Diese "Gewölbe" schlossen sich an die bereits von Philipp II angelegten "Tiziangewölbe", nach dem Kaisergarten zu. Sie waren zum Theil recht klein (piezas pequennas) und öffneten sich nur durch ein Balkonfenster oder eine Thür nach dem Palastplatz oder den Gärten an der Ost- und Nordseite. Hier speiste der König in der Zeit der grossen Hitze, oder sah Aufführungen, Thierkämpfen für den engsten Kreis in dem kleinen Amphitheater unter der Nord- galerie zu. Ihre Ausstattung bestand hauptsächlich in Bildnissen der Familie und berühmter Personen, welche aus den für die Meisterwerke der Kunst umgeschaffenen Sälen des Hauptge- schosses hierhergebracht wurden.
Auch die Wohnräume des cuarto bajo de verano (der Som- merresidenz) wurden ganz neu eingerichtet und mit einer auf höhere Ansprüche berechneten Auswahl von Gemälden ausge- stattet. Und hier ist es zum erstenmale Rubens, der uns überall begegnet: er war für Philipp IV dasselbe, was Tizian für seinen Grossvater gewesen ist. Folgende Aufstellungen scheinen die bemerkenswerthesten im Inventar von 1636.
Im grossen Speisesaal (gran comedor) hing sein erstes und grösstes Stück das in den Palast kam: die Anbetung der Könige, welche der hingerichtete D. Rodrigo Calderon besessen hatte.
Im Saal für das Abendessen herrschte er mit Snyders und Brueghel durchaus; hierher liess der König die 25, kürzlich aus Brüssel der Königin Isabella geschickten Stücke bringen, die bisher in der Torre nueva aufgehängt waren, darunter die Dianen- jagd und die Ceres, Scenen aus dem Landleben seiner Tante in Brüssel; hier athmete man ganz flandrische Luft.
Die Bilder wurden überall für diese Zimmer zusammen- gesucht, z. B. aus dem was im Pardo nach dem grossen Brand gerettet worden war; die Grossen beeiferten sich S. M. zu be- schenken: die berühmten "fünf Sinne" von Brueghel und Rubens, die dem Herzog von Pfalz-Neuburg gehört, schenkte für das Lesezimmer Medina de las Torres; einige Snyders, darunter das Vogelconcert, Leganes; D. Luis de Haro meist landschaftliche Stücke. Der Bologneser Virgilio Malvezzi verehrte ein eigen- händiges Bildchen der heiligen Familie in Elfenbeinrahmen.
Im Geschäftszimmer (Fieza en que S. M. negocia) liess sich der König Bildnisse von Tizian zusammenstellen: Carl V in der Rüstung mit blossem Degen, dessen Hofzwerg Stanislaus, Phi- lipp II in schwarz als Bräutigam der englischen Maria, ein Doge, jene Bildnisse des Churfürsten Johann Friedrich des Grossmüthi-
Siebentes Buch.
Diese „Gewölbe“ schlossen sich an die bereits von Philipp II angelegten „Tiziangewölbe“, nach dem Kaisergarten zu. Sie waren zum Theil recht klein (piezas pequeñas) und öffneten sich nur durch ein Balkonfenster oder eine Thür nach dem Palastplatz oder den Gärten an der Ost- und Nordseite. Hier speiste der König in der Zeit der grossen Hitze, oder sah Aufführungen, Thierkämpfen für den engsten Kreis in dem kleinen Amphitheater unter der Nord- galerie zu. Ihre Ausstattung bestand hauptsächlich in Bildnissen der Familie und berühmter Personen, welche aus den für die Meisterwerke der Kunst umgeschaffenen Sälen des Hauptge- schosses hierhergebracht wurden.
Auch die Wohnräume des cuarto bajo de verano (der Som- merresidenz) wurden ganz neu eingerichtet und mit einer auf höhere Ansprüche berechneten Auswahl von Gemälden ausge- stattet. Und hier ist es zum erstenmale Rubens, der uns überall begegnet: er war für Philipp IV dasselbe, was Tizian für seinen Grossvater gewesen ist. Folgende Aufstellungen scheinen die bemerkenswerthesten im Inventar von 1636.
Im grossen Speisesaal (gran comedor) hing sein erstes und grösstes Stück das in den Palast kam: die Anbetung der Könige, welche der hingerichtete D. Rodrigo Calderon besessen hatte.
