eine Schule gehabt, nicht blos die, welche zur Ausführung ihrer Entwürfe viele Hände nöthig hatten; auch die, welche von der Skizze bis zum letzten Strich alles nur allein, zuweilen sogar nur einsam machen konnten, auch die, welche ihre Proceduren mit Geheimniss umhüllten.
Man sollte denken, alle Maler Madrids müssten sich um Ve- lazquez gedrängt haben. So oft hatte er Arbeiten zu vergeben. Bei der Ausstattung neuer und alter Schlösser wandte man sich an ihn, die geeigneten Hände zu suchen, aufzutreiben, vorzu- schlagen; selbst bei Bewerbungen um Titel wurde er gefragt (II, 101). Seine unwandelbare Gunst bei Hofe schien zu lehren, wie ein Maler nach dem Herzen der Könige beschaffen sein muss. Keiner hatte so den Geschmack des Hofs wie der Nation getroffen, von der Pinselführung bis auf Haltung und Miene seiner Bildnisse.
Künstler zu fördern hatte er ebensoviel Gelegenheit wie Geneigtheit. Mancher hatte ihm sein Fortkommen, ja seine Exi- stenz zu verdanken; die ersten Namen der Zeit haben sich seines Raths, seines Beistands zu erfreuen gehabt. Seine letzte That war die Berufung eines flüchtigen Bildhauers italienischer Herkunft, dessen Ankunft er aber nicht mehr erlebt hat. Es war der bis dahin am Hofe von Frankreich beschäftigte Gio. Ba. Morelli, ein Schü- ler Algardi's. Von seinen Terracotten sagt Palomino, Tintoretto scheine ihnen Geist und Leben eingehaucht zu haben. Er war als Flüchtling in Valencia erschienen, von wo er Velazquez als bekanntem "Protektor dieser Kunst" eine Probe seiner Geschicklichkeit, das Relief von Engelkindern mit den Insignien der Passion sandte. Der König, für den es in der Tribuna aus- gestellt wurde, lobte und kaufte es. Nachdem er noch einige grosse runde Arbeiten in demselben Material geschickt, darunter eine Engelklage um den todten Heiland, eine Halbfigur des heil. Philipp Neri, entschloss sich Velazquez ihn kommen zu lassen, er traf aber erst im Jahre 1661 ein. Der König hat ihn bis zu seinem Tode beschäftigt.
Den von ihm berufenen Zurbaran nannte der König pintor del Rey y Rey de los pintores; wer wäre da nicht eifersüchtig geworden! Aber derartige Leidenschaften waren ihm fremd. Freilich war er ganz frei von dem Ehrgeiz der Tintoretto, Ru- bens, Giordano, alle Unternehmungen von denen sie hörten, für sich zu bekommen. Wenn der König unter seiner Leitung einen Saal, ein Jagdschloss ausmalen liess, so war er zufrieden, eins
Siebentes Buch.
eine Schule gehabt, nicht blos die, welche zur Ausführung ihrer Entwürfe viele Hände nöthig hatten; auch die, welche von der Skizze bis zum letzten Strich alles nur allein, zuweilen sogar nur einsam machen konnten, auch die, welche ihre Proceduren mit Geheimniss umhüllten.
Man sollte denken, alle Maler Madrids müssten sich um Ve- lazquez gedrängt haben. So oft hatte er Arbeiten zu vergeben. Bei der Ausstattung neuer und alter Schlösser wandte man sich an ihn, die geeigneten Hände zu suchen, aufzutreiben, vorzu- schlagen; selbst bei Bewerbungen um Titel wurde er gefragt (II, 101). Seine unwandelbare Gunst bei Hofe schien zu lehren, wie ein Maler nach dem Herzen der Könige beschaffen sein muss. Keiner hatte so den Geschmack des Hofs wie der Nation getroffen, von der Pinselführung bis auf Haltung und Miene seiner Bildnisse.
