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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Drittes Buch.
dies sol zum Andenken der vorigen alten Zeit geschehn, da man es nicht besser zu machen
gewust. Das Getränk ist sehr stark und verursacht starke Diarrheen, wenn man zuviel
davon zu sich nimt. An den großen Festtagen pflegt man auch wol nur das Dünne abzu-
schöpfen, und das Dicke nebenbey zu essen.*)

Das zweite Fest Sanguatz Sanitz. An diesem pflegt ein jeder nach abgelegtem
ordinären Besuch bei seinen Verwandten, Freunden und Obern sich Vergnügen zu machen,
so wie es alsdann die Frühlingszeit erlaubt. Pflaumen-Kirsch-und Aprikosenbäume sind
alsdann in voller Blüthe, und pflegen sich in einen Regen von den schönsten Blumen zu er-
gießen. Diese haben die schönsten Farben und überziehen alle Bäume wie fleischfarbige kleine
Rosen; jeder Mensch wird dadurch zum Spazierengehn eingeladen. Man pflegt auch be-
sonders in diesen Tagen, aus Liebe und zum glüklichen Gedeyen der Töchter, ein Gastmal
und Lustbarkeiten für die Familie anzustellen. Man schmükt eine Kammer aus mit Pup-
pen, die mehr als 1000**) Thaler an Werth haben, und den Staat des Dairi (d. i. des
geistlichen Erbkaisers oder Pabstes) mit Fina Kuge-Personen abbilden, jeder Person
wird auch eine kleine Tafel mit japanischer Kost vorgesezt, worunter sich besonders Reisku-
chen mit jungen Artemisia gebacken befinden. Futsu Motzi oder Artemisiakuchen ist
der Name derselben. Die Blätter werden erstlich eine Nacht geweicht und ausgedrükt,
hernach gestoßen und mit warmen, halbgekochten dicken Reis vermischt und wieder zerstoßen,
hernach noch einmal mit gekochtem und grob zerriebenem Reis durch einander geknetet. Mit
diesen Kuchen pflegen die Töchter, oder wenn diese noch unmündig, ihre Eltern die ankom-
menden Fremden nebst einer Schale Sacki zu bewirthen. Folgende Geschichte sol zu
dieser Gewonheit Anlas gegeben haben: Ein reicher Mann an dem Flus Rju Sa Gawa
(d. i. Vogelrevier) hatte eine Tochter Bunsjo, welche mit ihrem Ehemann (der Sym-
mios Dai Miosin
hies) keine Kinder bekommen konte. Sie rief deshalb die Cami an,
wurde schwanger und gebar fünfhundert Eyer. Das arme Weib erschrak hierüber sehr,
und aus Furcht, daß aus den Eyern böse Thiere hervorkommen möchten, legte sie dieselben
in einen Kasten, den sie mit den Worten: Fosjaroo überschrieb und hernach in den Flus
Rju Sa Gawa warf. Ein alter Fischer fand den Kasten in einer entferntern Gegend
des Strohms, öfnete ihn und trug die Eyer zu Hause. Sein Weib aber urtheilete, es
müste nichts vorzügliches in diesen Eyern seyn, weil man sie gewis nicht ohne Ursache würde
weggeworfen haben, und rieth also ihrem Mann, daß er sie wieder eben dahin bringen
mögte, wo er sie hergenommen hatte. Er aber antwortete: Wir sind beide alt und

müssen
*) Dieser ganze Absaz fehlt in der englischen
Uebersetzung.
**) Scheuchzer sagt viel unbestimter; to a con-
siderable value.

Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Drittes Buch.
dies ſol zum Andenken der vorigen alten Zeit geſchehn, da man es nicht beſſer zu machen
gewuſt. Das Getraͤnk iſt ſehr ſtark und verurſacht ſtarke Diarrheen, wenn man zuviel
davon zu ſich nimt. An den großen Feſttagen pflegt man auch wol nur das Duͤnne abzu-
ſchoͤpfen, und das Dicke nebenbey zu eſſen.*)

Das zweite Feſt Sanguatz Sanitz. An dieſem pflegt ein jeder nach abgelegtem
ordinaͤren Beſuch bei ſeinen Verwandten, Freunden und Obern ſich Vergnuͤgen zu machen,
ſo wie es alsdann die Fruͤhlingszeit erlaubt. Pflaumen-Kirſch-und Aprikoſenbaͤume ſind
alsdann in voller Bluͤthe, und pflegen ſich in einen Regen von den ſchoͤnſten Blumen zu er-
gießen. Dieſe haben die ſchoͤnſten Farben und uͤberziehen alle Baͤume wie fleiſchfarbige kleine
Roſen; jeder Menſch wird dadurch zum Spazierengehn eingeladen. Man pflegt auch be-
ſonders in dieſen Tagen, aus Liebe und zum gluͤklichen Gedeyen der Toͤchter, ein Gaſtmal
und Luſtbarkeiten fuͤr die Familie anzuſtellen. Man ſchmuͤkt eine Kammer aus mit Pup-
pen, die mehr als 1000**) Thaler an Werth haben, und den Staat des Dairi (d. i. des
geiſtlichen Erbkaiſers oder Pabſtes) mit Fina Kuge-Perſonen abbilden, jeder Perſon
wird auch eine kleine Tafel mit japaniſcher Koſt vorgeſezt, worunter ſich beſonders Reisku-
chen mit jungen Artemiſia gebacken befinden. Futſu Motzi oder Artemiſiakuchen iſt
der Name derſelben. Die Blaͤtter werden erſtlich eine Nacht geweicht und ausgedruͤkt,
hernach geſtoßen und mit warmen, halbgekochten dicken Reis vermiſcht und wieder zerſtoßen,
hernach noch einmal mit gekochtem und grob zerriebenem Reis durch einander geknetet. Mit
dieſen Kuchen pflegen die Toͤchter, oder wenn dieſe noch unmuͤndig, ihre Eltern die ankom-
menden Fremden nebſt einer Schale Sacki zu bewirthen. Folgende Geſchichte ſol zu
dieſer Gewonheit Anlas gegeben haben: Ein reicher Mann an dem Flus Rju Sa Gawa
(d. i. Vogelrevier) hatte eine Tochter Bunsjo, welche mit ihrem Ehemann (der Sym-
mios Dai Mioſin
hies) keine Kinder bekommen konte. Sie rief deshalb die Cami an,
wurde ſchwanger und gebar fuͤnfhundert Eyer. Das arme Weib erſchrak hieruͤber ſehr,
und aus Furcht, daß aus den Eyern boͤſe Thiere hervorkommen moͤchten, legte ſie dieſelben
in einen Kaſten, den ſie mit den Worten: Fosjaroo uͤberſchrieb und hernach in den Flus
Rju Sa Gawa warf. Ein alter Fiſcher fand den Kaſten in einer entferntern Gegend
des Strohms, oͤfnete ihn und trug die Eyer zu Hauſe. Sein Weib aber urtheilete, es
muͤſte nichts vorzuͤgliches in dieſen Eyern ſeyn, weil man ſie gewis nicht ohne Urſache wuͤrde
weggeworfen haben, und rieth alſo ihrem Mann, daß er ſie wieder eben dahin bringen
moͤgte, wo er ſie hergenommen hatte. Er aber antwortete: Wir ſind beide alt und

