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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Drittes Buch.
Götzen gehalten wird, und eine solche Heiligkeit erhält, daß kein Gege (ein verächtlich,
hundisches Wort, womit dieser heilige Hof alle andre Menschen bezeichnet, die Personen
seines Standes aber mit dem Namen Kuge unterscheidet) sich zu ihm nahen oder ihn nur
ansehn darf. Man behauptet sogar ferner, daß von dem Vicario dieses Gottes die unbe-
fleischten
oder entleibten Götter zur Aufsicht und besondern Sorge für diese und jene Orte
(doch auf eine unsichtbare Weise) angestelt worden;*) und daß eben diese Götter den Mi-
kaddo
jährlich besuchen und den ganzen zehnten Monat unsichtbar bei ihm bleiben müssen.
Jn diesen Monat fallen daher auch gar keine Festtage und er hat bei den Japanern den
Namen Kami natsuki, d. i. ein Monat sonder Götter, weil diese alsdenn nicht in ih-
ren Tempeln sind, sondern sich am Hofe beim Mikaddo aufhalten.

Dieser japanische Pabst oder vielmehr lebendiger Gott hat auch das Recht, andre
zu canonisiren und zu Göttern zu erheben, wenn er durch Erscheinungen nach dem Tode
oder andre Wunder dazu veranlast wird. Er giebt ihnen alsdann ein großes Lob und legt
ihnen einen hohen Namen bei, und er selbst oder jemand sonst erbauet dem neuen Gott einen
Mia. Befinden sich nun dessen Anbeter gut bei seinem Dienst, oder werden Wunder
ruchtbar; so werden auch in andern Provinzen Tempel für diesen Gott erbauet. Und so
nimt also die Zahl der Götter und ihrer Tempel immer von einem Jahrhundert zum
andern zu.

Diesen geiftlichen Erbkaisern und den unter ihrer Regierung sich jedesmal zur gött-
lichen Würde verdient gemachten Heiligen, gehet nun aber noch vor und ist weit über sie er-
haben ein Geschlecht von sieben successive über andre Geister herschenden himlischen
Göttern,
welche heißen: Tensin Sitzi Dai, d. i. himlischer Götter sieben Geschlecht.
Man glaubt von ihnen, daß sie lange vorher, ehe noch Menschen, Erd und Himmel wa-
ren, in den uralten Sonnenzeiten, diese unterhimlische japanische Welt (denn von andern
Ländern wusten sie damals nicht) viele Legionen**) Jahre hindurch zugleich bewohnt
hätten.

Der lezte in dieser Götterfolge war Jsanagi; dieser wurde durch die nachgeahmte
Bewegung des Vogels Jsi Tadacki oder Quiksterts***) veranlast, seine Gemahlin Jsa-
nami
fleischlich zu erkennen, und brachte durch natürliche Zeugung ein anders Geschlecht
dieser japanischen Weltbeherscher von weit geringeren Wesen hervor, welches von der Zahl

seiner
*) Diese Stelle befindet sich nur in dem
Mascpte des Oheims, und fehlt in dem des Nef-
fen, so wie in der englischen Uebersetzung.
**) Millions hat die englische Uebersetzung.
***) Dies Wort findet sich nur in der Hand-
schrift des Neffen; in der des Oheims steht: Jst
Tadakki oder -- in der englischen Ueberse-
tzung auch blos der japanische Name.

Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Drittes Buch.
Goͤtzen gehalten wird, und eine ſolche Heiligkeit erhaͤlt, daß kein Gege (ein veraͤchtlich,
hundiſches Wort, womit dieſer heilige Hof alle andre Menſchen bezeichnet, die Perſonen
ſeines Standes aber mit dem Namen Kuge unterſcheidet) ſich zu ihm nahen oder ihn nur
anſehn darf. Man behauptet ſogar ferner, daß von dem Vicario dieſes Gottes die unbe-
fleiſchten
oder entleibten Goͤtter zur Aufſicht und beſondern Sorge fuͤr dieſe und jene Orte
(doch auf eine unſichtbare Weiſe) angeſtelt worden;*) und daß eben dieſe Goͤtter den Mi-
kaddo
jaͤhrlich beſuchen und den ganzen zehnten Monat unſichtbar bei ihm bleiben muͤſſen.
Jn dieſen Monat fallen daher auch gar keine Feſttage und er hat bei den Japanern den
Namen Kami natſuki, d. i. ein Monat ſonder Goͤtter, weil dieſe alsdenn nicht in ih-
ren Tempeln ſind, ſondern ſich am Hofe beim Mikaddo aufhalten.

Dieſer japaniſche Pabſt oder vielmehr lebendiger Gott hat auch das Recht, andre
zu canoniſiren und zu Goͤttern zu erheben, wenn er durch Erſcheinungen nach dem Tode
oder andre Wunder dazu veranlaſt wird. Er giebt ihnen alsdann ein großes Lob und legt
ihnen einen hohen Namen bei, und er ſelbſt oder jemand ſonſt erbauet dem neuen Gott einen
Mia. Befinden ſich nun deſſen Anbeter gut bei ſeinem Dienſt, oder werden Wunder
ruchtbar; ſo werden auch in andern Provinzen Tempel fuͤr dieſen Gott erbauet. Und ſo
nimt alſo die Zahl der Goͤtter und ihrer Tempel immer von einem Jahrhundert zum
andern zu.