Künstler zu fördern hatte er ebensoviel Gelegenheit wie Geneigtheit. Mancher hatte ihm sein Fortkommen, ja seine Exi- stenz zu verdanken; die ersten Namen der Zeit haben sich seines Raths, seines Beistands zu erfreuen gehabt. Seine letzte That war die Berufung eines flüchtigen Bildhauers italienischer Herkunft, dessen Ankunft er aber nicht mehr erlebt hat. Es war der bis dahin am Hofe von Frankreich beschäftigte Gio. Ba. Morelli, ein Schü- ler Algardi’s. Von seinen Terracotten sagt Palomino, Tintoretto scheine ihnen Geist und Leben eingehaucht zu haben. Er war als Flüchtling in Valencia erschienen, von wo er Velazquez als bekanntem „Protektor dieser Kunst“ eine Probe seiner Geschicklichkeit, das Relief von Engelkindern mit den Insignien der Passion sandte. Der König, für den es in der Tribuna aus- gestellt wurde, lobte und kaufte es. Nachdem er noch einige grosse runde Arbeiten in demselben Material geschickt, darunter eine Engelklage um den todten Heiland, eine Halbfigur des heil. Philipp Neri, entschloss sich Velazquez ihn kommen zu lassen, er traf aber erst im Jahre 1661 ein. Der König hat ihn bis zu seinem Tode beschäftigt.
Den von ihm berufenen Zurbaran nannte der König pintor del Rey y Rey de los pintores; wer wäre da nicht eifersüchtig geworden! Aber derartige Leidenschaften waren ihm fremd. Freilich war er ganz frei von dem Ehrgeiz der Tintoretto, Ru- bens, Giordano, alle Unternehmungen von denen sie hörten, für sich zu bekommen. Wenn der König unter seiner Leitung einen Saal, ein Jagdschloss ausmalen liess, so war er zufrieden, eins
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0282"n="262"/><fwplace="top"type="header">Siebentes Buch.</fw><lb/>
eine Schule gehabt, nicht blos die, welche zur Ausführung ihrer<lb/>
Entwürfe viele Hände nöthig hatten; auch die, welche von der<lb/>
Skizze bis zum letzten Strich alles nur allein, zuweilen sogar nur<lb/>
einsam machen konnten, auch die, welche ihre Proceduren mit<lb/>
Geheimniss umhüllten.</p><lb/><p>Man sollte denken, alle Maler Madrids müssten sich um Ve-<lb/>
lazquez gedrängt haben. So oft hatte er Arbeiten zu vergeben.<lb/>
Bei der Ausstattung neuer und alter Schlösser wandte man sich<lb/>
an ihn, die geeigneten Hände zu suchen, aufzutreiben, vorzu-<lb/>
schlagen; selbst bei Bewerbungen um Titel wurde er gefragt<lb/>
(II, 101). Seine unwandelbare Gunst bei Hofe schien zu lehren,<lb/>
wie ein Maler nach dem Herzen der Könige beschaffen sein<lb/>
muss. Keiner hatte so den Geschmack des Hofs wie der Nation<lb/>
getroffen, von der Pinselführung bis auf Haltung und Miene<lb/>
seiner Bildnisse.</p><lb/><p>Künstler zu fördern hatte er ebensoviel Gelegenheit wie<lb/>
Geneigtheit. Mancher hatte ihm sein Fortkommen, ja seine Exi-<lb/>
stenz zu verdanken; die ersten Namen der Zeit haben sich seines<lb/>
Raths, seines Beistands zu erfreuen gehabt. Seine letzte That war<lb/>
die Berufung eines flüchtigen Bildhauers italienischer Herkunft,<lb/>
dessen Ankunft er aber nicht mehr erlebt hat. Es war der bis dahin<lb/>
am Hofe von Frankreich beschäftigte <hirendition="#i">Gio. B<hirendition="#sup">a</hi>. Morelli</hi>, ein Schü-<lb/>
ler Algardi’s. Von seinen Terracotten sagt Palomino, Tintoretto<lb/>
scheine ihnen Geist und Leben eingehaucht zu haben. Er war<lb/>
als Flüchtling in Valencia erschienen, von wo er Velazquez<lb/>
als bekanntem „Protektor dieser Kunst“ eine Probe seiner<lb/>
Geschicklichkeit, das Relief von Engelkindern mit den Insignien<lb/>
der Passion sandte. Der König, für den es in der Tribuna aus-<lb/>
gestellt wurde, lobte und kaufte es. Nachdem er noch einige<lb/>
grosse runde Arbeiten in demselben Material geschickt, darunter<lb/>
eine Engelklage um den todten Heiland, eine Halbfigur des heil.<lb/>
Philipp Neri, entschloss sich Velazquez ihn kommen zu lassen,<lb/>
er traf aber erst im Jahre 1661 ein. Der König hat ihn bis zu<lb/>
seinem Tode beschäftigt.</p><lb/><p>Den von ihm berufenen Zurbaran nannte der König <hirendition="#i">pintor<lb/>
del Rey y Rey de los pintores</hi>; wer wäre da nicht eifersüchtig<lb/>
geworden! Aber derartige Leidenschaften waren ihm fremd.<lb/>
Freilich war er ganz frei von dem Ehrgeiz der Tintoretto, Ru-<lb/>
bens, Giordano, alle Unternehmungen von denen sie hörten, für<lb/>
sich zu bekommen. Wenn der König unter seiner Leitung einen<lb/>
Saal, ein Jagdschloss ausmalen liess, so war er zufrieden, eins<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[262/0282]
Siebentes Buch.
