mer an, aber aus Nordost gen Ost. Wir fanden sieben und dreißig Klaftern Tiefe, und wandten uns gen Ost-Südost. Die Mittagssonne zeigte uns die Höhe von 29 Gr. 50 Min. Diesen Abend um 9 Uhr flohe uns eine sinesische Junke mit vollem Wind und Se- geln vorbei, und suchte einen Hafen. Die Schiffer dieser Küste wissen aus sichern Zei- chen, wenn ein gefährlicher Sturm bevorsteht; und pflegen dann zeitig genug in dem näch- sten Hafen Schuz zu suchen.
Den 28sten Aug. nahm der Sturm so gewaltig zu, daß wir noch vor Abend genö- thigt waren, unsere Ruder anzubinden, und das Schif mit angezogenem großem Segel und Ba- sahn (oder Fokmast) treiben zu lassen. Man hatte uns Cajan (eine Art von indischen Wicken) und Reis in Wasser gesotten, zur Mahlzeit auf die Erde gesezt. Aber das Schif war beständig in so heftiger Bewegung, daß nur zwei Steuerleute, welche die Schüs- sel fest hielten, in gröster Eil etwas zu sich nehmen konten. Wir andern musten auf den Vieren davon kriechen, um uns auf diese Art nur zu retten. Wir fanden diesen Abend eine Tiefe von sechs und funfzig Klaftern.
Den 29sten August. Der Wind war während der Nacht ein wütender, heftiger Sturm geworden; die Bewegung des Schifs war daher unerträglich, und man konte schlechterdings nicht mehr aufrecht sich halten. Man versuchte dagegen das Ruder zu ge- brauchen, aber die Nacht nöthigte uns bald wieder beizulegen. Hierdurch war uns aber wenig geholfen. Denn der Sturm sties mit großen Wellen so gewaltig auf unser Schif, daß wir noch vor Tage die beigelegten und schon durchlöcherten Segel wieder einnehmen, das Ruder anbinden und unser nackendes Schif der Discretion zweier wütender Elemente überlassen musten. Das Einnehmen der Segel gieng noch zu aller Verwunderung sehr gut von statten, man hatte sich aber auch gerade eines güklichen Augenbliks dazu bedienet. Sturm und Wellen fuhren aber nun immer fort so sehr zu wachsen, daß von dem grausa- men Wanken des Schifs alles über einen Haufen zu fallen drohte. Die Krampen, wo- mit die Kisten befestigt sind, sprangen aus; die Stricke zerrissen, und das Geräthe des Schifs schwebte von einer Seite zur andern. Man beschlos die Basahne beizubringen, aber sie faßte noch in den Händen der Matrosen Wind und zerris in Stücken. Die Luft war bei diesem Zustand dunkel und vol Wasser; ich weis nicht, ob allein vom Regen oder von gebrochenen Seewellen, welche der Wind mit der Luft vermischte. Man konte nur ei- ne halbe Schifslänge weit sehen, und bei dem Gerassel der See, der Winde und des Schifs schlechterdings keiner des andern Wort vernehmen. Die Wellen fielen wie Berge über uns, schlugen unaufhörlich die Thüren auf, und durch die Gallerie in die Cajute, wo alles mit Wasser ganz angefült wurde. Auch fing endlich das Schif an zu rinnen und wurde der- maßen lek, daß man das Wasser mit Zubern (Beljen) austragen, und die bisher bestän- dig gehende Pumpe noch durch eine andere unterstützen muste. Unter diesem Lärmen ver-
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Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch.
mer an, aber aus Nordoſt gen Oſt. Wir fanden ſieben und dreißig Klaftern Tiefe, und wandten uns gen Oſt-Suͤdoſt. Die Mittagsſonne zeigte uns die Hoͤhe von 29 Gr. 50 Min. Dieſen Abend um 9 Uhr flohe uns eine ſineſiſche Junke mit vollem Wind und Se- geln vorbei, und ſuchte einen Hafen. Die Schiffer dieſer Kuͤſte wiſſen aus ſichern Zei- chen, wenn ein gefaͤhrlicher Sturm bevorſteht; und pflegen dann zeitig genug in dem naͤch- ſten Hafen Schuz zu ſuchen.
