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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Von den verschiednen Religionspartheyen im japanischen Reiche etc.
seiner Descendenz: Osi Sin Godai d. i. irdischer Götter fünf Herrscher genant
wird.

Unter diesen Menschgöttern haben nun einige Geschlechter wunderlich hausgehalten,
Kriege und seltsame Ebentheur ausgeführt, mit andern Gottmenschen, Drachen und mon-
strösen Helden sich vermischt, und einer um den andern sich verdient gemacht; so daß zum
Gedächtnis ihrer verübten rühmlichen Thaten viele Oerter des Reichs ihren Namen bekom-
men haben, auch vielen besondre Mias aufgerichtet sind. Man hat sogar auch viele Ge-
wehre
und andere Reliquien aus dieser zweiten oder silbernen Zeit aufbehalten, und man
ist so weit gegangen, diese Dinge für beseelt, der göttlichen Ehre würdig zu halten, und
hat ihren Selen, eben wie den Göttern selbst, besondere Mias errichtet.

Von dergleichen lügenhaften monströsen Erfindungen und altweiberischen Fabeln ist
die ganze Sintotheologie vol, und blos aus ihnen zusammengesezt. Die Anhänger dersel-
ben schämen sich auch ihrer Lehre selbst, und offenbaren dergleichen Geschichtgens selten einem
Fremden oder der Budzosecte Ergebnem, aus Furcht sich zum Gelächter und Spot
zu machen.

*) Nach dieser zweiten und silbernen Zeit lassen die Japaner dann die dritte an-
fangen, in welcher allemal der erstgebohrne Sohn in gleicher Linie die ungebundne geist-
und weltliche Macht, Autorität und Heiligkeit geerbt hat bis zur Zeit des Joritomo, die
eingebildete göttliche Autorität aber noch bis auf den heutigen Tag beibehalten hat.**)

Diese Religion hängt mit dem politischen Leben dadurch genau zusammen, daß sie
fast nur in äußern bürgerlichen Gebräuchen besteht. Sie unterhält auch keine Lehrer oder
Priester, sondern nur weltliche, verheirathete und in der Göttergeschichte ganz ungelehrte
Tempelbediente. Nur zuweilen lehren und predigen die Sinto Sja, besonders die Canusj,
bei ihren Tempeln. So war zu meiner Zeit ein von Miaco herübergekomner Canusj,
der im Tensitempel und hernach in der Suwo Mia, täglich über einen Tractat oder
Gebet: Makatto mi no tarrai oder Makatto mi tarrai, eine erklärende Rede hielt,
die aber blos ein Gewebe von unsinnigen Fabeln und Geschichten der Götter und Helden war.

Diese Leute lehren auch wol ihre Theologie, aber sehr geheimnisvol. Die lezte
und wichtigste Materie ist die vom Anfang aller Dinge. Diese wird nicht eher erklärt,
bis der Kandidat mit eidlicher Handschrist und feinem untergesezten Siegel versprochen hat,

daß
*) Diese Periode besindet sich nur im Mascpte
des Neffen.
**) [Spaltenumbruch]
Man sieht wohl, daß hier Kämpfer nur
[Spaltenumbruch] kurz wiederholt, was er schon oben im siebenten
Kapitel des ersten Buchs und im ersten Kapitel des
zweiten Buchs ausführlicher abgehandelt hat.

Von den verſchiednen Religionspartheyen im japaniſchen Reiche ꝛc.
ſeiner Deſcendenz: Oſi Sin Godai d. i. irdiſcher Goͤtter fuͤnf Herrſcher genant
wird.

Unter dieſen Menſchgoͤttern haben nun einige Geſchlechter wunderlich hausgehalten,
Kriege und ſeltſame Ebentheur ausgefuͤhrt, mit andern Gottmenſchen, Drachen und mon-
ſtroͤſen Helden ſich vermiſcht, und einer um den andern ſich verdient gemacht; ſo daß zum
Gedaͤchtnis ihrer veruͤbten ruͤhmlichen Thaten viele Oerter des Reichs ihren Namen bekom-
men haben, auch vielen beſondre Mias aufgerichtet ſind. Man hat ſogar auch viele Ge-
wehre
und andere Reliquien aus dieſer zweiten oder ſilbernen Zeit aufbehalten, und man
iſt ſo weit gegangen, dieſe Dinge fuͤr beſeelt, der goͤttlichen Ehre wuͤrdig zu halten, und
hat ihren Selen, eben wie den Goͤttern ſelbſt, beſondere Mias errichtet.

Von dergleichen luͤgenhaften monſtroͤſen Erfindungen und altweiberiſchen Fabeln iſt
die ganze Sintotheologie vol, und blos aus ihnen zuſammengeſezt. Die Anhaͤnger derſel-
ben ſchaͤmen ſich auch ihrer Lehre ſelbſt, und offenbaren dergleichen Geſchichtgens ſelten einem
Fremden oder der Budzoſecte Ergebnem, aus Furcht ſich zum Gelaͤchter und Spot
zu machen.

