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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Eilft. Kap. Von Fischen und Mulscheln.
die gröste Delikatesse des Meers gehalten; und von jedem genossen, nachdem der Kopf,
Gräthen und Eingeweide davon getrent, und auch dem Fleisch durch behutsames und fleißi-
ges Abwaschen alles Schädliche benommen worden. Und dennoch sterben oftmals Men-
schen davon; man giebt aber alsdenn die Schuld einer nachlässigen Reinigung. Von die-
sem unabgespühlten Fleisch pflegen diejenigen, welche wegen unheilbarer Krankheit des Lebens
überdrüssig sind, sich ein Todtenmal zuzurichten. Dem Nachbarn meines Dieners in Na-
gasakin
schlugen allenthalben die spanischen Pocken aus, und es began ihm schon die Nase
einzufallen. Er entschlos sich daher zu dieser Mahlzeit; und kochte sich von dem ungewasche-
nen zerstükten Fleisch ein Todtengericht. Er that, um das Gift noch fürchterlicher und
wirksamer zu machen, aus eignem Gutdünken noch Rus aus dem Strohdach mit hinein:
und legte sich nach eingenommener Mahlzeit auf sein Sterbebette. Worauf er, ängstlich
mit dem Tode ringend, sich beständig erbrach, und einer Menge zähen Schleims sich ent-
ledigte; wodurch denn der Magen von dem frischen eingenommenen Gifte, und die ganze
Natur von der eingewurzelten Krankheit glüklich befreiet wurde, und dieser Man unver-
muthet seine Gesundheit wieder erlangte. -- Vor einigen Jahren befanden sich in derselben
Stadt fünf Personen nach einer Mahlzeit von diesem Fisch so übel, daß sie plözlich ihre
Kräfte verlohren, in Ohnmacht, Raserei und Blutbrechen verfielen, und innerhalb we-
nig Tagen ihr Leben endigten. -- Man wil aber dennoch, ohngeachtet der Gefahr, sich
dieses Leckerbissens nicht enthalten. Jndessen ist durchs ganze Reich den Soldaten verbothen,
von diesem Fisch zu essen. Und wenn einer davon stirbt, so ist der Sohn der Nachfolge im
Amte seines Vaters verlustig. Dieser Fisch wird viel theurer verkauft als andere gemeine
Fische; er mus aber frisch genossen werden.

Die dritte Art wird Kita makura, das ist Nordküssen, ich weis nicht warum,
genant; und man nent auch so eine Person, die mit dem Haupt gegen Norden schläft.
Dieser Fisch hat ein absolut tödliches Gift, welches ihm durch kein Waschen kan benommen
werden. Er wird wissentlich niemals zur Speise genommen, als von denen, die sich ent-
leiben wollen.

Wasserbauch.

Ein gewisser Fisch, Wasserbauch genant, ist so lang wie ein zehnjähriger Knabe,
und ohne Schuppen und Flosfedern. Er hat ein ungeheures Haupt, Maul und Brust;
einen großen dünnen Bauch wie ein Sak, welcher durchs Maul angefült eine große Men-
ge Wasser fassen kan; scharfe dünne Zähne wie eine Schlange; fast keine Gedärme, und
sehr kleine geringe Eingeweide. Unter seinem Bauche hat er zwei platte cartilagineuse
Füße mit Fingern, beinahe wie eine Kinderhand, womit er scheint auf dem Grunde des
Wassers fortzukriechen. Alle seine Theile, nichts ausgenommen, dienen zur Speise.

Man
U

Eilft. Kap. Von Fiſchen und Mulſcheln.
die groͤſte Delikateſſe des Meers gehalten; und von jedem genoſſen, nachdem der Kopf,
Graͤthen und Eingeweide davon getrent, und auch dem Fleiſch durch behutſames und fleißi-
ges Abwaſchen alles Schaͤdliche benommen worden. Und dennoch ſterben oftmals Men-
ſchen davon; man giebt aber alsdenn die Schuld einer nachlaͤſſigen Reinigung. Von die-
ſem unabgeſpuͤhlten Fleiſch pflegen diejenigen, welche wegen unheilbarer Krankheit des Lebens
uͤberdruͤſſig ſind, ſich ein Todtenmal zuzurichten. Dem Nachbarn meines Dieners in Na-
gaſakin
ſchlugen allenthalben die ſpaniſchen Pocken aus, und es began ihm ſchon die Naſe
einzufallen. Er entſchlos ſich daher zu dieſer Mahlzeit; und kochte ſich von dem ungewaſche-
nen zerſtuͤkten Fleiſch ein Todtengericht. Er that, um das Gift noch fuͤrchterlicher und
wirkſamer zu machen, aus eignem Gutduͤnken noch Rus aus dem Strohdach mit hinein:
und legte ſich nach eingenommener Mahlzeit auf ſein Sterbebette. Worauf er, aͤngſtlich
mit dem Tode ringend, ſich beſtaͤndig erbrach, und einer Menge zaͤhen Schleims ſich ent-
ledigte; wodurch denn der Magen von dem friſchen eingenommenen Gifte, und die ganze
Natur von der eingewurzelten Krankheit gluͤklich befreiet wurde, und dieſer Man unver-
muthet ſeine Geſundheit wieder erlangte. — Vor einigen Jahren befanden ſich in derſelben
Stadt fuͤnf Perſonen nach einer Mahlzeit von dieſem Fiſch ſo uͤbel, daß ſie ploͤzlich ihre
Kraͤfte verlohren, in Ohnmacht, Raſerei und Blutbrechen verfielen, und innerhalb we-
nig Tagen ihr Leben endigten. — Man wil aber dennoch, ohngeachtet der Gefahr, ſich
dieſes Leckerbiſſens nicht enthalten. Jndeſſen iſt durchs ganze Reich den Soldaten verbothen,
von dieſem Fiſch zu eſſen. Und wenn einer davon ſtirbt, ſo iſt der Sohn der Nachfolge im
Amte ſeines Vaters verluſtig. Dieſer Fiſch wird viel theurer verkauft als andere gemeine
Fiſche; er mus aber friſch genoſſen werden.

