor-
den zu sein. Zuerst in S. Clemente (Nuñez Delgado’s Johannes
der Täufer), dann an Hauptwerken des Montañes, dem heil.
Domingo für Portacoeli, dem Crucifix der Karthause (in der
kleinen Sacristei der Cathedrale), dem heil. Hieronymus in Santi-
ponce u. a., hatte er Muster seiner Technik gegeben; das merk-
würdigste Werk dieser Art aber waren die beiden noblen, leben-
athmenden Köpfe zu den Statuen des heil. Ignaz (nach der
Todtenmaske von 1556) und des Franz Javer, in der Casa professa,
jetzt Universitätskirche (1610). Dann berichtet er uns, wie er als
junger Mann (1594) die fünf, 30 und 50 Ellen langen Standarten
von carmoisinrothem Damast für die Indienfahrer bemalt habe,

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[64/0084] Erstes Buch. aber er besass nichts von der Selbsterkenntniss derer, die sich bescheiden, im Beschränkten, Anspruchlosen, Eigenartiges, Ge- nügendes zu schaffen. Vielleicht wäre er doch nicht emporgetaucht, ohne die ge- sellschaftliche Stellung, welche er dem Ansehen seiner Familie und seines Ohms, des Licenciaten gleichen Namens verdankte, des Domherrn und Humanisten, der die bildlichen Darstellungen für Arphe’s Custodia angab, die Giralda, den h. Christoph, und den Catalog der Prälaten Sevilla’s mit lateinischen Inschriftversen versah, und dessen Distichen noch jetzt unter den Reliefs des Ante- cabildo zu lesen sind. Von ihm erbte er die hohen geistlichen Verbindungen; dazu kam die Gunst des Mäcenas von Sevilla, des Herzogs von Alcalá: Urtheile der Freundschaft, ja begeisterte Gedichte, die ihm von wirklichen Dichtern und vornehmen Gönnern zuflossen, erstickten jeden Zweifel an sich selbst. Pacheco, aufgewachsen unter den Denkmalen und Erinne- rungen von Stadt und Provinz (auch sein Name ist altiberisch), nie im Ausland gereist, widmete sich mit warmem Sonderpatriotismus der Localforschung, künstlerischen und decorativen Arbeiten, wie der dem Klassicismus eigentlich zuwiderlaufenden Polychro- mirung der Holzschnitzereien. Er geriet darüber in Streit mit seinem Freunde Montañes, in dem er sonst einen Geistesverwandten verehrte; er verfocht gegen ihn die Bemalung durch Fachmänner statt durch die Bildschnitzer selbst. Er suchte (seit 1600) die bisher übliche polirte Bemalung in glänzenden Oelfarben mit Gold (platos vidriados nennt er diese encarnaciones de polimento) zu verdrängen durch matte Farben (encarnaciones mates) mit Schattirungen, wozu er landschaftliche Hintergründe fügte. Hierin aber hatte er den Volksgeschmack gegen sich, und einige der von ihm polychromirten Werke scheinen später neubemalt wor- den zu sein. Zuerst in S. Clemente (Nuñez Delgado’s Johannes der Täufer), dann an Hauptwerken des Montañes, dem heil. Domingo für Portacoeli, dem Crucifix der Karthause (in der kleinen Sacristei der Cathedrale), dem heil. Hieronymus in Santi- ponce u. a., hatte er Muster seiner Technik gegeben; das merk- würdigste Werk dieser Art aber waren die beiden noblen, leben- athmenden Köpfe zu den Statuen des heil. Ignaz (nach der Todtenmaske von 1556) und des Franz Javer, in der Casa professa, jetzt Universitätskirche (1610). Dann berichtet er uns, wie er als junger Mann (1594) die fünf, 30 und 50 Ellen langen Standarten von carmoisinrothem Damast für die Indienfahrer bemalt habe,

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/84>, abgerufen am 25.11.2024.