Um sich vor der Sonnenhitze zu schützen, bedient man sich eines großen Huthes von gesplissenem Bambus oder Stroh nett und künstlich geflochten, in der Figur eines ausge- spanten Sombreiro oder Sonnenschirms. Man bindet ihn mit halbseidenen und baumwollenen Bändern unter dem Kinn feste. Er ist durchsichtig und leicht, lässet aber dennoch, so bald er feucht geworden, keinen Regen durch. Nicht nur die Mannspersonen tragen ihn auf der Reise, sondern auch die Frauenspersonen in Städten und Dörfern geben sich zu jeder Zeit damit ein schönes Ansehen.
Auch haben die Japaner auf ihren Reisen weite Pumphosen an, die bis zur Be- deckung der Waden enge herunter gehen und auf beiden Seiten einen Schliz haben, um ihre lange Röcke darin aufzufassen, die ihnen sonst im Reiten oder Gehen unbequem seyn würden. Ueber diese Hosen ziehen sie auch wol einen kurzen Mantel an; andere machen stat der Strümpfe eine breite Binde über die Waden. Gemeine Bedienten, insonderheit die Norimon und Piketräger brauchen keine Hosen, sondern schlagen, um geschwinder zu seyn, ihre Röcke auf und stecken sie in den Leibgürtel, so, daß ihr ganzer Unterleib zum Vorschein komt, welches bei ihnen keine Schande ist.
So wie wir Europäer selten ohne Handschuhe auszugehen pflegen, eben so ist es bei den Japanern mit dem Fächer, den beide Geschlechter als ein Ehrenzeichen führen. Auf den Reisen haben sie eine Art derselben, worauf die Meilen, Herbergen und Preise der Lebensmittel angewiesen und gedrukt stehen; außerdem siehet man stat dessen viele Bet- telkinder auf den Wegen, die den Reisenden kleine Bücher feil bieten, worinnen man eben dasselbe verzeichnet findet. Kein Ausländer darf, (wenigstens nicht öffentlich) dergleichen Unterricht an sich kaufen.
Dieses wäre demnach die Art, wie man sich in diesem Lande zur Reise ausrüstet; und ein Japaner, der denn so zu Pferde sitzet, macht von weitem eine sehr sonderbare und komische Figur, denn da er ohnedem von kurzer und breiter Statur ist, und nun der große Huth, die breite abstehende Mäntel und Pumphosen noch dazu kommen, so wird er beinahe eben so breit als lang. Auf dem Wege reitet man einzeln hinter einander. Kaufleute las- sen ihre mit zwei oder drei Packen oder Feleisen schwer beladene Pferde vor sich her leiten und reiten auf Lastpferden nach. Der Zaum wird nicht von dem Reuter sondern von dem Pferdeknechte geführt, welcher zur rechten neben dem Kopfe des Pferdes gehet. Er singt dabei mit seinen Kameraden ein lustig Liedchen, um sich die Zeit zu vertreiben und die Pferde aufzumuntern.
Die europäische Art zu reiten, wo man das gesattelte Pferd beschreitet und den Zügel selbst führt, gehört bei den Japanern eigentlich in den Krieg und für den Soldaten. Selten und fast gar nicht thut man das auf Reisen, häufiger jedoch in den Städten, wenn sich Personen vom Stande Besuche geben, nur mit dem Unterschiede, daß der Reuter, der
sehr
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.
Um ſich vor der Sonnenhitze zu ſchuͤtzen, bedient man ſich eines großen Huthes von geſpliſſenem Bambus oder Stroh nett und kuͤnſtlich geflochten, in der Figur eines ausge- ſpanten Sombreiro oder Sonnenſchirms. Man bindet ihn mit halbſeidenen und baumwollenen Baͤndern unter dem Kinn feſte. Er iſt durchſichtig und leicht, laͤſſet aber dennoch, ſo bald er feucht geworden, keinen Regen durch. Nicht nur die Mannsperſonen tragen ihn auf der Reiſe, ſondern auch die Frauensperſonen in Staͤdten und Doͤrfern geben ſich zu jeder Zeit damit ein ſchoͤnes Anſehen.
Auch haben die Japaner auf ihren Reiſen weite Pumphoſen an, die bis zur Be- deckung der Waden enge herunter gehen und auf beiden Seiten einen Schliz haben, um ihre lange Roͤcke darin aufzufaſſen, die ihnen ſonſt im Reiten oder Gehen unbequem ſeyn wuͤrden. Ueber dieſe Hoſen ziehen ſie auch wol einen kurzen Mantel an; andere machen ſtat der Struͤmpfe eine breite Binde uͤber die Waden. Gemeine Bedienten, inſonderheit die Norimon und Piketraͤger brauchen keine Hoſen, ſondern ſchlagen, um geſchwinder zu ſeyn, ihre Roͤcke auf und ſtecken ſie in den Leibguͤrtel, ſo, daß ihr ganzer Unterleib zum Vorſchein komt, welches bei ihnen keine Schande iſt.
So wie wir Europaͤer ſelten ohne Handſchuhe auszugehen pflegen, eben ſo iſt es bei den Japanern mit dem Faͤcher, den beide Geſchlechter als ein Ehrenzeichen fuͤhren. Auf den Reiſen haben ſie eine Art derſelben, worauf die Meilen, Herbergen und Preiſe der Lebensmittel angewieſen und gedrukt ſtehen; außerdem ſiehet man ſtat deſſen viele Bet- telkinder auf den Wegen, die den Reiſenden kleine Buͤcher feil bieten, worinnen man eben daſſelbe verzeichnet findet. Kein Auslaͤnder darf, (wenigſtens nicht oͤffentlich) dergleichen Unterricht an ſich kaufen.
