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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Zweites Buch.
schen Drachen Nuge, welcher einen Kopf hatte als eine Merkatze, die Gestalt einer
Schlangen, und eines Tiegers Leib und Klauen. Dieses ungeheure Thier hielt sich in
des Mikaddo eigenem Pallaste auf, und war sowohl dessen geheiligter Person als ganzem
Hofe zuförderst bey Nachtzeit recht fürchterlich, indem es sie erschrekte und aus dem
Schlafe stöhrte. Dieser Jorimassa wurde 27 Jahr hernach in denen bürgerlichen Krie-
gen zwischen vier der mächtigsten Familien des Kaiserthums, insonderheit den Feki und
Gendsii, von seinen Feinden gefangen genommen, und mit seinem ganzen Geschlechte aus-
gerottet. Dieser lange und blutige Krieg, welcher das Kaiserthum viele Jahre verwü-
stete, hat bis zur gänzlichen Unterdrückung des Fehi und seines Anhanges und bis an den
Tod dieses Prinzen gewährt, welcher ihr Anführer war, und welchen die Gendsii mit sei-
ner ganzen Familie tödteten. Er ist weitläuftig und völlig beschrieben in einem Buche,
das betitelt ist: Fekinowonogatari, das ist, Nachricht von dem, was sich in den
Kriegen mit Feki begeben hat.

Jm 6ten Jahre seiner Regierung am 22ten Tage des 7ten Mondens erschien
ein Comet. Jm 10ten Jahre seines Reichs, welches das 4te der Nengo Kivan ist, wurde
bey Hofe gebohren Joritomo, der erste große Seogun, d. i. Krongeneral oder weltliche
Feldherr.
Die folgenden bürgerlichen Kriege, welche das japanische Reich verwüsteten,
und gleichsam in Stücken zerrissen, gaben ihm eine bequeme Gelegenheit zum Anwachs
seiner Macht, so daß die japanischen Chroniken einhellig melden, er sey der erste von denen
nun regierenden weltlichen Monarchen gewesen. Es war ohngefehr um diese Zeit, daß
das höchste Ansehen des Dairi oder geistlichen Erbkaisers, welche bishero ohnumschränkt
gewesen war, nunmehro auf die Neige zu kommen anfing. Die Fürsten dieses Kaiser-
thums, welche nebst ihren Unterthanen wenigen Genus und Freude durch des Dairi Re-
gierung hatten, wurden von Hochmuth, Eifersucht und Misgunst angetrieben; sie verlie-
ßen stuffenweise die Pflicht und Verbindlichkeit, womit sie ihrem Souverain verpflichtet
waren, und maaßten sich absoluter Gewalt in der Regierung ihrer Hrrrschaften und Fürsten-
thümer an, traten in Allianzen zu ihrer eignen Beschützung, und fingen einer wider den
andern Krieg an, um das ihnen würklich zugefügte oder in der Einbildung erlittene Unrecht
zu rächen. Jn dieser Verfassung der Sachen wurde Joritomo von dem Kaiser zum
Generalissimo und zum Heerführer einer zahlreichen Armee bestelt, mit der unumschränk-
ten Gewalt, die Streitigkeiten beizulegen, und die Kriege zwischen den Reichsfürsten zu
endigen. Es ist aber eine bekante und durch die Erfahrung aller Zeiten bestätigte Maxi-
me, daß die mit Gewalt versehene Leute gar selten bemühet sind, bey solchen Gelegenhei-
ten die Unruhen wirklich zu zertheilen, welches die Geschichte des Joritomo auch beweiset,
der bei einer so schönen und bequemen ihm in die Hände gespielten Gelegenheit mit denen

