Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

weigerte mich standhaft, wieder von vorn anzufangen, wozu Classen mich dringend einlud.

Er bequemte sich zu einer andern Unterhaltung, weil mir diese nicht anstand, und erzählte viel von Bordeaux, von Mr. Gerson und seinen drei Töchtern. Auch dieses Gespräch verdroß mich; ich zwang mich, nichts zu hören, und ging endlich in mein Kabinet, um meinen Grillen nachzuhängen.

Mein Koffer fiel mir in die Augen; ich hatte ihn noch nicht untersucht, und beschloß es jetzt zu thun, mehr zum Zeitvertreib, als aus Neugier. Meine besten Kleider, meine feinste Wäsche -- Briefe an verschiedene Handlungshäuser -- ein Kästchen mit einem kostbaren Ringe und dergleichen Armbändern -- -- ich errieth die Bestimmung, und schob es unwillig auf die Seite -- sieh da! wie eine muthwillige Geliebte lauscht in die Ecke gedrückt ein Beutel -- ich hob ihn auf, und mein Herz pocht' vor Freude, während meine Hand ihn prüfend wiegt -- ich öffne, und finde eitel Gold, an der Zahl richtige dreihundert Louisd'ors.

Ich hatte an manchem Abend so viel und mehr verloren und hätte noch am letzten Abend mit Sir Drunkner unbedenklich die doppelte Summe gewettet, daß ich heute keinen Fuß aus Hamburg setzen würde; aber in der letzten Zeit hatte das Geld dem Fehler seiner runden Gestalt etwas zu sehr bei mir nachgegeben, und es war am Morgen kein Louisd'or in

weigerte mich standhaft, wieder von vorn anzufangen, wozu Classen mich dringend einlud.

Er bequemte sich zu einer andern Unterhaltung, weil mir diese nicht anstand, und erzählte viel von Bordeaux, von Mr. Gerson und seinen drei Töchtern. Auch dieses Gespräch verdroß mich; ich zwang mich, nichts zu hören, und ging endlich in mein Kabinet, um meinen Grillen nachzuhängen.

Mein Koffer fiel mir in die Augen; ich hatte ihn noch nicht untersucht, und beschloß es jetzt zu thun, mehr zum Zeitvertreib, als aus Neugier. Meine besten Kleider, meine feinste Wäsche — Briefe an verschiedene Handlungshäuser — ein Kästchen mit einem kostbaren Ringe und dergleichen Armbändern — — ich errieth die Bestimmung, und schob es unwillig auf die Seite — sieh da! wie eine muthwillige Geliebte lauscht in die Ecke gedrückt ein Beutel — ich hob ihn auf, und mein Herz pocht' vor Freude, während meine Hand ihn prüfend wiegt — ich öffne, und finde eitel Gold, an der Zahl richtige dreihundert Louisd'ors.

Ich hatte an manchem Abend so viel und mehr verloren und hätte noch am letzten Abend mit Sir Drunkner unbedenklich die doppelte Summe gewettet, daß ich heute keinen Fuß aus Hamburg setzen würde; aber in der letzten Zeit hatte das Geld dem Fehler seiner runden Gestalt etwas zu sehr bei mir nachgegeben, und es war am Morgen kein Louisd'or in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="3">
        <p><pb facs="#f0012"/>
weigerte mich standhaft, wieder von vorn anzufangen, wozu Classen                mich dringend einlud.</p><lb/>
        <p>Er bequemte sich zu einer andern Unterhaltung, weil mir diese nicht anstand, und                erzählte viel von Bordeaux, von Mr. Gerson und seinen drei Töchtern. Auch dieses                Gespräch verdroß mich; ich zwang mich, nichts zu hören, und ging endlich in mein                Kabinet, um meinen Grillen nachzuhängen.</p><lb/>
        <p>Mein Koffer fiel mir in die Augen; ich hatte ihn noch nicht untersucht, und beschloß                es jetzt zu thun, mehr zum Zeitvertreib, als aus Neugier. Meine besten Kleider, meine                feinste Wäsche &#x2014; Briefe an verschiedene Handlungshäuser &#x2014; ein Kästchen mit einem                kostbaren Ringe und dergleichen Armbändern &#x2014; &#x2014; ich errieth die Bestimmung, und schob                es unwillig auf die Seite &#x2014; sieh da! wie eine muthwillige Geliebte lauscht in die                Ecke gedrückt ein Beutel &#x2014; ich hob ihn auf, und mein Herz pocht' vor Freude, während                meine Hand ihn prüfend wiegt &#x2014; ich öffne, und finde eitel Gold, an der Zahl richtige                dreihundert Louisd'ors.</p><lb/>
        <p>Ich hatte an manchem Abend so viel und mehr verloren und hätte noch am letzten Abend                mit Sir Drunkner unbedenklich die doppelte Summe gewettet, daß ich heute keinen Fuß                aus Hamburg setzen würde; aber in der letzten Zeit hatte das Geld dem Fehler seiner                runden Gestalt etwas zu sehr bei mir nachgegeben, und es war am Morgen kein Louisd'or                in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0012] weigerte mich standhaft, wieder von vorn anzufangen, wozu Classen mich dringend einlud. Er bequemte sich zu einer andern Unterhaltung, weil mir diese nicht anstand, und erzählte viel von Bordeaux, von Mr. Gerson und seinen drei Töchtern. Auch dieses Gespräch verdroß mich; ich zwang mich, nichts zu hören, und ging endlich in mein Kabinet, um meinen Grillen nachzuhängen. Mein Koffer fiel mir in die Augen; ich hatte ihn noch nicht untersucht, und beschloß es jetzt zu thun, mehr zum Zeitvertreib, als aus Neugier. Meine besten Kleider, meine feinste Wäsche — Briefe an verschiedene Handlungshäuser — ein Kästchen mit einem kostbaren Ringe und dergleichen Armbändern — — ich errieth die Bestimmung, und schob es unwillig auf die Seite — sieh da! wie eine muthwillige Geliebte lauscht in die Ecke gedrückt ein Beutel — ich hob ihn auf, und mein Herz pocht' vor Freude, während meine Hand ihn prüfend wiegt — ich öffne, und finde eitel Gold, an der Zahl richtige dreihundert Louisd'ors. Ich hatte an manchem Abend so viel und mehr verloren und hätte noch am letzten Abend mit Sir Drunkner unbedenklich die doppelte Summe gewettet, daß ich heute keinen Fuß aus Hamburg setzen würde; aber in der letzten Zeit hatte das Geld dem Fehler seiner runden Gestalt etwas zu sehr bei mir nachgegeben, und es war am Morgen kein Louisd'or in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:26:46Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:26:46Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/12
Zitationshilfe: Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/12>, abgerufen am 28.04.2024.