Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.Innocenz X. voll scherzhaft sarkastischer Wortspiele. Den Weg zum Thronhatte er durch die Diplomatie und Nuntiatur gemacht, bei der ihm sein schweigsames Wesen den Schein der Tiefe gab 1). Er war misstrauisch-skeptisch in der Beurtheilung der Menschen, nicht schnell im Begreifen, aber zähe und bis zuletzt nicht zu ermüden im Traktiren der Geschäfte. In den grossen öffent- lichen Fragen signalisirt seine Regierung das Einlenken von der aggressiven Politik seiner Vorgänger zur Anpassung an den Um- schwung der Verhältnisse. Er machte sich gar nichts aus Soldaten, aber die Ironie des Schicksals hat- te ihn bestimmt, von den barbe- rinischen Kano- nen Gebrauch zu machen. Sein Temperament zeigte sich in jenem der kraft- vollsten Zeital- ter würdigen Ausbruch päbstlichen Zorns im "Krie- ge von Castro" (1649). Dieser Feldzug war [Abbildung]
veranlasst durch den Meuchelmord eines von ihm gegen denInnocenz X. Willen des Herzogs von Parma dort eingesetzten Bischofs. Innocenz ergriff die Gelegenheit, die den päbstlichen Staaten sehr unbequem gelegene Festung dem Erdboden gleich zu ma- chen. Auf der Stätte ward eine Säule errichtet mit der Auf- schrift: Qui fu Castro. Das Bild seines Charakters vollendet der starke Familien- 1) Mgr. Pamfilio, cupo e riservato sopra tutti gli huomini del mondo. Lunardo
Moro aus Madrid 21. Juni 1626. Ameyden, Diario 27. Mai 1649. Innocenz X. voll scherzhaft sarkastischer Wortspiele. Den Weg zum Thronhatte er durch die Diplomatie und Nuntiatur gemacht, bei der ihm sein schweigsames Wesen den Schein der Tiefe gab 1). Er war misstrauisch-skeptisch in der Beurtheilung der Menschen, nicht schnell im Begreifen, aber zähe und bis zuletzt nicht zu ermüden im Traktiren der Geschäfte. In den grossen öffent- lichen Fragen signalisirt seine Regierung das Einlenken von der aggressiven Politik seiner Vorgänger zur Anpassung an den Um- schwung der Verhältnisse. Er machte sich gar nichts aus Soldaten, aber die Ironie des Schicksals hat- te ihn bestimmt, von den barbe- rinischen Kano- nen Gebrauch zu machen. Sein Temperament zeigte sich in jenem der kraft- vollsten Zeital- ter würdigen Ausbruch päbstlichen Zorns im „Krie- ge von Castro“ (1649). Dieser Feldzug war [Abbildung]
veranlasst durch den Meuchelmord eines von ihm gegen denInnocenz X. Willen des Herzogs von Parma dort eingesetzten Bischofs. Innocenz ergriff die Gelegenheit, die den päbstlichen Staaten sehr unbequem gelegene Festung dem Erdboden gleich zu ma- chen. Auf der Stätte ward eine Säule errichtet mit der Auf- schrift: Qui fu Castro. Das Bild seines Charakters vollendet der starke Familien- 1) Mgr. Pamfilio, cupo e riservato sopra tutti gli huomini del mondo. Lunardo
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Innocenz X.
voll scherzhaft sarkastischer Wortspiele. Den Weg zum Thron
hatte er durch die Diplomatie und Nuntiatur gemacht, bei der
ihm sein schweigsames Wesen den Schein der Tiefe gab 1). Er
war misstrauisch-skeptisch in der Beurtheilung der Menschen,
nicht schnell im Begreifen, aber zähe und bis zuletzt nicht zu
ermüden im Traktiren der Geschäfte. In den grossen öffent-
lichen Fragen signalisirt seine Regierung das Einlenken von der
aggressiven Politik seiner Vorgänger zur Anpassung an den Um-
schwung der
Verhältnisse.
Er machte sich
gar nichts aus
Soldaten, aber
die Ironie des
Schicksals hat-
te ihn bestimmt,
von den barbe-
rinischen Kano-
nen Gebrauch
zu machen. Sein
Temperament
zeigte sich in
jenem der kraft-
vollsten Zeital-
ter würdigen
Ausbruch
päbstlichen
Zorns im „Krie-
ge von Castro“
(1649). Dieser
Feldzug war
[Abbildung Innocenz X.]
veranlasst durch den Meuchelmord eines von ihm gegen den
Willen des Herzogs von Parma dort eingesetzten Bischofs.
Innocenz ergriff die Gelegenheit, die den päbstlichen Staaten
sehr unbequem gelegene Festung dem Erdboden gleich zu ma-
chen. Auf der Stätte ward eine Säule errichtet mit der Auf-
schrift: Qui fu Castro.
Das Bild seines Charakters vollendet der starke Familien-
1) Mgr. Pamfilio, cupo e riservato sopra tutti gli huomini del mondo. Lunardo
Moro aus Madrid 21. Juni 1626. Ameyden, Diario 27. Mai 1649.
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Zitationshilfe: | Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/201>, abgerufen am 16.02.2025. |