eine Schule gehabt, nicht blos die, welche zur Ausführung ihrer
Entwürfe viele Hände nöthig hatten; auch die, welche von der
Skizze bis zum letzten Strich alles nur allein, zuweilen sogar nur
einsam machen konnten, auch die, welche ihre Proceduren mit
Geheimniss umhüllten.
Man sollte denken, alle Maler Madrids müssten sich um Ve-
lazquez gedrängt haben. So oft hatte er Arbeiten zu vergeben.
Bei der Ausstattung neuer und alter Schlösser wandte man sich
an ihn, die geeigneten Hände zu suchen, aufzutreiben, vorzu-
schlagen; selbst bei Bewerbungen um Titel wurde er gefragt
(II, 101). Seine unwandelbare Gunst bei Hofe schien zu lehren,
wie ein Maler nach dem Herzen der Könige beschaffen sein
muss. Keiner hatte so den Geschmack des Hofs wie der Nation
getroffen, von der Pinselführung bis auf Haltung und Miene
seiner Bildnisse.
Künstler zu fördern hatte er ebensoviel Gelegenheit wie
Geneigtheit. Mancher hatte ihm sein Fortkommen, ja seine Exi-
stenz zu verdanken; die ersten Namen der Zeit haben sich seines
Raths, seines Beistands zu erfreuen gehabt. Seine letzte That war
die Berufung eines flüchtigen Bildhauers italienischer Herkunft,
dessen Ankunft er aber nicht mehr erlebt hat. Es war der bis dahin
am Hofe von Frankreich beschäftigte Gio. Ba. Morelli, ein Schü-
ler Algardi’s. Von seinen Terracotten sagt Palomino, Tintoretto
scheine ihnen Geist und Leben eingehaucht zu haben. Er war
als Flüchtling in Valencia erschienen, von wo er Velazquez
als bekanntem „Protektor dieser Kunst“ eine Probe seiner
Geschicklichkeit, das Relief von Engelkindern mit den Insignien
der Passion sandte. Der König, für den es in der Tribuna aus-
gestellt wurde, lobte und kaufte es. Nachdem er noch einige
grosse runde Arbeiten in demselben Material geschickt, darunter
eine Engelklage um den todten Heiland, eine Halbfigur des heil.
Philipp Neri, entschloss sich Velazquez ihn kommen zu lassen,
er traf aber erst im Jahre 1661 ein. Der König hat ihn bis zu
seinem Tode beschäftigt.
Den von ihm berufenen Zurbaran nannte der König pintor
del Rey y Rey de los pintores; wer wäre da nicht eifersüchtig
geworden! Aber derartige Leidenschaften waren ihm fremd.
Freilich war er ganz frei von dem Ehrgeiz der Tintoretto, Ru-
bens, Giordano, alle Unternehmungen von denen sie hörten, für
sich zu bekommen. Wenn der König unter seiner Leitung einen
Saal, ein Jagdschloss ausmalen liess, so war er zufrieden, eins
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/282>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.