Die dritte Art wird Kita makura, das iſt Nordkuͤſſen, ich weis nicht warum,
genant; und man nent auch ſo eine Perſon, die mit dem Haupt gegen Norden ſchlaͤft.
Dieſer Fiſch hat ein abſolut toͤdliches Gift, welches ihm durch kein Waſchen kan benommen
werden. Er wird wiſſentlich niemals zur Speiſe genommen, als von denen, die ſich ent-
leiben wollen.

Waſſerbauch.

Ein gewiſſer Fiſch, Waſſerbauch genant, iſt ſo lang wie ein zehnjaͤhriger Knabe,
und ohne Schuppen und Flosfedern. Er hat ein ungeheures Haupt, Maul und Bruſt;
einen großen duͤnnen Bauch wie ein Sak, welcher durchs Maul angefuͤlt eine große Men-
ge Waſſer faſſen kan; ſcharfe duͤnne Zaͤhne wie eine Schlange; faſt keine Gedaͤrme, und
ſehr kleine geringe Eingeweide. Unter ſeinem Bauche hat er zwei platte cartilagineuſe
Fuͤße mit Fingern, beinahe wie eine Kinderhand, womit er ſcheint auf dem Grunde des
Waſſers fortzukriechen. Alle ſeine Theile, nichts ausgenommen, dienen zur Speiſe.

Man
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[153/0247] Eilft. Kap. Von Fiſchen und Mulſcheln. die groͤſte Delikateſſe des Meers gehalten; und von jedem genoſſen, nachdem der Kopf, Graͤthen und Eingeweide davon getrent, und auch dem Fleiſch durch behutſames und fleißi- ges Abwaſchen alles Schaͤdliche benommen worden. Und dennoch ſterben oftmals Men- ſchen davon; man giebt aber alsdenn die Schuld einer nachlaͤſſigen Reinigung. Von die- ſem unabgeſpuͤhlten Fleiſch pflegen diejenigen, welche wegen unheilbarer Krankheit des Lebens uͤberdruͤſſig ſind, ſich ein Todtenmal zuzurichten. Dem Nachbarn meines Dieners in Na- gaſakin ſchlugen allenthalben die ſpaniſchen Pocken aus, und es began ihm ſchon die Naſe einzufallen. Er entſchlos ſich daher zu dieſer Mahlzeit; und kochte ſich von dem ungewaſche- nen zerſtuͤkten Fleiſch ein Todtengericht. Er that, um das Gift noch fuͤrchterlicher und wirkſamer zu machen, aus eignem Gutduͤnken noch Rus aus dem Strohdach mit hinein: und legte ſich nach eingenommener Mahlzeit auf ſein Sterbebette. Worauf er, aͤngſtlich mit dem Tode ringend, ſich beſtaͤndig erbrach, und einer Menge zaͤhen Schleims ſich ent- ledigte; wodurch denn der Magen von dem friſchen eingenommenen Gifte, und die ganze Natur von der eingewurzelten Krankheit gluͤklich befreiet wurde, und dieſer Man unver- muthet ſeine Geſundheit wieder erlangte. — Vor einigen Jahren befanden ſich in derſelben Stadt fuͤnf Perſonen nach einer Mahlzeit von dieſem Fiſch ſo uͤbel, daß ſie ploͤzlich ihre Kraͤfte verlohren, in Ohnmacht, Raſerei und Blutbrechen verfielen, und innerhalb we- nig Tagen ihr Leben endigten. — Man wil aber dennoch, ohngeachtet der Gefahr, ſich dieſes Leckerbiſſens nicht enthalten. Jndeſſen iſt durchs ganze Reich den Soldaten verbothen, von dieſem Fiſch zu eſſen. Und wenn einer davon ſtirbt, ſo iſt der Sohn der Nachfolge im Amte ſeines Vaters verluſtig. Dieſer Fiſch wird viel theurer verkauft als andere gemeine Fiſche; er mus aber friſch genoſſen werden. Die dritte Art wird Kita makura, das iſt Nordkuͤſſen, ich weis nicht warum, genant; und man nent auch ſo eine Perſon, die mit dem Haupt gegen Norden ſchlaͤft. Dieſer Fiſch hat ein abſolut toͤdliches Gift, welches ihm durch kein Waſchen kan benommen werden. Er wird wiſſentlich niemals zur Speiſe genommen, als von denen, die ſich ent- leiben wollen. Waſſerbauch. Ein gewiſſer Fiſch, Waſſerbauch genant, iſt ſo lang wie ein zehnjaͤhriger Knabe, und ohne Schuppen und Flosfedern. Er hat ein ungeheures Haupt, Maul und Bruſt; einen großen duͤnnen Bauch wie ein Sak, welcher durchs Maul angefuͤlt eine große Men- ge Waſſer faſſen kan; ſcharfe duͤnne Zaͤhne wie eine Schlange; faſt keine Gedaͤrme, und ſehr kleine geringe Eingeweide. Unter ſeinem Bauche hat er zwei platte cartilagineuſe Fuͤße mit Fingern, beinahe wie eine Kinderhand, womit er ſcheint auf dem Grunde des Waſſers fortzukriechen. Alle ſeine Theile, nichts ausgenommen, dienen zur Speiſe. Man U

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/247>, abgerufen am 21.11.2024.