Den 28ſten Aug. nahm der Sturm ſo gewaltig zu, daß wir noch vor Abend genoͤ- thigt waren, unſere Ruder anzubinden, und das Schif mit angezogenem großem Segel und Ba- ſahn (oder Fokmaſt) treiben zu laſſen. Man hatte uns Cajan (eine Art von indiſchen Wicken) und Reis in Waſſer geſotten, zur Mahlzeit auf die Erde geſezt. Aber das Schif war beſtaͤndig in ſo heftiger Bewegung, daß nur zwei Steuerleute, welche die Schuͤſ- ſel feſt hielten, in groͤſter Eil etwas zu ſich nehmen konten. Wir andern muſten auf den Vieren davon kriechen, um uns auf dieſe Art nur zu retten. Wir fanden dieſen Abend eine Tiefe von ſechs und funfzig Klaftern.
Den 29ſten Auguſt. Der Wind war waͤhrend der Nacht ein wuͤtender, heftiger Sturm geworden; die Bewegung des Schifs war daher unertraͤglich, und man konte ſchlechterdings nicht mehr aufrecht ſich halten. Man verſuchte dagegen das Ruder zu ge- brauchen, aber die Nacht noͤthigte uns bald wieder beizulegen. Hierdurch war uns aber wenig geholfen. Denn der Sturm ſties mit großen Wellen ſo gewaltig auf unſer Schif, daß wir noch vor Tage die beigelegten und ſchon durchloͤcherten Segel wieder einnehmen, das Ruder anbinden und unſer nackendes Schif der Diſcretion zweier wuͤtender Elemente uͤberlaſſen muſten. Das Einnehmen der Segel gieng noch zu aller Verwunderung ſehr gut von ſtatten, man hatte ſich aber auch gerade eines guͤklichen Augenbliks dazu bedienet. Sturm und Wellen fuhren aber nun immer fort ſo ſehr zu wachſen, daß von dem grauſa- men Wanken des Schifs alles uͤber einen Haufen zu fallen drohte. Die Krampen, wo- mit die Kiſten befeſtigt ſind, ſprangen aus; die Stricke zerriſſen, und das Geraͤthe des Schifs ſchwebte von einer Seite zur andern. Man beſchlos die Baſahne beizubringen, aber ſie faßte noch in den Haͤnden der Matroſen Wind und zerris in Stuͤcken. Die Luft war bei dieſem Zuſtand dunkel und vol Waſſer; ich weis nicht, ob allein vom Regen oder von gebrochenen Seewellen, welche der Wind mit der Luft vermiſchte. Man konte nur ei- ne halbe Schifslaͤnge weit ſehen, und bei dem Geraſſel der See, der Winde und des Schifs ſchlechterdings keiner des andern Wort vernehmen. Die Wellen fielen wie Berge uͤber uns, ſchlugen unaufhoͤrlich die Thuͤren auf, und durch die Gallerie in die Cajute, wo alles mit Waſſer ganz angefuͤlt wurde. Auch fing endlich das Schif an zu rinnen und wurde der- maßen lek, daß man das Waſſer mit Zubern (Beljen) austragen, und die bisher beſtaͤn- dig gehende Pumpe noch durch eine andere unterſtuͤtzen muſte. Unter dieſem Laͤrmen ver-
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Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch.
mer an, aber aus Nordoſt gen Oſt. Wir fanden ſieben und dreißig Klaftern Tiefe, und
wandten uns gen Oſt-Suͤdoſt. Die Mittagsſonne zeigte uns die Hoͤhe von 29 Gr. 50
Min. Dieſen Abend um 9 Uhr flohe uns eine ſineſiſche Junke mit vollem Wind und Se-
geln vorbei, und ſuchte einen Hafen. Die Schiffer dieſer Kuͤſte wiſſen aus ſichern Zei-
chen, wenn ein gefaͤhrlicher Sturm bevorſteht; und pflegen dann zeitig genug in dem naͤch-
ſten Hafen Schuz zu ſuchen.
