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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Erstes Buch.
hieher rechnen. Und endlich sind noch eben dieses Ursprungs diejenigen Haufen, welche der
große Sieger und Held Sinchis Chan (der nur nicht so berühmt ist, wie Alexander, weil
er nicht das Glük hatte einen Plutarch oder Curtius zum Geschichtschreiber zu bekommen)
in einem Feldzuge nach Pohlen aussandte, welche, da ihre Unternehmung unglüklich aus-
fiel, lieber diesen damals noch unbewohnten Pontus zu ihrem Aufenthalt erwählen, als ohne
Ehre in ihr Vaterland zurükkehren wolten. Jch erwähne, um mich nicht zu weit zu ver-
lieren, vieler andern Colonien nicht, welche unter fremde Völker in den angränzenden und
besonders nordlichen Landen gerathen sind, und deren Geburt durch die fremden Namen,
die sie jezt führen, längst in Vergessenheit gerathen seyn würde, wenn die noch übrig geblie-
benen Worte der alten Muttersprache das Gedächtnis ihres Herkommens nicht noch immer
erhielten. So war der weltbekante Tamerlan ein usbekischer Skythe; und selbst der
große Mogul, die ottomannischen Kaiser und die sophischen*) Könige sind dieses
Geschlechts.

Wir wollen uns auch nicht weiter um die Völker bekümmern, die den fischreichen
Flus Jaik hinaufgiengen, oder die die Quelle des großen Oby fanden, und an diesem
Strohme hinunterwanderten. Wir kommen vielmehr unsrer Absicht näher, und wenden
uns zu denen Völkern, welche sich in die östlichen Länder begaben. Hier wollen wir auch
weiter nicht untersuchen, welchen Weg die Sineser dahin genommen haben mögen. Vom
kaspischen Meer bis an die Gränzen ihres Reichs darf man nur sechs Monate reisen.
Jürgen Anderson**) scheint wenigstens mit seiner auf diesem Wege 1647 unternomme-
nen Reise nicht länger zugebracht zu haben. Zween tatarische Kaufleute haben mir in
Astrakan folgende Beschreibung ihrer nach Sina gemachten Reise gegeben.

Sie
[Spaltenumbruch] taren nicht an der linken sondern an der rechten
Seite des Dnepr's, also zwischen diesem letztern
Flusse und dem Don wohnen. Doch mus dieses
weder Scheuchzern noch dem französischen Ueberse-
tzer eingefallen seyn, weil sie beide ohne Anftand die
Donau beibehalten haben.
*) [Spaltenumbruch]
Dies Wort ist in meinen beiden Hand-
schriften etwas undeutlich geschrieben; vermuthlich
fand es Scheuchzer in der seinigen eben so, und
machte daher einen King of sopra daraus. Jch
[Spaltenumbruch] glaube aber mit gutem Recht anzunehmen, daß
Kämpfer hier keine andre Monarchen als die So-
phis von Persien im Sinne hatte, weil ich schon
anders woher weis, daß K. dieses Königsgeschlecht
von den Turkmannen ableitete, und also auch
ganz natürlich hier an dasselbe sich erinnern muste.
S. KaempferiAmoenitates Exoticae, Fasc. 1. pag. 12.
**) nicht Jagen Andasen, wie die englische
Uebersetzung hat.

Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch.
hieher rechnen. Und endlich ſind noch eben dieſes Urſprungs diejenigen Haufen, welche der
große Sieger und Held Sinchis Chan (der nur nicht ſo beruͤhmt iſt, wie Alexander, weil
er nicht das Gluͤk hatte einen Plutarch oder Curtius zum Geſchichtſchreiber zu bekommen)
in einem Feldzuge nach Pohlen ausſandte, welche, da ihre Unternehmung ungluͤklich aus-
fiel, lieber dieſen damals noch unbewohnten Pontus zu ihrem Aufenthalt erwaͤhlen, als ohne
Ehre in ihr Vaterland zuruͤkkehren wolten. Jch erwaͤhne, um mich nicht zu weit zu ver-
lieren, vieler andern Colonien nicht, welche unter fremde Voͤlker in den angraͤnzenden und
beſonders nordlichen Landen gerathen ſind, und deren Geburt durch die fremden Namen,
die ſie jezt fuͤhren, laͤngſt in Vergeſſenheit gerathen ſeyn wuͤrde, wenn die noch uͤbrig geblie-
benen Worte der alten Mutterſprache das Gedaͤchtnis ihres Herkommens nicht noch immer
erhielten. So war der weltbekante Tamerlan ein usbekiſcher Skythe; und ſelbſt der
große Mogul, die ottomanniſchen Kaiſer und die ſophiſchen*) Koͤnige ſind dieſes
Geſchlechts.

Wir wollen uns auch nicht weiter um die Voͤlker bekuͤmmern, die den fiſchreichen
Flus Jaik hinaufgiengen, oder die die Quelle des großen Oby fanden, und an dieſem
Strohme hinunterwanderten. Wir kommen vielmehr unſrer Abſicht naͤher, und wenden
uns zu denen Voͤlkern, welche ſich in die oͤſtlichen Laͤnder begaben. Hier wollen wir auch
weiter nicht unterſuchen, welchen Weg die Sineſer dahin genommen haben moͤgen. Vom
kaſpiſchen Meer bis an die Graͤnzen ihres Reichs darf man nur ſechs Monate reiſen.
Juͤrgen Anderſon**) ſcheint wenigſtens mit ſeiner auf dieſem Wege 1647 unternomme-
nen Reiſe nicht laͤnger zugebracht zu haben. Zween tatariſche Kaufleute haben mir in
Aſtrakan folgende Beſchreibung ihrer nach Sina gemachten Reiſe gegeben.

