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Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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meinen Wünschen geschätzt. Die vornehme Welt schlief noch, als ich schon in den Tuilerien revierte. Meiner Kasse, aber nicht meinem Magen zum Vortheil trieb ich mein Umherlaufen, bis der Abend einbrach und Niemand zurückblieb, als elende Nachtschwärmer und Schwärmerinnen. Das ging vier Tage so fort -- es ließ sich keine Tante und Nichte blicken, und ich hätte vor Zorn und vor Sehnsucht vergehen mögen.

Schon neigte sich am fünften die Sonne, und ich verfluchte in toller Hitze mich und alle Damen in und außer Paris, als meine Ersehnte mit ihrer Sauvegarde erschien. Sie erschrak über meinen Anblick, ich weiß nicht, ob über mich selbst, oder über die Empfindungen, die sich unstreitig in meinem Gesicht ausdrückten. Ich vermochte ihnen nicht länger zu gebieten und bestürmte sie mit so ernstlichen Fragen, Bitten und Versicherungen, daß ihre vorsichtige Gelassenheit sich allmählich in Theilnahme zu verwandeln schien. Ich nahm dessen wahr, ihr den Solitair, den ich wieder am Finger hatte, anzubieten; und er saß an dem ihrigen fest, eh' sie noch die Gegengründe recht überlegen konnte.

Sie machen mich zum Kinde, sagte sie nach vergeblicher Gegenwehr; ich thue so großes Unrecht, Sie anzuhören, als diesen Diamant anzunehmen. Sie selbst aber verbinden sich eine Undankbare, die es nicht einmal ahnden lassen sollte, daß sie es wider ihren Willen ist.

meinen Wünschen geschätzt. Die vornehme Welt schlief noch, als ich schon in den Tuilerien revierte. Meiner Kasse, aber nicht meinem Magen zum Vortheil trieb ich mein Umherlaufen, bis der Abend einbrach und Niemand zurückblieb, als elende Nachtschwärmer und Schwärmerinnen. Das ging vier Tage so fort — es ließ sich keine Tante und Nichte blicken, und ich hätte vor Zorn und vor Sehnsucht vergehen mögen.

Schon neigte sich am fünften die Sonne, und ich verfluchte in toller Hitze mich und alle Damen in und außer Paris, als meine Ersehnte mit ihrer Sauvegarde erschien. Sie erschrak über meinen Anblick, ich weiß nicht, ob über mich selbst, oder über die Empfindungen, die sich unstreitig in meinem Gesicht ausdrückten. Ich vermochte ihnen nicht länger zu gebieten und bestürmte sie mit so ernstlichen Fragen, Bitten und Versicherungen, daß ihre vorsichtige Gelassenheit sich allmählich in Theilnahme zu verwandeln schien. Ich nahm dessen wahr, ihr den Solitair, den ich wieder am Finger hatte, anzubieten; und er saß an dem ihrigen fest, eh' sie noch die Gegengründe recht überlegen konnte.

Sie machen mich zum Kinde, sagte sie nach vergeblicher Gegenwehr; ich thue so großes Unrecht, Sie anzuhören, als diesen Diamant anzunehmen. Sie selbst aber verbinden sich eine Undankbare, die es nicht einmal ahnden lassen sollte, daß sie es wider ihren Willen ist.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:26:46Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:26:46Z)

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Zitationshilfe: Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/18>, abgerufen am 27.04.2024.