Den 28ſten Aug. nahm der Sturm ſo gewaltig zu, daß wir noch vor Abend genoͤ-
thigt waren, unſere Ruder anzubinden, und das Schif mit angezogenem großem Segel und Ba-
ſahn (oder Fokmaſt) treiben zu laſſen. Man hatte uns Cajan (eine Art von indiſchen
Wicken) und Reis in Waſſer geſotten, zur Mahlzeit auf die Erde geſezt. Aber das
Schif war beſtaͤndig in ſo heftiger Bewegung, daß nur zwei Steuerleute, welche die Schuͤſ-
ſel feſt hielten, in groͤſter Eil etwas zu ſich nehmen konten. Wir andern muſten auf den
Vieren davon kriechen, um uns auf dieſe Art nur zu retten. Wir fanden dieſen Abend
eine Tiefe von ſechs und funfzig Klaftern.
Den 29ſten Auguſt. Der Wind war waͤhrend der Nacht ein wuͤtender, heftiger
Sturm geworden; die Bewegung des Schifs war daher unertraͤglich, und man konte
ſchlechterdings nicht mehr aufrecht ſich halten. Man verſuchte dagegen das Ruder zu ge-
brauchen, aber die Nacht noͤthigte uns bald wieder beizulegen. Hierdurch war uns aber
wenig geholfen. Denn der Sturm ſties mit großen Wellen ſo gewaltig auf unſer Schif,
daß wir noch vor Tage die beigelegten und ſchon durchloͤcherten Segel wieder einnehmen,
das Ruder anbinden und unſer nackendes Schif der Diſcretion zweier wuͤtender Elemente
uͤberlaſſen muſten. Das Einnehmen der Segel gieng noch zu aller Verwunderung ſehr
gut von ſtatten, man hatte ſich aber auch gerade eines guͤklichen Augenbliks dazu bedienet.
Sturm und Wellen fuhren aber nun immer fort ſo ſehr zu wachſen, daß von dem grauſa-
men Wanken des Schifs alles uͤber einen Haufen zu fallen drohte. Die Krampen, wo-
mit die Kiſten befeſtigt ſind, ſprangen aus; die Stricke zerriſſen, und das Geraͤthe des
Schifs ſchwebte von einer Seite zur andern. Man beſchlos die Baſahne beizubringen,
aber ſie faßte noch in den Haͤnden der Matroſen Wind und zerris in Stuͤcken. Die Luft
war bei dieſem Zuſtand dunkel und vol Waſſer; ich weis nicht, ob allein vom Regen oder
von gebrochenen Seewellen, welche der Wind mit der Luft vermiſchte. Man konte nur ei-
ne halbe Schifslaͤnge weit ſehen, und bei dem Geraſſel der See, der Winde und des Schifs
ſchlechterdings keiner des andern Wort vernehmen. Die Wellen fielen wie Berge uͤber uns,
ſchlugen unaufhoͤrlich die Thuͤren auf, und durch die Gallerie in die Cajute, wo alles mit
Waſſer ganz angefuͤlt wurde. Auch fing endlich das Schif an zu rinnen und wurde der-
maßen lek, daß man das Waſſer mit Zubern (Beljen) austragen, und die bisher beſtaͤn-
dig gehende Pumpe noch durch eine andere unterſtuͤtzen muſte. Unter dieſem Laͤrmen ver-
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/152>, abgerufen am 16.02.2025.
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