*) Nach dieſer zweiten und ſilbernen Zeit laſſen die Japaner dann die dritte an-
fangen, in welcher allemal der erſtgebohrne Sohn in gleicher Linie die ungebundne geiſt-
und weltliche Macht, Autoritaͤt und Heiligkeit geerbt hat bis zur Zeit des Joritomo, die
eingebildete goͤttliche Autoritaͤt aber noch bis auf den heutigen Tag beibehalten hat.**)

Dieſe Religion haͤngt mit dem politiſchen Leben dadurch genau zuſammen, daß ſie
faſt nur in aͤußern buͤrgerlichen Gebraͤuchen beſteht. Sie unterhaͤlt auch keine Lehrer oder
Prieſter, ſondern nur weltliche, verheirathete und in der Goͤttergeſchichte ganz ungelehrte
Tempelbediente. Nur zuweilen lehren und predigen die Sinto Sja, beſonders die Canuſj,
bei ihren Tempeln. So war zu meiner Zeit ein von Miaco heruͤbergekomner Canuſj,
der im Tenſitempel und hernach in der Suwo Mia, taͤglich uͤber einen Tractat oder
Gebet: Makatto mi no tarrai oder Makatto mi tarrai, eine erklaͤrende Rede hielt,
die aber blos ein Gewebe von unſinnigen Fabeln und Geſchichten der Goͤtter und Helden war.

Dieſe Leute lehren auch wol ihre Theologie, aber ſehr geheimnisvol. Die lezte
und wichtigſte Materie iſt die vom Anfang aller Dinge. Dieſe wird nicht eher erklaͤrt,
bis der Kandidat mit eidlicher Handſchriſt und feinem untergeſezten Siegel verſprochen hat,

daß
*) Dieſe Periode beſindet ſich nur im Maſcpte
des Neffen.
**) [Spaltenumbruch]
Man ſieht wohl, daß hier Kaͤmpfer nur
[Spaltenumbruch] kurz wiederholt, was er ſchon oben im ſiebenten
Kapitel des erſten Buchs und im erſten Kapitel des
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[255/0359] Von den verſchiednen Religionspartheyen im japaniſchen Reiche ꝛc. ſeiner Deſcendenz: Oſi Sin Godai d. i. irdiſcher Goͤtter fuͤnf Herrſcher genant wird. Unter dieſen Menſchgoͤttern haben nun einige Geſchlechter wunderlich hausgehalten, Kriege und ſeltſame Ebentheur ausgefuͤhrt, mit andern Gottmenſchen, Drachen und mon- ſtroͤſen Helden ſich vermiſcht, und einer um den andern ſich verdient gemacht; ſo daß zum Gedaͤchtnis ihrer veruͤbten ruͤhmlichen Thaten viele Oerter des Reichs ihren Namen bekom- men haben, auch vielen beſondre Mias aufgerichtet ſind. Man hat ſogar auch viele Ge- wehre und andere Reliquien aus dieſer zweiten oder ſilbernen Zeit aufbehalten, und man iſt ſo weit gegangen, dieſe Dinge fuͤr beſeelt, der goͤttlichen Ehre wuͤrdig zu halten, und hat ihren Selen, eben wie den Goͤttern ſelbſt, beſondere Mias errichtet. Von dergleichen luͤgenhaften monſtroͤſen Erfindungen und altweiberiſchen Fabeln iſt die ganze Sintotheologie vol, und blos aus ihnen zuſammengeſezt. Die Anhaͤnger derſel- ben ſchaͤmen ſich auch ihrer Lehre ſelbſt, und offenbaren dergleichen Geſchichtgens ſelten einem Fremden oder der Budzoſecte Ergebnem, aus Furcht ſich zum Gelaͤchter und Spot zu machen. *) Nach dieſer zweiten und ſilbernen Zeit laſſen die Japaner dann die dritte an- fangen, in welcher allemal der erſtgebohrne Sohn in gleicher Linie die ungebundne geiſt- und weltliche Macht, Autoritaͤt und Heiligkeit geerbt hat bis zur Zeit des Joritomo, die eingebildete goͤttliche Autoritaͤt aber noch bis auf den heutigen Tag beibehalten hat. **) Dieſe Religion haͤngt mit dem politiſchen Leben dadurch genau zuſammen, daß ſie faſt nur in aͤußern buͤrgerlichen Gebraͤuchen beſteht. Sie unterhaͤlt auch keine Lehrer oder Prieſter, ſondern nur weltliche, verheirathete und in der Goͤttergeſchichte ganz ungelehrte Tempelbediente. Nur zuweilen lehren und predigen die Sinto Sja, beſonders die Canuſj, bei ihren Tempeln. So war zu meiner Zeit ein von Miaco heruͤbergekomner Canuſj, der im Tenſitempel und hernach in der Suwo Mia, taͤglich uͤber einen Tractat oder Gebet: Makatto mi no tarrai oder Makatto mi tarrai, eine erklaͤrende Rede hielt, die aber blos ein Gewebe von unſinnigen Fabeln und Geſchichten der Goͤtter und Helden war. Dieſe Leute lehren auch wol ihre Theologie, aber ſehr geheimnisvol. Die lezte und wichtigſte Materie iſt die vom Anfang aller Dinge. Dieſe wird nicht eher erklaͤrt, bis der Kandidat mit eidlicher Handſchriſt und feinem untergeſezten Siegel verſprochen hat, daß *) Dieſe Periode beſindet ſich nur im Maſcpte des Neffen. **) Man ſieht wohl, daß hier Kaͤmpfer nur kurz wiederholt, was er ſchon oben im ſiebenten Kapitel des erſten Buchs und im erſten Kapitel des zweiten Buchs ausfuͤhrlicher abgehandelt hat.

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/359>, abgerufen am 24.11.2024.