Dem sarazenischen Corsar steht ein hispanischer Seeheld gegenüber, der nur unter diesem seinem Kriegsnamen bekannt ist: Don Juan de Austria (Prado 1094). Dass man den Hu- moristen mit dem Namen des Siegers von Lepanto rief, des Grossoheims Seiner Majestät, den dieselbe auch ihrem meistver- sprechenden natürlichen Sohn beilegte, ist ein Beweis, wie un- befangen man hierin war, selbst auf Kosten der grossen Todten der königlichen Familie. In neuerer Zeit ist er auch unter dem Namen des Ferdinand Cortez herumgegangen (in Stichen von Lingee, P. Adam, 1824).
Es ist eine lange, hagere, durch ihre sechzig Jahre schon gebeugte Gestalt; ein Hungerleidergesicht, dicke schwarze Brauen die kleinen tiefliegenden Augen überschattend, der zahn- lückige Mund bedeckt von dem struppigen Schnurrbart, dürre nach auswärts gebogene Beine. So stellt man sich jene Capitäne vor, die Nerven straffer castilischer Mannszucht, welche aus zusammen- geworbenem Gesindel die eisernen Phalangen spanischer Infan- terie schmiedeten. Männer von hartem Stoff, unverwüstlicher Laune, empfindlichem pundonor, pflichttreu, frugal, grausam, fatalistisch, die oft, nachdem sie ihre guten Jahre, ihre Kräfte und Habe dem Dienst des Königs geopfert (vielleicht wie jener D. Anibal Chinchilla ein Auge in Neapel, einen Arm in der Lom- bardei, ein Bein in Holland zurückgelassen hatten), nie bezahlt worden waren, endlich heimkehrten, um bei verschlossenen Thüren mit Knoblauch und Zwiebeln Tafel zu halten, und von Zeit zu Zeit im Vorzimmer des secretario de guerra zu erscheinen, ein schreckhafter Anblick durch Narben, Alter, Hunger und grimmige Mienen:
Viejo y enfermo de servirte en guerra, en fuego indiano, y en flamenco frio. (Lope.)
Sein forschend unsichrer Blick scheint der Oeffnung der Thür durch den Portier Seiner Excellenz zu harren, der ihn damit trösten wird, dass Ehre der Sold des Spaniers ist. --
Dieser Ritter von der traurigen Gestalt erscheint aber hier in der reichen Tracht eines Prinzen von Geblüt. Wams und Mantel von schwarzem Sammt, letzterer mit rother Seide ge- füttert und gesäumt, geschlitzte karmesinrothe Aermel und Knie- hosen, rosa Strümpfe mit grossen Knierosen, dergleichen an den Schuhen; unförmlich breiter Hut mit rothem Band und mächtigem Federbusch; die knochige Linke am Degengefäss, in der Rechten ein grosser Stab mit rother Franse. Im Gürtel steckt der
Siebentes Buch.
Dem sarazenischen Corsar steht ein hispanischer Seeheld gegenüber, der nur unter diesem seinem Kriegsnamen bekannt ist: Don Juan de Austria (Prado 1094). Dass man den Hu- moristen mit dem Namen des Siegers von Lepanto rief, des Grossoheims Seiner Majestät, den dieselbe auch ihrem meistver- sprechenden natürlichen Sohn beilegte, ist ein Beweis, wie un- befangen man hierin war, selbst auf Kosten der grossen Todten der königlichen Familie. In neuerer Zeit ist er auch unter dem Namen des Ferdinand Cortez herumgegangen (in Stichen von Lingée, P. Adam, 1824).
Es ist eine lange, hagere, durch ihre sechzig Jahre schon gebeugte Gestalt; ein Hungerleidergesicht, dicke schwarze Brauen die kleinen tiefliegenden Augen überschattend, der zahn- lückige Mund bedeckt von dem struppigen Schnurrbart, dürre nach auswärts gebogene Beine. So stellt man sich jene Capitäne vor, die Nerven straffer castilischer Mannszucht, welche aus zusammen- geworbenem Gesindel die eisernen Phalangen spanischer Infan- terie schmiedeten. Männer von hartem Stoff, unverwüstlicher Laune, empfindlichem pundonor, pflichttreu, frugal, grausam, fatalistisch, die oft, nachdem sie ihre guten Jahre, ihre Kräfte und Habe dem Dienst des Königs geopfert (vielleicht wie jener D. Anibal Chinchilla ein Auge in Neapel, einen Arm in der Lom- bardei, ein Bein in Holland zurückgelassen hatten), nie bezahlt worden waren, endlich heimkehrten, um bei verschlossenen Thüren mit Knoblauch und Zwiebeln Tafel zu halten, und von Zeit zu Zeit im Vorzimmer des secretario de guerra zu erscheinen, ein schreckhafter Anblick durch Narben, Alter, Hunger und grimmige Mienen:
Viejo y enfermo de servirte en guerra, en fuego indiano, y en flamenco frio. (Lope.)