Dieſen geiftlichen Erbkaiſern und den unter ihrer Regierung ſich jedesmal zur goͤtt-
lichen Wuͤrde verdient gemachten Heiligen, gehet nun aber noch vor und iſt weit uͤber ſie er-
haben ein Geſchlecht von ſieben ſucceſſive uͤber andre Geiſter herſchenden himliſchen
Goͤttern,
welche heißen: Tenſin Sitzi Dai, d. i. himliſcher Goͤtter ſieben Geſchlecht.
Man glaubt von ihnen, daß ſie lange vorher, ehe noch Menſchen, Erd und Himmel wa-
ren, in den uralten Sonnenzeiten, dieſe unterhimliſche japaniſche Welt (denn von andern
Laͤndern wuſten ſie damals nicht) viele Legionen**) Jahre hindurch zugleich bewohnt
haͤtten.

Der lezte in dieſer Goͤtterfolge war Jſanagi; dieſer wurde durch die nachgeahmte
Bewegung des Vogels Jſi Tadacki oder Quikſterts***) veranlaſt, ſeine Gemahlin Jſa-
nami
fleiſchlich zu erkennen, und brachte durch natuͤrliche Zeugung ein anders Geſchlecht
dieſer japaniſchen Weltbeherſcher von weit geringeren Weſen hervor, welches von der Zahl

ſeiner
*) Dieſe Stelle befindet ſich nur in dem
Maſcpte des Oheims, und fehlt in dem des Nef-
fen, ſo wie in der engliſchen Ueberſetzung.
**) Millions hat die engliſche Ueberſetzung.
***) Dies Wort findet ſich nur in der Hand-
ſchrift des Neffen; in der des Oheims ſteht: Jſt
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tzung auch blos der japaniſche Name.
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[254/0358] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Drittes Buch. Goͤtzen gehalten wird, und eine ſolche Heiligkeit erhaͤlt, daß kein Gege (ein veraͤchtlich, hundiſches Wort, womit dieſer heilige Hof alle andre Menſchen bezeichnet, die Perſonen ſeines Standes aber mit dem Namen Kuge unterſcheidet) ſich zu ihm nahen oder ihn nur anſehn darf. Man behauptet ſogar ferner, daß von dem Vicario dieſes Gottes die unbe- fleiſchten oder entleibten Goͤtter zur Aufſicht und beſondern Sorge fuͤr dieſe und jene Orte (doch auf eine unſichtbare Weiſe) angeſtelt worden; *) und daß eben dieſe Goͤtter den Mi- kaddo jaͤhrlich beſuchen und den ganzen zehnten Monat unſichtbar bei ihm bleiben muͤſſen. Jn dieſen Monat fallen daher auch gar keine Feſttage und er hat bei den Japanern den Namen Kami natſuki, d. i. ein Monat ſonder Goͤtter, weil dieſe alsdenn nicht in ih- ren Tempeln ſind, ſondern ſich am Hofe beim Mikaddo aufhalten. Dieſer japaniſche Pabſt oder vielmehr lebendiger Gott hat auch das Recht, andre zu canoniſiren und zu Goͤttern zu erheben, wenn er durch Erſcheinungen nach dem Tode oder andre Wunder dazu veranlaſt wird. Er giebt ihnen alsdann ein großes Lob und legt ihnen einen hohen Namen bei, und er ſelbſt oder jemand ſonſt erbauet dem neuen Gott einen Mia. Befinden ſich nun deſſen Anbeter gut bei ſeinem Dienſt, oder werden Wunder ruchtbar; ſo werden auch in andern Provinzen Tempel fuͤr dieſen Gott erbauet. Und ſo nimt alſo die Zahl der Goͤtter und ihrer Tempel immer von einem Jahrhundert zum andern zu. Dieſen geiftlichen Erbkaiſern und den unter ihrer Regierung ſich jedesmal zur goͤtt- lichen Wuͤrde verdient gemachten Heiligen, gehet nun aber noch vor und iſt weit uͤber ſie er- haben ein Geſchlecht von ſieben ſucceſſive uͤber andre Geiſter herſchenden himliſchen Goͤttern, welche heißen: Tenſin Sitzi Dai, d. i. himliſcher Goͤtter ſieben Geſchlecht. Man glaubt von ihnen, daß ſie lange vorher, ehe noch Menſchen, Erd und Himmel wa- ren, in den uralten Sonnenzeiten, dieſe unterhimliſche japaniſche Welt (denn von andern Laͤndern wuſten ſie damals nicht) viele Legionen **) Jahre hindurch zugleich bewohnt haͤtten. Der lezte in dieſer Goͤtterfolge war Jſanagi; dieſer wurde durch die nachgeahmte Bewegung des Vogels Jſi Tadacki oder Quikſterts ***) veranlaſt, ſeine Gemahlin Jſa- nami fleiſchlich zu erkennen, und brachte durch natuͤrliche Zeugung ein anders Geſchlecht dieſer japaniſchen Weltbeherſcher von weit geringeren Weſen hervor, welches von der Zahl ſeiner *) Dieſe Stelle befindet ſich nur in dem Maſcpte des Oheims, und fehlt in dem des Nef- fen, ſo wie in der engliſchen Ueberſetzung. **) Millions hat die engliſche Ueberſetzung. ***) Dies Wort findet ſich nur in der Hand- ſchrift des Neffen; in der des Oheims ſteht: Jſt Tadakki oder — in der engliſchen Ueberſe- tzung auch blos der japaniſche Name.

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/358>, abgerufen am 24.11.2024.