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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Die Schüler.
königliche Geber sollte Dank vernehmen, empfinden dass seine
Gabe vollkommen gewürdigt werde. Die Bilder waren ferner
religiösen Inhalts: kein Spanier jener Zeit wäre im Stande ge-
wesen, ein Madonnenbild bloss als Kunstwerk zu beurtheilen;
der Weg zur Ueberzeugung ging durch die Empfindung, und
diese wurde durch warme allgemeine Worte entzündet; durch
sie und nicht durch Analyse und Beweis gab man ihnen eine Vor-
stellung von dem Werth des Kunstwerks. Wie sehr er den Ge-
schmack auch seiner heutigen Landsleute getroffen, würde auch
aus Urtheilen hervorgehen, wie das Adolfo de Castro's, freilich
eines nicht unparteiischen Zeugen: "Der Stil ist attisch, er
hat dieselben Eigenschaften wie seine Gemälde: feurige Phan-
tasie, scharfen hohen Verstand, unermessliches und tiefes Urtheil,
harmonische und glänzende Farbe, gefälligen, kühnen und zu-
gleich sichern Pinsel. (!)"

Diese Umstände hätten also den Verfasser in jenen pane-
gyrischen Ton gebracht, der noch nie einem Schriftsteller zum
Vortheil gereicht hat, auch abgesehen von dem Ermüdenden un-
unterbrochner Superlative. Lobsprüche, besonders ästhetische
sind in einem Katalog immer taktlos; besonders aber von Seiten
eines Beamten, der dann pro domo zu reden scheint und eher
zum Widerspruch reizt.

Der Beschauer erwartet von seinem Catalog Information
über den Gegenstand, über die Person des Künstlers, auch wol
über die Technik; aber nicht Bevormundung seines Geschmacks.
Seine Empfindungen lässt sich Niemand vorschreiben, und wenn
man dem Führer Ueberlegenheit der Gelehrsamkeit und Kenner-
schaft zutraut, so stehen diese schätzbaren Eigenschaften ja nicht
nothwendig in gleichem Verhältniss mit Ueberlegenheit und Fein-
heit des Kunstgefühls.

Die Schüler.

Ein Blick auf die Schüler gehört mit zum Bilde eines Künst-
lers. Die Schule erzählt uns von seiner Lehrgabe und Lehrlust,
von dem Umfang, in welchem er neben dem Künstler auch Unter-
nehmer und Geschäftsmann war, sie veranschaulicht das Verhältniss
dessen was abgesehn und in kursirende Münze umgesetzt wer-
den kann, zu dem Persönlichen und Unübertragbaren. Das
letztere ist immer das Werthvollere: Leonardo fand den Adel
der Malerei in ihrer Unübertragbarkeit. Alle grossen Maler haben

Die Schüler.
königliche Geber sollte Dank vernehmen, empfinden dass seine
Gabe vollkommen gewürdigt werde. Die Bilder waren ferner
religiösen Inhalts: kein Spanier jener Zeit wäre im Stande ge-
wesen, ein Madonnenbild bloss als Kunstwerk zu beurtheilen;
der Weg zur Ueberzeugung ging durch die Empfindung, und
diese wurde durch warme allgemeine Worte entzündet; durch
sie und nicht durch Analyse und Beweis gab man ihnen eine Vor-
stellung von dem Werth des Kunstwerks. Wie sehr er den Ge-
schmack auch seiner heutigen Landsleute getroffen, würde auch
aus Urtheilen hervorgehen, wie das Adolfo de Castro’s, freilich
eines nicht unparteiischen Zeugen: „Der Stil ist attisch, er
hat dieselben Eigenschaften wie seine Gemälde: feurige Phan-
tasie, scharfen hohen Verstand, unermessliches und tiefes Urtheil,
harmonische und glänzende Farbe, gefälligen, kühnen und zu-
gleich sichern Pinsel. (!)“

Diese Umstände hätten also den Verfasser in jenen pane-
gyrischen Ton gebracht, der noch nie einem Schriftsteller zum
Vortheil gereicht hat, auch abgesehen von dem Ermüdenden un-
unterbrochner Superlative. Lobsprüche, besonders ästhetische
sind in einem Katalog immer taktlos; besonders aber von Seiten
eines Beamten, der dann pro domo zu reden scheint und eher
zum Widerspruch reizt.

