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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Drit. Kap. Von den Rebi der Sinto etc.

Um diese Feste aber nun noch genauer zu betrachten, müssen wir mit dem So-
guatz
oder Neujahrstage anfangen, der durch ganz Japan mit der grösten Feyerlichkeit
und mehr als alle andre Festtage gefeyert wird. Das Hauptgeschäft an demselben besteht
darin, daß sich alle Menschen durch einander besuchen, und wegen glüklichen Antrits des
neuen Jahrs gratuliren; ferner daß sie essen, trinken und die Tempel besuchen, welches
einige aus Religion, die meisten aber blos des Vergnügens wegen thun. Am frühen Mor-
gen macht sich jeder, wer nur irgend kan, auf, begiebt sich, aufs beste geschmükt, in die Häu-
ser seiner Obern und Freunde, und sagt sein Medito oder Glükwunsch mit tiefer Vernei-
gung des Körpers. Dabey präsentirt er jedem eine Schachtel mit zwei oder drei Fächern
(Wehern,) und auf welche ein plat Stük von getroknetem Fleisch der Muschel Awabi,*)
als ein Zeichen des Wohlstands und Glüks, geklebt ist. Man pflegt dieses auch mit seinem
Namen zu beschreiben, um in Abwesenheit des Freundes den Abgeber bekant zu machen.
Jn vornehmen Häusern pflegt auch allemal im Vorsal ein Schreiber die Geschenke und Com-
plimente anzunehmen und zum Bericht an seine Herschaft aufzuzeichnen.

Wenn der Morgen auf diese Art zugebracht und hie und da mit einem ausgebrach-
ten Glükwunsch der Grund zu den folgenden Freuden gelegt ist, so wird nun der übrige Theil
des Tags mit einem herlichen Schmause bey den Vornehmsten der Familie zugebracht. Und
dann währt das Schwärmen und Complimentiren noch die drei nächsten Tage ununterbro-
chen fort; das Traktiren aber einen ganzen Monat. Jn den ersten Tagen mus alles in
Freude und Ueberflus schwimmen, und jeder aufs prächtigste und beste gekleidet seyn. Auch
der ärmste Tagelöhner unterläst nicht ein Kamisjno mit einem Säbel zu miethen, um diese
Comödie mitzuspielen. Nur wenige verrichten auch ihre Andacht in den Tempeln, am mei-
sten aber in dem des Tensjo Dai Sin.

Noch ein besonderer abergläubischer Gebrauch wird an diesem, so wie an allen an-
dern Festen der Japaner beobachtet. Man pflegt nemlich in den Häusern und Tempeln
selbst etwas zum Trinken auszugeben, welches Amasakki d. i. süße Sakki genant wird.
Sowol Kuge, als andre freygebige Bürger, die sich in dieser Absicht in die Tempel ver-
fügen, pflegen es auszuschenken. Dies Getränk wird des Tags vorher auf folgende Art
gemacht. Man nimt ein Maas erkalteten gekochten Reis, ein Maas oder etwas mehr (doch
zuviel macht zu süß) Kosi; giest Wasser drüber und läst die Nacht oder Tag und Nacht an
einem warmen Orte in Gährung kommen. Dann ists fertig, und wird nun getrunken. Auch

dies
*) [Spaltenumbruch]
Der Verfasser hat schon oben (S. 158) von
dieser Muschel geredt. Scheuchzer's Uebersetzung
sezt noch hinzu, daß diese Muschel besonders an die
[Spaltenumbruch] Frugalität und Armuth der Vorfahren erinnern
solle, die meistens von dieser Muschel lebten.
L l 3
Drit. Kap. Von den Rebi der Sinto ꝛc.