Im Saal für das Abendessen herrschte er mit Snyders und Brueghel durchaus; hierher liess der König die 25, kürzlich aus Brüssel der Königin Isabella geschickten Stücke bringen, die bisher in der Torre nueva aufgehängt waren, darunter die Dianen- jagd und die Ceres, Scenen aus dem Landleben seiner Tante in Brüssel; hier athmete man ganz flandrische Luft.
Die Bilder wurden überall für diese Zimmer zusammen- gesucht, z. B. aus dem was im Pardo nach dem grossen Brand gerettet worden war; die Grossen beeiferten sich S. M. zu be- schenken: die berühmten „fünf Sinne“ von Brueghel und Rubens, die dem Herzog von Pfalz-Neuburg gehört, schenkte für das Lesezimmer Medina de las Torres; einige Snyders, darunter das Vogelconcert, Leganés; D. Luis de Haro meist landschaftliche Stücke. Der Bologneser Virgilio Malvezzi verehrte ein eigen- händiges Bildchen der heiligen Familie in Elfenbeinrahmen.
Im Geschäftszimmer (Fieza en que S. M. negocia) liess sich der König Bildnisse von Tizian zusammenstellen: Carl V in der Rüstung mit blossem Degen, dessen Hofzwerg Stanislaus, Phi- lipp II in schwarz als Bräutigam der englischen Maria, ein Doge, jene Bildnisse des Churfürsten Johann Friedrich des Grossmüthi-
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Siebentes Buch.
Diese „Gewölbe“ schlossen sich an die bereits von Philipp II
angelegten „Tiziangewölbe“, nach dem Kaisergarten zu. Sie
waren zum Theil recht klein (piezas pequeñas) und öffneten sich nur
durch ein Balkonfenster oder eine Thür nach dem Palastplatz oder
den Gärten an der Ost- und Nordseite. Hier speiste der König in der
Zeit der grossen Hitze, oder sah Aufführungen, Thierkämpfen für
den engsten Kreis in dem kleinen Amphitheater unter der Nord-
galerie zu. Ihre Ausstattung bestand hauptsächlich in Bildnissen
der Familie und berühmter Personen, welche aus den für die
Meisterwerke der Kunst umgeschaffenen Sälen des Hauptge-
schosses hierhergebracht wurden.
Auch die Wohnräume des cuarto bajo de verano (der Som-
merresidenz) wurden ganz neu eingerichtet und mit einer auf
höhere Ansprüche berechneten Auswahl von Gemälden ausge-
stattet. Und hier ist es zum erstenmale Rubens, der uns überall
begegnet: er war für Philipp IV dasselbe, was Tizian für seinen
Grossvater gewesen ist. Folgende Aufstellungen scheinen die
bemerkenswerthesten im Inventar von 1636.
Im grossen Speisesaal (gran comedor) hing sein erstes und
grösstes Stück das in den Palast kam: die Anbetung der Könige,
welche der hingerichtete D. Rodrigo Calderon besessen hatte.
Im Saal für das Abendessen herrschte er mit Snyders und
Brueghel durchaus; hierher liess der König die 25, kürzlich aus
Brüssel der Königin Isabella geschickten Stücke bringen, die
bisher in der Torre nueva aufgehängt waren, darunter die Dianen-
jagd und die Ceres, Scenen aus dem Landleben seiner Tante in
Brüssel; hier athmete man ganz flandrische Luft.
Die Bilder wurden überall für diese Zimmer zusammen-
gesucht, z. B. aus dem was im Pardo nach dem grossen Brand
gerettet worden war; die Grossen beeiferten sich S. M. zu be-
schenken: die berühmten „fünf Sinne“ von Brueghel und Rubens,
die dem Herzog von Pfalz-Neuburg gehört, schenkte für das
Lesezimmer Medina de las Torres; einige Snyders, darunter das
Vogelconcert, Leganés; D. Luis de Haro meist landschaftliche
Stücke. Der Bologneser Virgilio Malvezzi verehrte ein eigen-
händiges Bildchen der heiligen Familie in Elfenbeinrahmen.
Im Geschäftszimmer (Fieza en que S. M. negocia) liess sich
der König Bildnisse von Tizian zusammenstellen: Carl V in der
Rüstung mit blossem Degen, dessen Hofzwerg Stanislaus, Phi-
lipp II in schwarz als Bräutigam der englischen Maria, ein Doge,
jene Bildnisse des Churfürsten Johann Friedrich des Grossmüthi-
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/246>, abgerufen am 21.11.2024.
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