Dieſes waͤre demnach die Art, wie man ſich in dieſem Lande zur Reiſe ausruͤſtet; und ein Japaner, der denn ſo zu Pferde ſitzet, macht von weitem eine ſehr ſonderbare und komiſche Figur, denn da er ohnedem von kurzer und breiter Statur iſt, und nun der große Huth, die breite abſtehende Maͤntel und Pumphoſen noch dazu kommen, ſo wird er beinahe eben ſo breit als lang. Auf dem Wege reitet man einzeln hinter einander. Kaufleute laſ- ſen ihre mit zwei oder drei Packen oder Feleiſen ſchwer beladene Pferde vor ſich her leiten und reiten auf Laſtpferden nach. Der Zaum wird nicht von dem Reuter ſondern von dem Pferdeknechte gefuͤhrt, welcher zur rechten neben dem Kopfe des Pferdes gehet. Er ſingt dabei mit ſeinen Kameraden ein luſtig Liedchen, um ſich die Zeit zu vertreiben und die Pferde aufzumuntern.
Die europaͤiſche Art zu reiten, wo man das geſattelte Pferd beſchreitet und den Zuͤgel ſelbſt fuͤhrt, gehoͤrt bei den Japanern eigentlich in den Krieg und fuͤr den Soldaten. Selten und faſt gar nicht thut man das auf Reiſen, haͤufiger jedoch in den Staͤdten, wenn ſich Perſonen vom Stande Beſuche geben, nur mit dem Unterſchiede, daß der Reuter, der
ſehr
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Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.
Um ſich vor der Sonnenhitze zu ſchuͤtzen, bedient man ſich eines großen Huthes von
geſpliſſenem Bambus oder Stroh nett und kuͤnſtlich geflochten, in der Figur eines ausge-
ſpanten Sombreiro oder Sonnenſchirms. Man bindet ihn mit halbſeidenen und baumwollenen
Baͤndern unter dem Kinn feſte. Er iſt durchſichtig und leicht, laͤſſet aber dennoch, ſo bald
er feucht geworden, keinen Regen durch. Nicht nur die Mannsperſonen tragen ihn auf der
Reiſe, ſondern auch die Frauensperſonen in Staͤdten und Doͤrfern geben ſich zu jeder Zeit
damit ein ſchoͤnes Anſehen.
Auch haben die Japaner auf ihren Reiſen weite Pumphoſen an, die bis zur Be-
deckung der Waden enge herunter gehen und auf beiden Seiten einen Schliz haben, um
ihre lange Roͤcke darin aufzufaſſen, die ihnen ſonſt im Reiten oder Gehen unbequem ſeyn
wuͤrden. Ueber dieſe Hoſen ziehen ſie auch wol einen kurzen Mantel an; andere machen ſtat
der Struͤmpfe eine breite Binde uͤber die Waden. Gemeine Bedienten, inſonderheit die
Norimon und Piketraͤger brauchen keine Hoſen, ſondern ſchlagen, um geſchwinder zu ſeyn,
ihre Roͤcke auf und ſtecken ſie in den Leibguͤrtel, ſo, daß ihr ganzer Unterleib zum Vorſchein
komt, welches bei ihnen keine Schande iſt.
So wie wir Europaͤer ſelten ohne Handſchuhe auszugehen pflegen, eben ſo iſt es
bei den Japanern mit dem Faͤcher, den beide Geſchlechter als ein Ehrenzeichen fuͤhren.
Auf den Reiſen haben ſie eine Art derſelben, worauf die Meilen, Herbergen und Preiſe
der Lebensmittel angewieſen und gedrukt ſtehen; außerdem ſiehet man ſtat deſſen viele Bet-
telkinder auf den Wegen, die den Reiſenden kleine Buͤcher feil bieten, worinnen man eben
daſſelbe verzeichnet findet. Kein Auslaͤnder darf, (wenigſtens nicht oͤffentlich) dergleichen
Unterricht an ſich kaufen.
Dieſes waͤre demnach die Art, wie man ſich in dieſem Lande zur Reiſe ausruͤſtet;
und ein Japaner, der denn ſo zu Pferde ſitzet, macht von weitem eine ſehr ſonderbare und
komiſche Figur, denn da er ohnedem von kurzer und breiter Statur iſt, und nun der große
Huth, die breite abſtehende Maͤntel und Pumphoſen noch dazu kommen, ſo wird er beinahe
eben ſo breit als lang. Auf dem Wege reitet man einzeln hinter einander. Kaufleute laſ-
ſen ihre mit zwei oder drei Packen oder Feleiſen ſchwer beladene Pferde vor ſich her leiten
und reiten auf Laſtpferden nach. Der Zaum wird nicht von dem Reuter ſondern von dem
Pferdeknechte gefuͤhrt, welcher zur rechten neben dem Kopfe des Pferdes gehet. Er ſingt
dabei mit ſeinen Kameraden ein luſtig Liedchen, um ſich die Zeit zu vertreiben und die Pferde
aufzumuntern.
Die europaͤiſche Art zu reiten, wo man das geſattelte Pferd beſchreitet und den
Zuͤgel ſelbſt fuͤhrt, gehoͤrt bei den Japanern eigentlich in den Krieg und fuͤr den Soldaten.
Selten und faſt gar nicht thut man das auf Reiſen, haͤufiger jedoch in den Staͤdten, wenn
ſich Perſonen vom Stande Beſuche geben, nur mit dem Unterſchiede, daß der Reuter, der
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/166>, abgerufen am 21.11.2024.
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