Der Beschauer erwartet von seinem Catalog Information
über den Gegenstand, über die Person des Künstlers, auch wol
über die Technik; aber nicht Bevormundung seines Geschmacks.
Seine Empfindungen lässt sich Niemand vorschreiben, und wenn
man dem Führer Ueberlegenheit der Gelehrsamkeit und Kenner-
schaft zutraut, so stehen diese schätzbaren Eigenschaften ja nicht
nothwendig in gleichem Verhältniss mit Ueberlegenheit und Fein-
heit des Kunstgefühls.

Die Schüler.

Ein Blick auf die Schüler gehört mit zum Bilde eines Künst-
lers. Die Schule erzählt uns von seiner Lehrgabe und Lehrlust,
von dem Umfang, in welchem er neben dem Künstler auch Unter-
nehmer und Geschäftsmann war, sie veranschaulicht das Verhältniss
dessen was abgesehn und in kursirende Münze umgesetzt wer-
den kann, zu dem Persönlichen und Unübertragbaren. Das
letztere ist immer das Werthvollere: Leonardo fand den Adel
der Malerei in ihrer Unübertragbarkeit. Alle grossen Maler haben

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[261/0281] Die Schüler. königliche Geber sollte Dank vernehmen, empfinden dass seine Gabe vollkommen gewürdigt werde. Die Bilder waren ferner religiösen Inhalts: kein Spanier jener Zeit wäre im Stande ge- wesen, ein Madonnenbild bloss als Kunstwerk zu beurtheilen; der Weg zur Ueberzeugung ging durch die Empfindung, und diese wurde durch warme allgemeine Worte entzündet; durch sie und nicht durch Analyse und Beweis gab man ihnen eine Vor- stellung von dem Werth des Kunstwerks. Wie sehr er den Ge- schmack auch seiner heutigen Landsleute getroffen, würde auch aus Urtheilen hervorgehen, wie das Adolfo de Castro’s, freilich eines nicht unparteiischen Zeugen: „Der Stil ist attisch, er hat dieselben Eigenschaften wie seine Gemälde: feurige Phan- tasie, scharfen hohen Verstand, unermessliches und tiefes Urtheil, harmonische und glänzende Farbe, gefälligen, kühnen und zu- gleich sichern Pinsel. (!)“ Diese Umstände hätten also den Verfasser in jenen pane- gyrischen Ton gebracht, der noch nie einem Schriftsteller zum Vortheil gereicht hat, auch abgesehen von dem Ermüdenden un- unterbrochner Superlative. Lobsprüche, besonders ästhetische sind in einem Katalog immer taktlos; besonders aber von Seiten eines Beamten, der dann pro domo zu reden scheint und eher zum Widerspruch reizt. Der Beschauer erwartet von seinem Catalog Information über den Gegenstand, über die Person des Künstlers, auch wol über die Technik; aber nicht Bevormundung seines Geschmacks. Seine Empfindungen lässt sich Niemand vorschreiben, und wenn man dem Führer Ueberlegenheit der Gelehrsamkeit und Kenner- schaft zutraut, so stehen diese schätzbaren Eigenschaften ja nicht nothwendig in gleichem Verhältniss mit Ueberlegenheit und Fein- heit des Kunstgefühls. Die Schüler. Ein Blick auf die Schüler gehört mit zum Bilde eines Künst- lers. Die Schule erzählt uns von seiner Lehrgabe und Lehrlust, von dem Umfang, in welchem er neben dem Künstler auch Unter- nehmer und Geschäftsmann war, sie veranschaulicht das Verhältniss dessen was abgesehn und in kursirende Münze umgesetzt wer- den kann, zu dem Persönlichen und Unübertragbaren. Das letztere ist immer das Werthvollere: Leonardo fand den Adel der Malerei in ihrer Unübertragbarkeit. Alle grossen Maler haben

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/281>, abgerufen am 24.11.2024.