Um dieſe Feſte aber nun noch genauer zu betrachten, muͤſſen wir mit dem So-
guatz
oder Neujahrstage anfangen, der durch ganz Japan mit der groͤſten Feyerlichkeit
und mehr als alle andre Feſttage gefeyert wird. Das Hauptgeſchaͤft an demſelben beſteht
darin, daß ſich alle Menſchen durch einander beſuchen, und wegen gluͤklichen Antrits des
neuen Jahrs gratuliren; ferner daß ſie eſſen, trinken und die Tempel beſuchen, welches
einige aus Religion, die meiſten aber blos des Vergnuͤgens wegen thun. Am fruͤhen Mor-
gen macht ſich jeder, wer nur irgend kan, auf, begiebt ſich, aufs beſte geſchmuͤkt, in die Haͤu-
ſer ſeiner Obern und Freunde, und ſagt ſein Medito oder Gluͤkwunſch mit tiefer Vernei-
gung des Koͤrpers. Dabey praͤſentirt er jedem eine Schachtel mit zwei oder drei Faͤchern
(Wehern,) und auf welche ein plat Stuͤk von getroknetem Fleiſch der Muſchel Awabi,*)
als ein Zeichen des Wohlſtands und Gluͤks, geklebt iſt. Man pflegt dieſes auch mit ſeinem
Namen zu beſchreiben, um in Abweſenheit des Freundes den Abgeber bekant zu machen.
Jn vornehmen Haͤuſern pflegt auch allemal im Vorſal ein Schreiber die Geſchenke und Com-
plimente anzunehmen und zum Bericht an ſeine Herſchaft aufzuzeichnen.

Wenn der Morgen auf dieſe Art zugebracht und hie und da mit einem ausgebrach-
ten Gluͤkwunſch der Grund zu den folgenden Freuden gelegt iſt, ſo wird nun der uͤbrige Theil
des Tags mit einem herlichen Schmauſe bey den Vornehmſten der Familie zugebracht. Und
dann waͤhrt das Schwaͤrmen und Complimentiren noch die drei naͤchſten Tage ununterbro-
chen fort; das Traktiren aber einen ganzen Monat. Jn den erſten Tagen mus alles in
Freude und Ueberflus ſchwimmen, und jeder aufs praͤchtigſte und beſte gekleidet ſeyn. Auch
der aͤrmſte Tageloͤhner unterlaͤſt nicht ein Kamiſjno mit einem Saͤbel zu miethen, um dieſe
Comoͤdie mitzuſpielen. Nur wenige verrichten auch ihre Andacht in den Tempeln, am mei-
ſten aber in dem des Tenſjo Dai Sin.

Noch ein beſonderer aberglaͤubiſcher Gebrauch wird an dieſem, ſo wie an allen an-
dern Feſten der Japaner beobachtet. Man pflegt nemlich in den Haͤuſern und Tempeln
ſelbſt etwas zum Trinken auszugeben, welches Amaſakki d. i. ſuͤße Sakki genant wird.
Sowol Kuge, als andre freygebige Buͤrger, die ſich in dieſer Abſicht in die Tempel ver-
fuͤgen, pflegen es auszuſchenken. Dies Getraͤnk wird des Tags vorher auf folgende Art
gemacht. Man nimt ein Maas erkalteten gekochten Reis, ein Maas oder etwas mehr (doch
zuviel macht zu ſuͤß) Koſi; gieſt Waſſer druͤber und laͤſt die Nacht oder Tag und Nacht an
einem warmen Orte in Gaͤhrung kommen. Dann iſts fertig, und wird nun getrunken. Auch

