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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Erstes Buch.
fremder Worte würden haben erhalten können. Dies sucht man an den Sprachen aller
europäischen und auch der asiatischen Völker, welche an der Westseite des Jndus woh-
nen. Man findet keine derselben rein und ohne Zusaz fremder Worte auch oft weit entleg-
ner Nationen. Hat also unsre japanische Nation diesen äußersten Winkel der Erde eben
so bald und glüklich, wie der Sineser, Tunkiner und Siamer das ihnen von Gott bestimte
Land aufgefunden und erreicht; so ist zu vermuthen, daß sie auf einen solchen Weg und
Landstrich bei ihrer Wanderung müsse gekommen seyn, der sie grade und bald an die öst-
lichste Gränze von Asien brachte und ihr daselbst dann den ferneren Weg zu dieser großen
Jnsel vor Augen legte.

Um nun diesem Wege einigermaßen nachzuspüren, muß man sich denken, Erst-
lich, daß bei der ersten Volksvertheilung, unter denen in ihrer Sprache verwirten und in
ihrer Sprache uneinigen Menschen natürlicherweise ein eifersüchtiges Bestreben eintreten
muste; da jeder Haufe nicht nur die besten und nahrhaftesten Länder zu erhalten suchte, sondern
auch solche, die durch ihre Lage am Meer oder zwischen großen Flüssen oder Gebürgen ihnen
die sichersten schienen, um sich in derselben beständigem und erblichem Besitz zu erhalten.
Die etwas entlegnern Länder schienen hierin auch einen Vorzug vor den nähern zu haben.
Aus diesem lezterm Grunde kan man vermuthen, daß die am weitsten entlegne Länder,
wenn sie nur einen gemäßigten Himmelsstrich hatten, wahrscheinlich nicht zulezt ihre Be-
wohner erhielten. Dies findet dann auch bei Japan stat, welches zwischen 30 und 40 Grad
N. Br. liegt und also ein unvergleichliches Clima haben mus. Zweitens glaub ich, muß
man annehmen, daß diese landsuchende Menschen besonders solchen Wegen nachgespürt
haben, die ihnen Nahrung für Menschen und Vieh anboten. Und hier war nun das na-
türlichste, dem Ufer fischreicher Seen besonders aber großer Flüsse entweder aufwärts oder
abwärts nachzugehn, weil diese den Menschen ihre Fische zur Speise, ihre grünen Ufer dem
Vieh zur Weide und beiden ihr Wasser zum Getränk anbieten. Wahrscheinlich folgten
diese ersten Wanderer solchen Flüssen so lange nach, bis sie ein Land fanden, wie sie es
wünschten und wo sie sich sicher niederlassen und aufhalten konten.

Da nun die Menschen nach der babylonischen Sprachverwirrung sich in verschiedne
Geselschaften vertheilten, und nach allen Seiten in die unbewohnte Welt hineinreiseten, um
sie zu bevölkern, so war nichts natürlicher, als daß sehr zahlreiche Haufen von Menschen
sich nach den nordwärts gelegnen fischreichen beiden Meeren, dem kaspischen und dem schwar-
zen
wandten. Und so bekamen also die hyrkanischen Gründe zwischen dem Kaukasus
und kaspischem Meere, als die anlockendsten Gegenden von ganz Persien, zuerst ihre Be-
wohner; auf diese folgten ohne Zweifel zuerst die gesegneten Länder zwischen den beiden Mee-
ren. Andre Haufen, die an dem Seeufer bis zu den Mündungen der beiden großen Flüsse

Tanais

Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch.
fremder Worte wuͤrden haben erhalten koͤnnen. Dies ſucht man an den Sprachen aller
europaͤiſchen und auch der aſiatiſchen Voͤlker, welche an der Weſtſeite des Jndus woh-
nen. Man findet keine derſelben rein und ohne Zuſaz fremder Worte auch oft weit entleg-
ner Nationen. Hat alſo unſre japaniſche Nation dieſen aͤußerſten Winkel der Erde eben
ſo bald und gluͤklich, wie der Sineſer, Tunkiner und Siamer das ihnen von Gott beſtimte
Land aufgefunden und erreicht; ſo iſt zu vermuthen, daß ſie auf einen ſolchen Weg und
Landſtrich bei ihrer Wanderung muͤſſe gekommen ſeyn, der ſie grade und bald an die oͤſt-
lichſte Graͤnze von Aſien brachte und ihr daſelbſt dann den ferneren Weg zu dieſer großen
Jnſel vor Augen legte.

