Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.Kämpfers Geschichte von Japan. Erstes Buch. aber der angeblichen Verschwörung in keinem sinesischen oder japanischen Schriftsteller er-wähnt ist, Linschoot auch gar nicht angiebt, wo er sie hergenommen habe; so ist sie natürlich blos für eine Fabel zu halten, die schlechterdings keinen Glauben verdient. Die zweite Geschichte wird hingegen von den Japanern selbst gar nicht geläugnet, Dieser Sikwo nun wolte sein herliches Leben nicht gern verlassen, sondern lies Es ist eine ganz unstreitige Wahrheit, daß die Sprachen und deren Eigenthüm- voni-
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch. aber der angeblichen Verſchwoͤrung in keinem ſineſiſchen oder japaniſchen Schriftſteller er-waͤhnt iſt, Linſchoot auch gar nicht angiebt, wo er ſie hergenommen habe; ſo iſt ſie natuͤrlich blos fuͤr eine Fabel zu halten, die ſchlechterdings keinen Glauben verdient. Die zweite Geſchichte wird hingegen von den Japanern ſelbſt gar nicht gelaͤugnet, Dieſer Sikwo nun wolte ſein herliches Leben nicht gern verlaſſen, ſondern lies Es iſt eine ganz unſtreitige Wahrheit, daß die Sprachen und deren Eigenthuͤm- voni-
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Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch.
aber der angeblichen Verſchwoͤrung in keinem ſineſiſchen oder japaniſchen Schriftſteller er-
waͤhnt iſt, Linſchoot auch gar nicht angiebt, wo er ſie hergenommen habe; ſo iſt ſie
natuͤrlich blos fuͤr eine Fabel zu halten, die ſchlechterdings keinen Glauben verdient.
Die zweite Geſchichte wird hingegen von den Japanern ſelbſt gar nicht gelaͤugnet,
ſie zeigen noch jezt einen Ort in Khumano (d. i. das ſuͤdliche Ufer von Kunokuni und den
zunaͤchſt angraͤnzenden Landſchaften) wo dieſer Arzt mit ſeinen jungen Gaͤſten ſich ſol nieder-
gelaſſen haben. Man zeigt daſelbſt auch noch einen Ehrentempel, der ihm zum Gedaͤcht-
nis errichtet worden, weil er ihnen viele Wiſſenſchaften und buͤrgerliche Kuͤnſte uͤberbracht
habe. Jch finde in der japaniſchen Chronik keine andre Aufſuchung der Arznei der Un-
ſterblichkeit erwaͤhnt, als diejenige, welche der Kaiſer von Sina Si oder Sikwo oder
nach der gemeinen Ausſprache Sinoſikwo hat thun laſſen. Dieſer Kaiſer iſt einer von
den drei ſineſiſchen Nerons, welche unter den Namen Sinorko, Ketzuwo, und Thu-
wo algemein bekant und verabſcheuet ſind. Er verband mit ſeiner Tirannei noch ganz un-
glaublichen Uebermuth und Pracht. Er lies z. B. einmal eine große See ausgraben und
dieſelbe ganz mit ſineſiſchem Bier anfuͤllen, auf dem er dann in ſtatlichen Fahrzeugen einher-
fuhr. So bauete er ſich auch ein praͤchtiges Schlos, das Konjacku hies, deſſen Eſtrich
mit Gold und Silber bedekt und ſo gros im Umfang war, daß wie der Kaiſer Kool, (der
ſeinen Enkel vom Throne ſties und dieſe ganze Familie ausrottete,) es anzuͤnden lies, noch
drei Monate, wie man ſagte, verfloſſen, da dieſes Schlos beſtaͤndig in der Aſche fortbrante.
Dieſe Geſchichte hat in Japan auch noch zu einem ewigen Sprichworte von vergaͤnglicher
Pracht Anlas gegeben.
Dieſer Sikwo nun wolte ſein herliches Leben nicht gern verlaſſen, ſondern lies
die Arznei der Unſterblichkeit an allen Orten aufſuchen. Solte aber nun auch unter eben
dieſem Kaiſer der Leibarzt in dieſer Abſicht mit ſeiner jungen Colonie nach Japan gekom-
men ſeyn; ſo mus man den Japanern billig zugeſtehn, daß er viel zu ſpaͤt gekommen ſey,
ihre Nation zu ſtiften. Denn ſie wurden damals ſchon von Koken, ihrem achten Mo-
narchen, beherſcht, in deſſen ſiebtem Regierungsjahr die erwaͤhnte Geſchichte aufgezeichnet iſt.
Dies iſt das Jahr 453 nach Sijn Mu, dem erſten japaniſchen Kaiſer, und das Jahr
209 vor Chriſti Geburt. Jn eben dem Jahre ſtarb auch noch der ſineſiſche Tiran im funf-
zigſten ſeines Alters.
Es iſt eine ganz unſtreitige Wahrheit, daß die Sprachen und deren Eigenthuͤm-
lichkeiten das ſicherſte und untruͤglichſte Mittel ſind, dem Urſprunge und den aͤlteſten Zuſam-
menfuͤgungen der verſchiednen Nationen nachzuſpuͤren. Man wird die Erfahrung hievon
ſehr leicht machen koͤnnen, wenn man bei verſchiednen Voͤlkern bis auf ihre erſte Entſtehung
zuruͤk geht. Bei den Pohlen, Boͤhmen und Ruſſen beweiſt ihre gemeinſchaftliche ſla-
voni-
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