streiten-

Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Zweites Buch.
ſchen Drachen Nuge, welcher einen Kopf hatte als eine Merkatze, die Geſtalt einer
Schlangen, und eines Tiegers Leib und Klauen. Dieſes ungeheure Thier hielt ſich in
des Mikaddo eigenem Pallaſte auf, und war ſowohl deſſen geheiligter Perſon als ganzem
Hofe zufoͤrderſt bey Nachtzeit recht fuͤrchterlich, indem es ſie erſchrekte und aus dem
Schlafe ſtoͤhrte. Dieſer Jorimaſſa wurde 27 Jahr hernach in denen buͤrgerlichen Krie-
gen zwiſchen vier der maͤchtigſten Familien des Kaiſerthums, inſonderheit den Feki und
Gendſii, von ſeinen Feinden gefangen genommen, und mit ſeinem ganzen Geſchlechte aus-
gerottet. Dieſer lange und blutige Krieg, welcher das Kaiſerthum viele Jahre verwuͤ-
ſtete, hat bis zur gaͤnzlichen Unterdruͤckung des Fehi und ſeines Anhanges und bis an den
Tod dieſes Prinzen gewaͤhrt, welcher ihr Anfuͤhrer war, und welchen die Gendſii mit ſei-
ner ganzen Familie toͤdteten. Er iſt weitlaͤuftig und voͤllig beſchrieben in einem Buche,
das betitelt iſt: Fekinowonogatari, das iſt, Nachricht von dem, was ſich in den
Kriegen mit Feki begeben hat.

Jm 6ten Jahre ſeiner Regierung am 22ten Tage des 7ten Mondens erſchien
ein Comet. Jm 10ten Jahre ſeines Reichs, welches das 4te der Nengo Kivan iſt, wurde
bey Hofe gebohren Joritomo, der erſte große Seogun, d. i. Krongeneral oder weltliche
Feldherr.
Die folgenden buͤrgerlichen Kriege, welche das japaniſche Reich verwuͤſteten,
und gleichſam in Stuͤcken zerriſſen, gaben ihm eine bequeme Gelegenheit zum Anwachs
ſeiner Macht, ſo daß die japaniſchen Chroniken einhellig melden, er ſey der erſte von denen
nun regierenden weltlichen Monarchen geweſen. Es war ohngefehr um dieſe Zeit, daß
das hoͤchſte Anſehen des Dairi oder geiſtlichen Erbkaiſers, welche bishero ohnumſchraͤnkt
geweſen war, nunmehro auf die Neige zu kommen anfing. Die Fuͤrſten dieſes Kaiſer-
thums, welche nebſt ihren Unterthanen wenigen Genus und Freude durch des Dairi Re-
gierung hatten, wurden von Hochmuth, Eiferſucht und Misgunſt angetrieben; ſie verlie-
ßen ſtuffenweiſe die Pflicht und Verbindlichkeit, womit ſie ihrem Souverain verpflichtet
waren, und maaßten ſich abſoluter Gewalt in der Regierung ihrer Hrrrſchaften und Fuͤrſten-
thuͤmer an, traten in Allianzen zu ihrer eignen Beſchuͤtzung, und fingen einer wider den
andern Krieg an, um das ihnen wuͤrklich zugefuͤgte oder in der Einbildung erlittene Unrecht
zu raͤchen. Jn dieſer Verfaſſung der Sachen wurde Joritomo von dem Kaiſer zum
Generaliſſimo und zum Heerfuͤhrer einer zahlreichen Armee beſtelt, mit der unumſchraͤnk-
ten Gewalt, die Streitigkeiten beizulegen, und die Kriege zwiſchen den Reichsfuͤrſten zu
endigen. Es iſt aber eine bekante und durch die Erfahrung aller Zeiten beſtaͤtigte Maxi-
me, daß die mit Gewalt verſehene Leute gar ſelten bemuͤhet ſind, bey ſolchen Gelegenhei-
ten die Unruhen wirklich zu zertheilen, welches die Geſchichte des Joritomo auch beweiſet,
der bei einer ſo ſchoͤnen und bequemen ihm in die Haͤnde geſpielten Gelegenheit mit denen