Um nun dieſem Wege einigermaßen nachzuſpuͤren, muß man ſich denken, Erſt-
lich, daß bei der erſten Volksvertheilung, unter denen in ihrer Sprache verwirten und in
ihrer Sprache uneinigen Menſchen natuͤrlicherweiſe ein eiferſuͤchtiges Beſtreben eintreten
muſte; da jeder Haufe nicht nur die beſten und nahrhafteſten Laͤnder zu erhalten ſuchte, ſondern
auch ſolche, die durch ihre Lage am Meer oder zwiſchen großen Fluͤſſen oder Gebuͤrgen ihnen
die ſicherſten ſchienen, um ſich in derſelben beſtaͤndigem und erblichem Beſitz zu erhalten.
Die etwas entlegnern Laͤnder ſchienen hierin auch einen Vorzug vor den naͤhern zu haben.
Aus dieſem lezterm Grunde kan man vermuthen, daß die am weitſten entlegne Laͤnder,
wenn ſie nur einen gemaͤßigten Himmelsſtrich hatten, wahrſcheinlich nicht zulezt ihre Be-
wohner erhielten. Dies findet dann auch bei Japan ſtat, welches zwiſchen 30 und 40 Grad
N. Br. liegt und alſo ein unvergleichliches Clima haben mus. Zweitens glaub ich, muß
man annehmen, daß dieſe landſuchende Menſchen beſonders ſolchen Wegen nachgeſpuͤrt
haben, die ihnen Nahrung fuͤr Menſchen und Vieh anboten. Und hier war nun das na-
tuͤrlichſte, dem Ufer fiſchreicher Seen beſonders aber großer Fluͤſſe entweder aufwaͤrts oder
abwaͤrts nachzugehn, weil dieſe den Menſchen ihre Fiſche zur Speiſe, ihre gruͤnen Ufer dem
Vieh zur Weide und beiden ihr Waſſer zum Getraͤnk anbieten. Wahrſcheinlich folgten
dieſe erſten Wanderer ſolchen Fluͤſſen ſo lange nach, bis ſie ein Land fanden, wie ſie es
wuͤnſchten und wo ſie ſich ſicher niederlaſſen und aufhalten konten.

Da nun die Menſchen nach der babyloniſchen Sprachverwirrung ſich in verſchiedne
Geſelſchaften vertheilten, und nach allen Seiten in die unbewohnte Welt hineinreiſeten, um
ſie zu bevoͤlkern, ſo war nichts natuͤrlicher, als daß ſehr zahlreiche Haufen von Menſchen
ſich nach den nordwaͤrts gelegnen fiſchreichen beiden Meeren, dem kaſpiſchen und dem ſchwar-
zen
wandten. Und ſo bekamen alſo die hyrkaniſchen Gruͤnde zwiſchen dem Kaukaſus
und kaſpiſchem Meere, als die anlockendſten Gegenden von ganz Perſien, zuerſt ihre Be-
wohner; auf dieſe folgten ohne Zweifel zuerſt die geſegneten Laͤnder zwiſchen den beiden Mee-
ren. Andre Haufen, die an dem Seeufer bis zu den Muͤndungen der beiden großen Fluͤſſe