muͤſſen
*) Dieſer ganze Abſaz fehlt in der engliſchen
Ueberſetzung.
**) Scheuchzer ſagt viel unbeſtimter; to a con-
ſiderable value.
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[270/0376] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Drittes Buch. dies ſol zum Andenken der vorigen alten Zeit geſchehn, da man es nicht beſſer zu machen gewuſt. Das Getraͤnk iſt ſehr ſtark und verurſacht ſtarke Diarrheen, wenn man zuviel davon zu ſich nimt. An den großen Feſttagen pflegt man auch wol nur das Duͤnne abzu- ſchoͤpfen, und das Dicke nebenbey zu eſſen. *) Das zweite Feſt Sanguatz Sanitz. An dieſem pflegt ein jeder nach abgelegtem ordinaͤren Beſuch bei ſeinen Verwandten, Freunden und Obern ſich Vergnuͤgen zu machen, ſo wie es alsdann die Fruͤhlingszeit erlaubt. Pflaumen-Kirſch-und Aprikoſenbaͤume ſind alsdann in voller Bluͤthe, und pflegen ſich in einen Regen von den ſchoͤnſten Blumen zu er- gießen. Dieſe haben die ſchoͤnſten Farben und uͤberziehen alle Baͤume wie fleiſchfarbige kleine Roſen; jeder Menſch wird dadurch zum Spazierengehn eingeladen. Man pflegt auch be- ſonders in dieſen Tagen, aus Liebe und zum gluͤklichen Gedeyen der Toͤchter, ein Gaſtmal und Luſtbarkeiten fuͤr die Familie anzuſtellen. Man ſchmuͤkt eine Kammer aus mit Pup- pen, die mehr als 1000 **) Thaler an Werth haben, und den Staat des Dairi (d. i. des geiſtlichen Erbkaiſers oder Pabſtes) mit Fina Kuge-Perſonen abbilden, jeder Perſon wird auch eine kleine Tafel mit japaniſcher Koſt vorgeſezt, worunter ſich beſonders Reisku- chen mit jungen Artemiſia gebacken befinden. Futſu Motzi oder Artemiſiakuchen iſt der Name derſelben. Die Blaͤtter werden erſtlich eine Nacht geweicht und ausgedruͤkt, hernach geſtoßen und mit warmen, halbgekochten dicken Reis vermiſcht und wieder zerſtoßen, hernach noch einmal mit gekochtem und grob zerriebenem Reis durch einander geknetet. Mit dieſen Kuchen pflegen die Toͤchter, oder wenn dieſe noch unmuͤndig, ihre Eltern die ankom- menden Fremden nebſt einer Schale Sacki zu bewirthen. Folgende Geſchichte ſol zu dieſer Gewonheit Anlas gegeben haben: Ein reicher Mann an dem Flus Rju Sa Gawa (d. i. Vogelrevier) hatte eine Tochter Bunsjo, welche mit ihrem Ehemann (der Sym- mios Dai Mioſin hies) keine Kinder bekommen konte. Sie rief deshalb die Cami an, wurde ſchwanger und gebar fuͤnfhundert Eyer. Das arme Weib erſchrak hieruͤber ſehr, und aus Furcht, daß aus den Eyern boͤſe Thiere hervorkommen moͤchten, legte ſie dieſelben in einen Kaſten, den ſie mit den Worten: Fosjaroo uͤberſchrieb und hernach in den Flus Rju Sa Gawa warf. Ein alter Fiſcher fand den Kaſten in einer entferntern Gegend des Strohms, oͤfnete ihn und trug die Eyer zu Hauſe. Sein Weib aber urtheilete, es muͤſte nichts vorzuͤgliches in dieſen Eyern ſeyn, weil man ſie gewis nicht ohne Urſache wuͤrde weggeworfen haben, und rieth alſo ihrem Mann, daß er ſie wieder eben dahin bringen moͤgte, wo er ſie hergenommen hatte. Er aber antwortete: Wir ſind beide alt und muͤſſen *) Dieſer ganze Abſaz fehlt in der engliſchen Ueberſetzung. **) Scheuchzer ſagt viel unbeſtimter; to a con- ſiderable value.

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/376>, abgerufen am 24.11.2024.