Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.sichere Sie, sie würde am jüngsten Gericht dem lieben Gott ins Gesicht lachen, wenn er ihr Sündenregister vorlesen ließe, und der Teufel wäre selbst doppelt verdammt, dem sie zur Verdammniß übergeben würde. Aber das schadet nicht; sie hat keine falsche Ader, und wenn Sie ihre Laune nicht durch Empfindlichkeit erbittern, werden Sie die lustigste Frau auf der Welt haben. Doch will ich mit ihr sprechen. Er that es, meines Widerspruches ungeachtet; aber ich weiß nicht, ob aus Mangel an Nachdenken, oder aus Bosheit, in Gegenwart Aller. Das Lächeln der Anwesenden, als Mr. Gerson mit vieler Paternität seine Worte vorbrachte, verkündigte mir mein Schicksal. Wie? sagte Angelique, sind die Nerven eines Nordländers so empfindlich? Sie können es nicht vertragen, daß ich hüpfend und tanzend durchs Leben gehe? Sie fassen meine Laune nicht; kein Wunder, daß Sie auch meine Liebe nicht fassen. Schöne Angelique -- Sagen Sie das meiner Schwester; ich bin die Böse, die Unausstehliche, und liebe Sie doch so zärtlich, wie irgend eine Dame ihren Mops oder ihren Papagai. Wollten Sie nicht die Rolle des Mopses übernehmen? Denn diese Thiere, bei der innigsten Liebe gegen ihre Gebieterin, knurren und beißen gern. Sie lachte und gab mir die Hand, die ich dankbar küßte. Aber es dauerte keine Viertelstunde, so marterte sie mich wieder so, daß ich hätte Blut schwitzen mögen. sichere Sie, sie würde am jüngsten Gericht dem lieben Gott ins Gesicht lachen, wenn er ihr Sündenregister vorlesen ließe, und der Teufel wäre selbst doppelt verdammt, dem sie zur Verdammniß übergeben würde. Aber das schadet nicht; sie hat keine falsche Ader, und wenn Sie ihre Laune nicht durch Empfindlichkeit erbittern, werden Sie die lustigste Frau auf der Welt haben. Doch will ich mit ihr sprechen. Er that es, meines Widerspruches ungeachtet; aber ich weiß nicht, ob aus Mangel an Nachdenken, oder aus Bosheit, in Gegenwart Aller. Das Lächeln der Anwesenden, als Mr. Gerson mit vieler Paternität seine Worte vorbrachte, verkündigte mir mein Schicksal. Wie? sagte Angelique, sind die Nerven eines Nordländers so empfindlich? Sie können es nicht vertragen, daß ich hüpfend und tanzend durchs Leben gehe? Sie fassen meine Laune nicht; kein Wunder, daß Sie auch meine Liebe nicht fassen. Schöne Angelique — Sagen Sie das meiner Schwester; ich bin die Böse, die Unausstehliche, und liebe Sie doch so zärtlich, wie irgend eine Dame ihren Mops oder ihren Papagai. Wollten Sie nicht die Rolle des Mopses übernehmen? Denn diese Thiere, bei der innigsten Liebe gegen ihre Gebieterin, knurren und beißen gern. Sie lachte und gab mir die Hand, die ich dankbar küßte. Aber es dauerte keine Viertelstunde, so marterte sie mich wieder so, daß ich hätte Blut schwitzen mögen. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="14"> <p><pb facs="#f0051"/> sichere Sie, sie würde am jüngsten Gericht dem lieben Gott ins Gesicht lachen, wenn er ihr Sündenregister vorlesen ließe, und der Teufel wäre selbst doppelt verdammt, dem sie zur Verdammniß übergeben würde. Aber das schadet nicht; sie hat keine falsche Ader, und wenn Sie ihre Laune nicht durch Empfindlichkeit erbittern, werden Sie die lustigste Frau auf der Welt haben. Doch will ich mit ihr sprechen.</p><lb/> <p>Er that es, meines Widerspruches ungeachtet; aber ich weiß nicht, ob aus Mangel an Nachdenken, oder aus Bosheit, in Gegenwart Aller. Das Lächeln der Anwesenden, als Mr. Gerson mit vieler Paternität seine Worte vorbrachte, verkündigte mir mein Schicksal.</p><lb/> <p>Wie? sagte Angelique, sind die Nerven eines Nordländers so empfindlich? Sie können es nicht vertragen, daß ich hüpfend und tanzend durchs Leben gehe? Sie fassen meine Laune nicht; kein Wunder, daß Sie auch meine Liebe nicht fassen.</p><lb/> <p>Schöne Angelique —</p><lb/> <p>Sagen Sie das meiner Schwester; ich bin die Böse, die Unausstehliche, und liebe Sie doch so zärtlich, wie irgend eine Dame ihren Mops oder ihren Papagai.</p><lb/> <p>Wollten Sie nicht die Rolle des Mopses übernehmen? Denn diese Thiere, bei der innigsten Liebe gegen ihre Gebieterin, knurren und beißen gern.</p><lb/> <p>Sie lachte und gab mir die Hand, die ich dankbar küßte. Aber es dauerte keine Viertelstunde, so marterte sie mich wieder so, daß ich hätte Blut schwitzen mögen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0051]
sichere Sie, sie würde am jüngsten Gericht dem lieben Gott ins Gesicht lachen, wenn er ihr Sündenregister vorlesen ließe, und der Teufel wäre selbst doppelt verdammt, dem sie zur Verdammniß übergeben würde. Aber das schadet nicht; sie hat keine falsche Ader, und wenn Sie ihre Laune nicht durch Empfindlichkeit erbittern, werden Sie die lustigste Frau auf der Welt haben. Doch will ich mit ihr sprechen.
Er that es, meines Widerspruches ungeachtet; aber ich weiß nicht, ob aus Mangel an Nachdenken, oder aus Bosheit, in Gegenwart Aller. Das Lächeln der Anwesenden, als Mr. Gerson mit vieler Paternität seine Worte vorbrachte, verkündigte mir mein Schicksal.
Wie? sagte Angelique, sind die Nerven eines Nordländers so empfindlich? Sie können es nicht vertragen, daß ich hüpfend und tanzend durchs Leben gehe? Sie fassen meine Laune nicht; kein Wunder, daß Sie auch meine Liebe nicht fassen.
Schöne Angelique —
Sagen Sie das meiner Schwester; ich bin die Böse, die Unausstehliche, und liebe Sie doch so zärtlich, wie irgend eine Dame ihren Mops oder ihren Papagai.
Wollten Sie nicht die Rolle des Mopses übernehmen? Denn diese Thiere, bei der innigsten Liebe gegen ihre Gebieterin, knurren und beißen gern.
Sie lachte und gab mir die Hand, die ich dankbar küßte. Aber es dauerte keine Viertelstunde, so marterte sie mich wieder so, daß ich hätte Blut schwitzen mögen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/51 |
Zitationshilfe: | Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/51>, abgerufen am 16.07.2024. |