dies
*) [Spaltenumbruch]
Der Verfaſſer hat ſchon oben (S. 158) von
dieſer Muſchel geredt. Scheuchzer’s Ueberſetzung
ſezt noch hinzu, daß dieſe Muſchel beſonders an die
[Spaltenumbruch] Frugalitaͤt und Armuth der Vorfahren erinnern
ſolle, die meiſtens von dieſer Muſchel lebten.
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[269/0375] Drit. Kap. Von den Rebi der Sinto ꝛc. Um dieſe Feſte aber nun noch genauer zu betrachten, muͤſſen wir mit dem So- guatz oder Neujahrstage anfangen, der durch ganz Japan mit der groͤſten Feyerlichkeit und mehr als alle andre Feſttage gefeyert wird. Das Hauptgeſchaͤft an demſelben beſteht darin, daß ſich alle Menſchen durch einander beſuchen, und wegen gluͤklichen Antrits des neuen Jahrs gratuliren; ferner daß ſie eſſen, trinken und die Tempel beſuchen, welches einige aus Religion, die meiſten aber blos des Vergnuͤgens wegen thun. Am fruͤhen Mor- gen macht ſich jeder, wer nur irgend kan, auf, begiebt ſich, aufs beſte geſchmuͤkt, in die Haͤu- ſer ſeiner Obern und Freunde, und ſagt ſein Medito oder Gluͤkwunſch mit tiefer Vernei- gung des Koͤrpers. Dabey praͤſentirt er jedem eine Schachtel mit zwei oder drei Faͤchern (Wehern,) und auf welche ein plat Stuͤk von getroknetem Fleiſch der Muſchel Awabi, *) als ein Zeichen des Wohlſtands und Gluͤks, geklebt iſt. Man pflegt dieſes auch mit ſeinem Namen zu beſchreiben, um in Abweſenheit des Freundes den Abgeber bekant zu machen. Jn vornehmen Haͤuſern pflegt auch allemal im Vorſal ein Schreiber die Geſchenke und Com- plimente anzunehmen und zum Bericht an ſeine Herſchaft aufzuzeichnen. Wenn der Morgen auf dieſe Art zugebracht und hie und da mit einem ausgebrach- ten Gluͤkwunſch der Grund zu den folgenden Freuden gelegt iſt, ſo wird nun der uͤbrige Theil des Tags mit einem herlichen Schmauſe bey den Vornehmſten der Familie zugebracht. Und dann waͤhrt das Schwaͤrmen und Complimentiren noch die drei naͤchſten Tage ununterbro- chen fort; das Traktiren aber einen ganzen Monat. Jn den erſten Tagen mus alles in Freude und Ueberflus ſchwimmen, und jeder aufs praͤchtigſte und beſte gekleidet ſeyn. Auch der aͤrmſte Tageloͤhner unterlaͤſt nicht ein Kamiſjno mit einem Saͤbel zu miethen, um dieſe Comoͤdie mitzuſpielen. Nur wenige verrichten auch ihre Andacht in den Tempeln, am mei- ſten aber in dem des Tenſjo Dai Sin. Noch ein beſonderer aberglaͤubiſcher Gebrauch wird an dieſem, ſo wie an allen an- dern Feſten der Japaner beobachtet. Man pflegt nemlich in den Haͤuſern und Tempeln ſelbſt etwas zum Trinken auszugeben, welches Amaſakki d. i. ſuͤße Sakki genant wird. Sowol Kuge, als andre freygebige Buͤrger, die ſich in dieſer Abſicht in die Tempel ver- fuͤgen, pflegen es auszuſchenken. Dies Getraͤnk wird des Tags vorher auf folgende Art gemacht. Man nimt ein Maas erkalteten gekochten Reis, ein Maas oder etwas mehr (doch zuviel macht zu ſuͤß) Koſi; gieſt Waſſer druͤber und laͤſt die Nacht oder Tag und Nacht an einem warmen Orte in Gaͤhrung kommen. Dann iſts fertig, und wird nun getrunken. Auch dies *) Der Verfaſſer hat ſchon oben (S. 158) von dieſer Muſchel geredt. Scheuchzer’s Ueberſetzung ſezt noch hinzu, daß dieſe Muſchel beſonders an die Frugalitaͤt und Armuth der Vorfahren erinnern ſolle, die meiſtens von dieſer Muſchel lebten. L l 3

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/375>, abgerufen am 24.11.2024.