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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Die lustigen Personen.
eiserne Schlüssel. Am Marmorboden liegt Kriegsgeräth ver-
streut: Helm, Büchse, Bombe, Kanonenkugel, Harnisch; durchs
offene Fenster sieht man das Meer mit einer wild hingehauenen
Seeschlacht, wie in Tizian's Bild Philipp II mit seinem Kind
Ferdinand. Es ist die Capitana des Grossveziers, die er in den
Grund bohrte. Er hat jene Rüstung eilig abgeworfen und steht
nun da in festlicher Gala, um die Glückwünsche der Farnese,
Colonna, Venier entgegenzunehmen.

Der dritte Truhan, Pablillos de Valladolid (Prado 1092) erscheint
auf einem ganz leeren (mit Ausnahme des Schattens der Beine)
hellgrauen Grund, in schwarzer Hoftracht, nur mit schwarz,
weiss, braun gemalt. Er ist der einzige, in dessen Geberden der
Mime wenigstens unverkennbar ist. Er scheint auf die vorderste
Bühne getreten zu sein, da steht er mit gespreizten Beinen, den
Mantel straff um den Leib gezogen und über die linke Schulter
geworfen (capa terciada). Die halbgeöffnete Rechte streckt er aus,
etwas nach unten, wie verstohlen, als raune er dem Publicum einen
Einfall zu, vielleicht auf Kosten einer in dieser Richtung stehen-
den Respectsperson. Positur, Geberde, Gesicht stimmen wun-
derbar zu dem ohne Zweifel explodirenden Erfolg, den ein aus
dem trocknen, einfältig aussehenden Gesicht kommendes groteskes
Wort hervorgebracht hat. Es ist ein Lachen herausfordernder
Kopf, mit zurückliegender schmaler Stirn, starken Backenkno-
chen, breiter Lippe kurzem zurückweichendem Kinn; die dicken
Augenbrauen, Wimpern, der kurze Vollbart wie von Motten ange-
fressen. Die Hände, mit denen er spricht, sind ungewöhnlich
sorgfältig und eingehend modellirt. -- In der Galerie Leganes
waren 1665 ebenfalls Bildnisse dieses Pablillos und des Pernia.

Die drei übrigen Truhanes haben sich auf dem Wege von
Buen Retiro nach dem Palast verirrt. In einer schottischen
Galerie, Rossie Priory, existirt das Bildniss eines Thürstehers,
das dort Velazquez heisst, in ihm könnte man beim ersten An-
blick jenen Portier Ochoa vermuthen. Ein ältlicher Mann in
schwarz schlägt einen Thürvorhang zurück und überreicht, nach
links sich vorbeugend, einen Brief (auf dem nicht der Name
des Malers steht). Es ist ein Kopf von edlen scharfen Formen,
gutgebildeter hoher Stirn, aus dessen Mienen Verstand und Er-
gebenheit spricht. Die Figur, auf schwarzem Grund, ist aber
nur skizzirt, von den Händen kaum die Umrisse zu sehen, das
Gesicht schwärzlich grün untermalt und stark mitgenommen.
Mit um so grösserer Farbenverschwendung und Sorgfalt ist der

Die lustigen Personen.
eiserne Schlüssel. Am Marmorboden liegt Kriegsgeräth ver-
streut: Helm, Büchse, Bombe, Kanonenkugel, Harnisch; durchs
offene Fenster sieht man das Meer mit einer wild hingehauenen
Seeschlacht, wie in Tizian’s Bild Philipp II mit seinem Kind
Ferdinand. Es ist die Capitana des Grossveziers, die er in den
Grund bohrte. Er hat jene Rüstung eilig abgeworfen und steht
nun da in festlicher Gala, um die Glückwünsche der Farnese,
Colonna, Venier entgegenzunehmen.

Der dritte Truhan, Pablillos de Valladolid (Prado 1092) erscheint
auf einem ganz leeren (mit Ausnahme des Schattens der Beine)
hellgrauen Grund, in schwarzer Hoftracht, nur mit schwarz,
weiss, braun gemalt. Er ist der einzige, in dessen Geberden der
Mime wenigstens unverkennbar ist. Er scheint auf die vorderste
Bühne getreten zu sein, da steht er mit gespreizten Beinen, den
Mantel straff um den Leib gezogen und über die linke Schulter
geworfen (capa terciada). Die halbgeöffnete Rechte streckt er aus,
etwas nach unten, wie verstohlen, als raune er dem Publicum einen
Einfall zu, vielleicht auf Kosten einer in dieser Richtung stehen-
den Respectsperson. Positur, Geberde, Gesicht stimmen wun-
derbar zu dem ohne Zweifel explodirenden Erfolg, den ein aus
dem trocknen, einfältig aussehenden Gesicht kommendes groteskes
Wort hervorgebracht hat. Es ist ein Lachen herausfordernder
Kopf, mit zurückliegender schmaler Stirn, starken Backenkno-
chen, breiter Lippe kurzem zurückweichendem Kinn; die dicken
Augenbrauen, Wimpern, der kurze Vollbart wie von Motten ange-
fressen. Die Hände, mit denen er spricht, sind ungewöhnlich
sorgfältig und eingehend modellirt. — In der Galerie Leganés
waren 1665 ebenfalls Bildnisse dieses Pablillos und des Pernia.

