Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.Kämpfers Geschichte von Japan. Drittes Buch. "wil ich dir übergeben, als das einzige Zeichen meiner Dankbarkeit, das mein un-"glüklicher Zustand mir erlaubt, dir für ein so großmüthiges Betragen an- "zubieten." "So sprach Er, riß sich beide Augen aus, und präsentirte sie auf einem Teller "Diese Nachricht geben die japanischen Geschichtschreiber von der ursprünglichen "die
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Drittes Buch. „wil ich dir uͤbergeben, als das einzige Zeichen meiner Dankbarkeit, das mein un-„gluͤklicher Zuſtand mir erlaubt, dir fuͤr ein ſo großmuͤthiges Betragen an- „zubieten.‟ „So ſprach Er, riß ſich beide Augen aus, und praͤſentirte ſie auf einem Teller „Dieſe Nachricht geben die japaniſchen Geſchichtſchreiber von der urſpruͤnglichen „die
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Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Drittes Buch.
„wil ich dir uͤbergeben, als das einzige Zeichen meiner Dankbarkeit, das mein un-
„gluͤklicher Zuſtand mir erlaubt, dir fuͤr ein ſo großmuͤthiges Betragen an-
„zubieten.‟
„So ſprach Er, riß ſich beide Augen aus, und praͤſentirte ſie auf einem Teller
„dem Joritomo, gleich jenem kuͤhnen Roͤmer, der im Angeſicht des Porſenna auf dem
„Altar ſeine Rechte ſelbſt verbrante. Joritomo erſtaunte uͤber ſo viel Großmuth und
„Entſchloſſenheit, und ſezte den gefangnen General ſogleich in Freiheit. Dieſer begab ſich
„nun in die Provinz Fjuga, wo er auf der Bywa, einem in Japan uͤblichen beſondern
„muſikaliſchen Jnſtrument ſpielen lernte. Er errichtete zugleich die Geſelſchaft der Feki
„Blinden, und wurde der erſte Kengio oder das Haupt derſelben.‟
„Dieſe Nachricht geben die japaniſchen Geſchichtſchreiber von der urſpruͤnglichen
„Einrichtung dieſer Geſelſchaft, welche nachher immer zahlreicher geworden iſt, und nun-
„mehr aus Perſonen von jedem Stande und Lebensart beſteht. Sie ſcheren ſich das Haupt
„eben wie die Buſſe-Sado oder die geiſtlichen Blinden. Da ſie aber uͤbrigens weltliche
„Perſonen bleiben, ſo tragen ſie auch weltliche Kleider, die aber doch von der gewoͤhnlichen
„Kleidung der Japaner ſich auszeichnen, auch unter ihnen ſelbſt nach eines jeden Rang
„und Wuͤrde ſehr verſchieden ſind. Sie leben nicht vom Almoſen, ſondern ſie ſuchen, nach
„ihren verſchiednen Faͤhigkeiten, ſich ſelbſt ihren Unterhalt zu gewinnen, und waͤhlen ver-
„ſchiedne Beſchaͤftigungen, die mit ihrem ungluͤklichen Zuſtande beſtehn koͤnnen. Einige
„legen ſich auf Muſik, und uͤben dieſelbe an den Hoͤfen der Fuͤrſten und großen Herrn, oder
„bei feyerlichen Gelegenheiten, Feſten, Proceſſionen u. ſ. w. aus. Wer einmal als Mit-
„glied dieſer Geſelſchaft aufgenommen iſt, mus es auch waͤhrend ſeines ganzen Lebens blei-
„ben. Sie ſind durchs ganze Reich zerſtreuet, ihr General aber reſidirt immer in Miaco,
„wo auch die Caſſe der Geſelſchaft iſt. Dieſer General heiſt Oſiokf, und der Dairi hat
„ihm 4300 Tails zu ſeinem Unterhalt ausgeſezt. Er regiert die ganze Geſelſchaft, und hat
„zehn Raͤthe zu Gehuͤlfen, die Siu Ro heißen, welches ſoviel ohngefehr als der engliſche
„Alderman bedeutet, unter denen er, der General, ſelbſt der aͤlteſte iſt. Sie reſidiren
„alle in Miaco, und haben in Verbindung mit dem General Macht uͤber Leben und Tod,
„nur mit dieſer Einſchraͤnkung, daß niemand durch ſie hingerichtet werden kan, wenn ihr Aus-
„ſpruch nicht gebilligt und durch den oberſten Richter in Miaco unterzeichnet iſt. Dieſer
„Rath beſtimt oft die untern Bedienten, die in verſchiednen Provinzen reſidiren. Einige
„derſelben heißen Kengio d. i. Provinzialvaͤter, da jeder in ſeinem Bezirk ohngefehr das iſt,
„was der General fuͤr die ganze Geſelſchaft. Anfangs fuͤhrte nur der Stifter den Namen
„Kengio. Da aber die Geſelſchaft in der Folge der Zeit immer zahlreicher wurde, ſo wurde
„es noͤthig gefunden, die Regierung zu aͤndern, und einen Gerichtshof feſtzuſetzen, der uͤber
„die
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