Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.erbietig Platz machte. Sie handelte um ein Paar Ohrengehänge; der Juwelier bot ihr zu viel, und sie gab sie zurück. Ich bezahlte den geforderten Preis und bat sie, sie zum Andenken anzunehmen. Sie sind sehr großmüthig, mein Herr, sagte sie erröthend und heftete ihre strahlenden Augen so forschend auf mich, daß ich vor Furcht und Vergnügen zugleich erzitterte -- und diese Juwelen sind recht artig; aber wenn sie noch schöner wären, dürfte ich sie nicht von einem Unbekannten annehmen. Ich bat vergeblich. Unwillig über diesen Widerstand wandte ich mich endlich an die Aeltere und bot ihr die Ohrengehänge an, indem ich sie ersuchte, mir wenigstens die Genugthuung zu verschaffen, daß ich die Unerbittliche in ihrer Freundin verbinden dürfte. Sie betrachtete meine Gabe mit vor Begierde funkelnden Augen und griff darnach, nach einigem Zaudern. Die Andere sah sie strafend an und schüttelte leicht den Kopf, als sie mein Geschenk nahm. Sie gingen wieder, und ich unglücklicher Lord war einfältig genug, sie nicht weiter zu fragen. Erst zu Hause erwachte ich, wie aus tiefem Traum; das Bild des liebenswürdigen Mädchens schwebte mir vor, und ich hätte gern noch einmal dreißig Louisd'ors gegeben, um sie nur noch einmal zu sehen. Das Glück begünstigte meine Wünsche. Im theatre francais sah ich meine Damen in einer Loge. Ich eilte zu ihnen und hatte die Genugthuung, von erbietig Platz machte. Sie handelte um ein Paar Ohrengehänge; der Juwelier bot ihr zu viel, und sie gab sie zurück. Ich bezahlte den geforderten Preis und bat sie, sie zum Andenken anzunehmen. Sie sind sehr großmüthig, mein Herr, sagte sie erröthend und heftete ihre strahlenden Augen so forschend auf mich, daß ich vor Furcht und Vergnügen zugleich erzitterte — und diese Juwelen sind recht artig; aber wenn sie noch schöner wären, dürfte ich sie nicht von einem Unbekannten annehmen. Ich bat vergeblich. Unwillig über diesen Widerstand wandte ich mich endlich an die Aeltere und bot ihr die Ohrengehänge an, indem ich sie ersuchte, mir wenigstens die Genugthuung zu verschaffen, daß ich die Unerbittliche in ihrer Freundin verbinden dürfte. Sie betrachtete meine Gabe mit vor Begierde funkelnden Augen und griff darnach, nach einigem Zaudern. Die Andere sah sie strafend an und schüttelte leicht den Kopf, als sie mein Geschenk nahm. Sie gingen wieder, und ich unglücklicher Lord war einfältig genug, sie nicht weiter zu fragen. Erst zu Hause erwachte ich, wie aus tiefem Traum; das Bild des liebenswürdigen Mädchens schwebte mir vor, und ich hätte gern noch einmal dreißig Louisd'ors gegeben, um sie nur noch einmal zu sehen. Das Glück begünstigte meine Wünsche. Im théatre français sah ich meine Damen in einer Loge. Ich eilte zu ihnen und hatte die Genugthuung, von <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0016"/> erbietig Platz machte. Sie handelte um ein Paar Ohrengehänge; der Juwelier bot ihr zu viel, und sie gab sie zurück. Ich bezahlte den geforderten Preis und bat sie, sie zum Andenken anzunehmen.</p><lb/> <p>Sie sind sehr großmüthig, mein Herr, sagte sie erröthend und heftete ihre strahlenden Augen so forschend auf mich, daß ich vor Furcht und Vergnügen zugleich erzitterte — und diese Juwelen sind recht artig; aber wenn sie noch schöner wären, dürfte ich sie nicht von einem Unbekannten annehmen.</p><lb/> <p>Ich bat vergeblich. Unwillig über diesen Widerstand wandte ich mich endlich an die Aeltere und bot ihr die Ohrengehänge an, indem ich sie ersuchte, mir wenigstens die Genugthuung zu verschaffen, daß ich die Unerbittliche in ihrer Freundin verbinden dürfte. Sie betrachtete meine Gabe mit vor Begierde funkelnden Augen und griff darnach, nach einigem Zaudern. Die Andere sah sie strafend an und schüttelte leicht den Kopf, als sie mein Geschenk nahm.</p><lb/> <p>Sie gingen wieder, und ich unglücklicher Lord war einfältig genug, sie nicht weiter zu fragen. Erst zu Hause erwachte ich, wie aus tiefem Traum; das Bild des liebenswürdigen Mädchens schwebte mir vor, und ich hätte gern noch einmal dreißig Louisd'ors gegeben, um sie nur noch einmal zu sehen.</p><lb/> <p>Das Glück begünstigte meine Wünsche. Im théatre français sah ich meine Damen in einer Loge. Ich eilte zu ihnen und hatte die Genugthuung, von<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0016]
erbietig Platz machte. Sie handelte um ein Paar Ohrengehänge; der Juwelier bot ihr zu viel, und sie gab sie zurück. Ich bezahlte den geforderten Preis und bat sie, sie zum Andenken anzunehmen.
Sie sind sehr großmüthig, mein Herr, sagte sie erröthend und heftete ihre strahlenden Augen so forschend auf mich, daß ich vor Furcht und Vergnügen zugleich erzitterte — und diese Juwelen sind recht artig; aber wenn sie noch schöner wären, dürfte ich sie nicht von einem Unbekannten annehmen.
Ich bat vergeblich. Unwillig über diesen Widerstand wandte ich mich endlich an die Aeltere und bot ihr die Ohrengehänge an, indem ich sie ersuchte, mir wenigstens die Genugthuung zu verschaffen, daß ich die Unerbittliche in ihrer Freundin verbinden dürfte. Sie betrachtete meine Gabe mit vor Begierde funkelnden Augen und griff darnach, nach einigem Zaudern. Die Andere sah sie strafend an und schüttelte leicht den Kopf, als sie mein Geschenk nahm.
Sie gingen wieder, und ich unglücklicher Lord war einfältig genug, sie nicht weiter zu fragen. Erst zu Hause erwachte ich, wie aus tiefem Traum; das Bild des liebenswürdigen Mädchens schwebte mir vor, und ich hätte gern noch einmal dreißig Louisd'ors gegeben, um sie nur noch einmal zu sehen.
Das Glück begünstigte meine Wünsche. Im théatre français sah ich meine Damen in einer Loge. Ich eilte zu ihnen und hatte die Genugthuung, von
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