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[220/0324] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Zweites Buch. ſchen Drachen Nuge, welcher einen Kopf hatte als eine Merkatze, die Geſtalt einer Schlangen, und eines Tiegers Leib und Klauen. Dieſes ungeheure Thier hielt ſich in des Mikaddo eigenem Pallaſte auf, und war ſowohl deſſen geheiligter Perſon als ganzem Hofe zufoͤrderſt bey Nachtzeit recht fuͤrchterlich, indem es ſie erſchrekte und aus dem Schlafe ſtoͤhrte. Dieſer Jorimaſſa wurde 27 Jahr hernach in denen buͤrgerlichen Krie- gen zwiſchen vier der maͤchtigſten Familien des Kaiſerthums, inſonderheit den Feki und Gendſii, von ſeinen Feinden gefangen genommen, und mit ſeinem ganzen Geſchlechte aus- gerottet. Dieſer lange und blutige Krieg, welcher das Kaiſerthum viele Jahre verwuͤ- ſtete, hat bis zur gaͤnzlichen Unterdruͤckung des Fehi und ſeines Anhanges und bis an den Tod dieſes Prinzen gewaͤhrt, welcher ihr Anfuͤhrer war, und welchen die Gendſii mit ſei- ner ganzen Familie toͤdteten. Er iſt weitlaͤuftig und voͤllig beſchrieben in einem Buche, das betitelt iſt: Fekinowonogatari, das iſt, Nachricht von dem, was ſich in den Kriegen mit Feki begeben hat. Jm 6ten Jahre ſeiner Regierung am 22ten Tage des 7ten Mondens erſchien ein Comet. Jm 10ten Jahre ſeines Reichs, welches das 4te der Nengo Kivan iſt, wurde bey Hofe gebohren Joritomo, der erſte große Seogun, d. i. Krongeneral oder weltliche Feldherr. Die folgenden buͤrgerlichen Kriege, welche das japaniſche Reich verwuͤſteten, und gleichſam in Stuͤcken zerriſſen, gaben ihm eine bequeme Gelegenheit zum Anwachs ſeiner Macht, ſo daß die japaniſchen Chroniken einhellig melden, er ſey der erſte von denen nun regierenden weltlichen Monarchen geweſen. Es war ohngefehr um dieſe Zeit, daß das hoͤchſte Anſehen des Dairi oder geiſtlichen Erbkaiſers, welche bishero ohnumſchraͤnkt geweſen war, nunmehro auf die Neige zu kommen anfing. Die Fuͤrſten dieſes Kaiſer- thums, welche nebſt ihren Unterthanen wenigen Genus und Freude durch des Dairi Re- gierung hatten, wurden von Hochmuth, Eiferſucht und Misgunſt angetrieben; ſie verlie- ßen ſtuffenweiſe die Pflicht und Verbindlichkeit, womit ſie ihrem Souverain verpflichtet waren, und maaßten ſich abſoluter Gewalt in der Regierung ihrer Hrrrſchaften und Fuͤrſten- thuͤmer an, traten in Allianzen zu ihrer eignen Beſchuͤtzung, und fingen einer wider den andern Krieg an, um das ihnen wuͤrklich zugefuͤgte oder in der Einbildung erlittene Unrecht zu raͤchen. Jn dieſer Verfaſſung der Sachen wurde Joritomo von dem Kaiſer zum Generaliſſimo und zum Heerfuͤhrer einer zahlreichen Armee beſtelt, mit der unumſchraͤnk- ten Gewalt, die Streitigkeiten beizulegen, und die Kriege zwiſchen den Reichsfuͤrſten zu endigen. Es iſt aber eine bekante und durch die Erfahrung aller Zeiten beſtaͤtigte Maxi- me, daß die mit Gewalt verſehene Leute gar ſelten bemuͤhet ſind, bey ſolchen Gelegenhei- ten die Unruhen wirklich zu zertheilen, welches die Geſchichte des Joritomo auch beweiſet, der bei einer ſo ſchoͤnen und bequemen ihm in die Haͤnde geſpielten Gelegenheit mit denen ſtreiten-

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/324>, abgerufen am 27.11.2024.