Die drei übrigen Truhanes haben sich auf dem Wege von
Buen Retiro nach dem Palast verirrt. In einer schottischen
Galerie, Rossie Priory, existirt das Bildniss eines Thürstehers,
das dort Velazquez heisst, in ihm könnte man beim ersten An-
blick jenen Portier Ochoa vermuthen. Ein ältlicher Mann in
schwarz schlägt einen Thürvorhang zurück und überreicht, nach
links sich vorbeugend, einen Brief (auf dem nicht der Name
des Malers steht). Es ist ein Kopf von edlen scharfen Formen,
gutgebildeter hoher Stirn, aus dessen Mienen Verstand und Er-
gebenheit spricht. Die Figur, auf schwarzem Grund, ist aber
nur skizzirt, von den Händen kaum die Umrisse zu sehen, das
Gesicht schwärzlich grün untermalt und stark mitgenommen.
Mit um so grösserer Farbenverschwendung und Sorgfalt ist der

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[349/0373] Die lustigen Personen. eiserne Schlüssel. Am Marmorboden liegt Kriegsgeräth ver- streut: Helm, Büchse, Bombe, Kanonenkugel, Harnisch; durchs offene Fenster sieht man das Meer mit einer wild hingehauenen Seeschlacht, wie in Tizian’s Bild Philipp II mit seinem Kind Ferdinand. Es ist die Capitana des Grossveziers, die er in den Grund bohrte. Er hat jene Rüstung eilig abgeworfen und steht nun da in festlicher Gala, um die Glückwünsche der Farnese, Colonna, Venier entgegenzunehmen. Der dritte Truhan, Pablillos de Valladolid (Prado 1092) erscheint auf einem ganz leeren (mit Ausnahme des Schattens der Beine) hellgrauen Grund, in schwarzer Hoftracht, nur mit schwarz, weiss, braun gemalt. Er ist der einzige, in dessen Geberden der Mime wenigstens unverkennbar ist. Er scheint auf die vorderste Bühne getreten zu sein, da steht er mit gespreizten Beinen, den Mantel straff um den Leib gezogen und über die linke Schulter geworfen (capa terciada). Die halbgeöffnete Rechte streckt er aus, etwas nach unten, wie verstohlen, als raune er dem Publicum einen Einfall zu, vielleicht auf Kosten einer in dieser Richtung stehen- den Respectsperson. Positur, Geberde, Gesicht stimmen wun- derbar zu dem ohne Zweifel explodirenden Erfolg, den ein aus dem trocknen, einfältig aussehenden Gesicht kommendes groteskes Wort hervorgebracht hat. Es ist ein Lachen herausfordernder Kopf, mit zurückliegender schmaler Stirn, starken Backenkno- chen, breiter Lippe kurzem zurückweichendem Kinn; die dicken Augenbrauen, Wimpern, der kurze Vollbart wie von Motten ange- fressen. Die Hände, mit denen er spricht, sind ungewöhnlich sorgfältig und eingehend modellirt. — In der Galerie Leganés waren 1665 ebenfalls Bildnisse dieses Pablillos und des Pernia. Die drei übrigen Truhanes haben sich auf dem Wege von Buen Retiro nach dem Palast verirrt. In einer schottischen Galerie, Rossie Priory, existirt das Bildniss eines Thürstehers, das dort Velazquez heisst, in ihm könnte man beim ersten An- blick jenen Portier Ochoa vermuthen. Ein ältlicher Mann in schwarz schlägt einen Thürvorhang zurück und überreicht, nach links sich vorbeugend, einen Brief (auf dem nicht der Name des Malers steht). Es ist ein Kopf von edlen scharfen Formen, gutgebildeter hoher Stirn, aus dessen Mienen Verstand und Er- gebenheit spricht. Die Figur, auf schwarzem Grund, ist aber nur skizzirt, von den Händen kaum die Umrisse zu sehen, das Gesicht schwärzlich grün untermalt und stark mitgenommen. Mit um so grösserer Farbenverschwendung und Sorgfalt ist der

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/373>, abgerufen am 28.11.2024.