Sein forschend unsichrer Blick scheint der Oeffnung der Thür durch den Portier Seiner Excellenz zu harren, der ihn damit trösten wird, dass Ehre der Sold des Spaniers ist. —
Dieser Ritter von der traurigen Gestalt erscheint aber hier in der reichen Tracht eines Prinzen von Geblüt. Wams und Mantel von schwarzem Sammt, letzterer mit rother Seide ge- füttert und gesäumt, geschlitzte karmesinrothe Aermel und Knie- hosen, rosa Strümpfe mit grossen Knierosen, dergleichen an den Schuhen; unförmlich breiter Hut mit rothem Band und mächtigem Federbusch; die knochige Linke am Degengefäss, in der Rechten ein grosser Stab mit rother Franse. Im Gürtel steckt der
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Siebentes Buch.
Dem sarazenischen Corsar steht ein hispanischer Seeheld
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moristen mit dem Namen des Siegers von Lepanto rief, des
Grossoheims Seiner Majestät, den dieselbe auch ihrem meistver-
sprechenden natürlichen Sohn beilegte, ist ein Beweis, wie un-
befangen man hierin war, selbst auf Kosten der grossen Todten
der königlichen Familie. In neuerer Zeit ist er auch unter dem
Namen des Ferdinand Cortez herumgegangen (in Stichen von
Lingée, P. Adam, 1824).
Es ist eine lange, hagere, durch ihre sechzig Jahre schon
gebeugte Gestalt; ein Hungerleidergesicht, dicke schwarze
Brauen die kleinen tiefliegenden Augen überschattend, der zahn-
lückige Mund bedeckt von dem struppigen Schnurrbart, dürre nach
auswärts gebogene Beine. So stellt man sich jene Capitäne vor,
die Nerven straffer castilischer Mannszucht, welche aus zusammen-
geworbenem Gesindel die eisernen Phalangen spanischer Infan-
terie schmiedeten. Männer von hartem Stoff, unverwüstlicher
Laune, empfindlichem pundonor, pflichttreu, frugal, grausam,
fatalistisch, die oft, nachdem sie ihre guten Jahre, ihre Kräfte und
Habe dem Dienst des Königs geopfert (vielleicht wie jener
D. Anibal Chinchilla ein Auge in Neapel, einen Arm in der Lom-
bardei, ein Bein in Holland zurückgelassen hatten), nie bezahlt
worden waren, endlich heimkehrten, um bei verschlossenen Thüren
mit Knoblauch und Zwiebeln Tafel zu halten, und von Zeit zu
Zeit im Vorzimmer des secretario de guerra zu erscheinen, ein
schreckhafter Anblick durch Narben, Alter, Hunger und grimmige
Mienen:
Viejo y enfermo de servirte en guerra,
en fuego indiano, y en flamenco frio. (Lope.)
Sein forschend unsichrer Blick scheint der Oeffnung der Thür
durch den Portier Seiner Excellenz zu harren, der ihn damit
trösten wird, dass Ehre der Sold des Spaniers ist. —
Dieser Ritter von der traurigen Gestalt erscheint aber hier
in der reichen Tracht eines Prinzen von Geblüt. Wams und
Mantel von schwarzem Sammt, letzterer mit rother Seide ge-
füttert und gesäumt, geschlitzte karmesinrothe Aermel und Knie-
hosen, rosa Strümpfe mit grossen Knierosen, dergleichen an den
Schuhen; unförmlich breiter Hut mit rothem Band und mächtigem
Federbusch; die knochige Linke am Degengefäss, in der Rechten
ein grosser Stab mit rother Franse. Im Gürtel steckt der
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/372>, abgerufen am 28.11.2024.
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