Tanais
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[102/0190] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch. fremder Worte wuͤrden haben erhalten koͤnnen. Dies ſucht man an den Sprachen aller europaͤiſchen und auch der aſiatiſchen Voͤlker, welche an der Weſtſeite des Jndus woh- nen. Man findet keine derſelben rein und ohne Zuſaz fremder Worte auch oft weit entleg- ner Nationen. Hat alſo unſre japaniſche Nation dieſen aͤußerſten Winkel der Erde eben ſo bald und gluͤklich, wie der Sineſer, Tunkiner und Siamer das ihnen von Gott beſtimte Land aufgefunden und erreicht; ſo iſt zu vermuthen, daß ſie auf einen ſolchen Weg und Landſtrich bei ihrer Wanderung muͤſſe gekommen ſeyn, der ſie grade und bald an die oͤſt- lichſte Graͤnze von Aſien brachte und ihr daſelbſt dann den ferneren Weg zu dieſer großen Jnſel vor Augen legte. Um nun dieſem Wege einigermaßen nachzuſpuͤren, muß man ſich denken, Erſt- lich, daß bei der erſten Volksvertheilung, unter denen in ihrer Sprache verwirten und in ihrer Sprache uneinigen Menſchen natuͤrlicherweiſe ein eiferſuͤchtiges Beſtreben eintreten muſte; da jeder Haufe nicht nur die beſten und nahrhafteſten Laͤnder zu erhalten ſuchte, ſondern auch ſolche, die durch ihre Lage am Meer oder zwiſchen großen Fluͤſſen oder Gebuͤrgen ihnen die ſicherſten ſchienen, um ſich in derſelben beſtaͤndigem und erblichem Beſitz zu erhalten. Die etwas entlegnern Laͤnder ſchienen hierin auch einen Vorzug vor den naͤhern zu haben. Aus dieſem lezterm Grunde kan man vermuthen, daß die am weitſten entlegne Laͤnder, wenn ſie nur einen gemaͤßigten Himmelsſtrich hatten, wahrſcheinlich nicht zulezt ihre Be- wohner erhielten. Dies findet dann auch bei Japan ſtat, welches zwiſchen 30 und 40 Grad N. Br. liegt und alſo ein unvergleichliches Clima haben mus. Zweitens glaub ich, muß man annehmen, daß dieſe landſuchende Menſchen beſonders ſolchen Wegen nachgeſpuͤrt haben, die ihnen Nahrung fuͤr Menſchen und Vieh anboten. Und hier war nun das na- tuͤrlichſte, dem Ufer fiſchreicher Seen beſonders aber großer Fluͤſſe entweder aufwaͤrts oder abwaͤrts nachzugehn, weil dieſe den Menſchen ihre Fiſche zur Speiſe, ihre gruͤnen Ufer dem Vieh zur Weide und beiden ihr Waſſer zum Getraͤnk anbieten. Wahrſcheinlich folgten dieſe erſten Wanderer ſolchen Fluͤſſen ſo lange nach, bis ſie ein Land fanden, wie ſie es wuͤnſchten und wo ſie ſich ſicher niederlaſſen und aufhalten konten. Da nun die Menſchen nach der babyloniſchen Sprachverwirrung ſich in verſchiedne Geſelſchaften vertheilten, und nach allen Seiten in die unbewohnte Welt hineinreiſeten, um ſie zu bevoͤlkern, ſo war nichts natuͤrlicher, als daß ſehr zahlreiche Haufen von Menſchen ſich nach den nordwaͤrts gelegnen fiſchreichen beiden Meeren, dem kaſpiſchen und dem ſchwar- zen wandten. Und ſo bekamen alſo die hyrkaniſchen Gruͤnde zwiſchen dem Kaukaſus und kaſpiſchem Meere, als die anlockendſten Gegenden von ganz Perſien, zuerſt ihre Be- wohner; auf dieſe folgten ohne Zweifel zuerſt die geſegneten Laͤnder zwiſchen den beiden Mee- ren. Andre Haufen, die an dem Seeufer bis zu den Muͤndungen der beiden großen Fluͤſſe Tanais

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/190>, abgerufen am 21.11.2024.