Sie
[Spaltenumbruch] taren nicht an der linken ſondern an der rechten
Seite des Dnepr’s, alſo zwiſchen dieſem letztern
Fluſſe und dem Don wohnen. Doch mus dieſes
weder Scheuchzern noch dem franzoͤſiſchen Ueberſe-
tzer eingefallen ſeyn, weil ſie beide ohne Anftand die
Donau beibehalten haben.
*) [Spaltenumbruch]
Dies Wort iſt in meinen beiden Hand-
ſchriften etwas undeutlich geſchrieben; vermuthlich
fand es Scheuchzer in der ſeinigen eben ſo, und
machte daher einen King of ſopra daraus. Jch
[Spaltenumbruch] glaube aber mit gutem Recht anzunehmen, daß
Kaͤmpfer hier keine andre Monarchen als die So-
phis von Perſien im Sinne hatte, weil ich ſchon
anders woher weis, daß K. dieſes Koͤnigsgeſchlecht
von den Turkmannen ableitete, und alſo auch
ganz natuͤrlich hier an daſſelbe ſich erinnern muſte.
S. KaempferiAmoenitates Exoticae, Faſc. 1. pag. 12.
**) nicht Jagen Andaſen, wie die engliſche
Ueberſetzung hat.
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[104/0192] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch. hieher rechnen. Und endlich ſind noch eben dieſes Urſprungs diejenigen Haufen, welche der große Sieger und Held Sinchis Chan (der nur nicht ſo beruͤhmt iſt, wie Alexander, weil er nicht das Gluͤk hatte einen Plutarch oder Curtius zum Geſchichtſchreiber zu bekommen) in einem Feldzuge nach Pohlen ausſandte, welche, da ihre Unternehmung ungluͤklich aus- fiel, lieber dieſen damals noch unbewohnten Pontus zu ihrem Aufenthalt erwaͤhlen, als ohne Ehre in ihr Vaterland zuruͤkkehren wolten. Jch erwaͤhne, um mich nicht zu weit zu ver- lieren, vieler andern Colonien nicht, welche unter fremde Voͤlker in den angraͤnzenden und beſonders nordlichen Landen gerathen ſind, und deren Geburt durch die fremden Namen, die ſie jezt fuͤhren, laͤngſt in Vergeſſenheit gerathen ſeyn wuͤrde, wenn die noch uͤbrig geblie- benen Worte der alten Mutterſprache das Gedaͤchtnis ihres Herkommens nicht noch immer erhielten. So war der weltbekante Tamerlan ein usbekiſcher Skythe; und ſelbſt der große Mogul, die ottomanniſchen Kaiſer und die ſophiſchen *) Koͤnige ſind dieſes Geſchlechts. Wir wollen uns auch nicht weiter um die Voͤlker bekuͤmmern, die den fiſchreichen Flus Jaik hinaufgiengen, oder die die Quelle des großen Oby fanden, und an dieſem Strohme hinunterwanderten. Wir kommen vielmehr unſrer Abſicht naͤher, und wenden uns zu denen Voͤlkern, welche ſich in die oͤſtlichen Laͤnder begaben. Hier wollen wir auch weiter nicht unterſuchen, welchen Weg die Sineſer dahin genommen haben moͤgen. Vom kaſpiſchen Meer bis an die Graͤnzen ihres Reichs darf man nur ſechs Monate reiſen. Juͤrgen Anderſon **) ſcheint wenigſtens mit ſeiner auf dieſem Wege 1647 unternomme- nen Reiſe nicht laͤnger zugebracht zu haben. Zween tatariſche Kaufleute haben mir in Aſtrakan folgende Beſchreibung ihrer nach Sina gemachten Reiſe gegeben. Sie *) *) Dies Wort iſt in meinen beiden Hand- ſchriften etwas undeutlich geſchrieben; vermuthlich fand es Scheuchzer in der ſeinigen eben ſo, und machte daher einen King of ſopra daraus. Jch glaube aber mit gutem Recht anzunehmen, daß Kaͤmpfer hier keine andre Monarchen als die So- phis von Perſien im Sinne hatte, weil ich ſchon anders woher weis, daß K. dieſes Koͤnigsgeſchlecht von den Turkmannen ableitete, und alſo auch ganz natuͤrlich hier an daſſelbe ſich erinnern muſte. S. KaempferiAmoenitates Exoticae, Faſc. 1. pag. 12. **) nicht Jagen Andaſen, wie die engliſche Ueberſetzung hat. *) taren nicht an der linken ſondern an der rechten Seite des Dnepr’s, alſo zwiſchen dieſem letztern Fluſſe und dem Don wohnen. Doch mus dieſes weder Scheuchzern noch dem franzoͤſiſchen Ueberſe- tzer eingefallen ſeyn, weil ſie beide ohne Anftand die Donau beibehalten haben.

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/192>, abgerufen am 24.11.2024.