Drittes Kap. Beschreibung der weltlichen und geistlichen Gebäude.
An den Thüren und Pfosten der gemeinen Häuser (Personen vom Stande lieben die Bekleisterung nicht) siehet man durchgängig ein auf einem halben Bogen abgedruktes schlechtes Bildnis dieses oder jenen Hausgötzen; das von dem schwarzen Giwon, fonst Godsu Ten Oo genant, welches nach dem Buchstaben der Ochsenköpfige Himmels- fürst heißet, ist am gemeinsten. Man glaubt von ihm, daß er die Hausgenossen vor Krankheiten, und insonderheit die Kinder vor den Blattern, die in dem Lande sehr bösar- tig sind, bewahre. (Tab. XX. Fig. 10.) Jn vielen Dörfern meinet man noch besser vor dergleichen Uebeln geschüzt zu seyn, indem alda die scheusliche Figur eines mit Haaren bewachsenen Jesoers, die mit beiden Händen ein großes Schwerdt führen, als ob er da- durch das Unglück abwehre, jenes Stelle vertrit. An der Vorderseite neuer und schöner Häuser habe ich manchmal einen gemalten Drachen oder Teufelskopf, mit aufgesperretem Maule, großen Zähnen und feurigen Augen angetroffen; welcher Figur auch die Sinefen und Jndianer, ja selbst die Mahomedaner in Arabien und Persien einen Plaz über ihre Thüren geben, damit, wie die lezteren sagen, neidische Augen bei dem Anblicke sich bre- chen, und folglich dem Hause nicht schaden mögen. So ist an eben dem Orte gewöhnlich ein Zweig von dem Baume Fanna Skimmi, oder auch das Kraut Odermennig ange- bracht: durch das erste sol Segen in das Haus kommen, durch das andere aber der böse Geist vertrieben werden, mehrerer anderer Zweige von geringerem Belange zu geschweigen. Jn verschiedenen Flecken findet man hölzerne Ablas-Schachteln über die Thüren gesezt, welche die Pilgrimme jährlich von Jsje mitbringen, und durch welche man dem Hause Glük zuzuwenden meinet. Andere kleben und hangen lange Papierstücken, die von den Geistli- chen verschiedener Sekten und Klöster den ihrer Bekäntnis zugethanen Hausvätern gegeben werden, an die Hausthüre oder in das innere und die Kammern, durch welche Kraft ge- wisser Charaktere und Gebätformeln alles Unglük beschworen und von dem Hause abgewie- sen wird. Gegen diese oder jene besondere Seuchen und Plagen hat man noch viele derglei- chen Amuleten vor die Thüren geheftet; eins ist unter andern auch wider die Armuth; und da mögen denn Diebe gar schlecht ihre Rechnung finden.
Vier-
Drittes Kap. Beſchreibung der weltlichen und geiſtlichen Gebaͤude.
An den Thuͤren und Pfoſten der gemeinen Haͤuſer (Perſonen vom Stande lieben die Bekleiſterung nicht) ſiehet man durchgaͤngig ein auf einem halben Bogen abgedruktes ſchlechtes Bildnis dieſes oder jenen Hausgoͤtzen; das von dem ſchwarzen Giwon, fonſt Godſu Ten Oo genant, welches nach dem Buchſtaben der Ochſenkoͤpfige Himmels- fuͤrſt heißet, iſt am gemeinſten. Man glaubt von ihm, daß er die Hausgenoſſen vor Krankheiten, und inſonderheit die Kinder vor den Blattern, die in dem Lande ſehr boͤsar- tig ſind, bewahre. (Tab. XX. Fig. 10.) Jn vielen Doͤrfern meinet man noch beſſer vor dergleichen Uebeln geſchuͤzt zu ſeyn, indem alda die ſcheusliche Figur eines mit Haaren bewachſenen Jeſoers, die mit beiden Haͤnden ein großes Schwerdt fuͤhren, als ob er da- durch das Ungluͤck abwehre, jenes Stelle vertrit. An der Vorderſeite neuer und ſchoͤner Haͤuſer habe ich manchmal einen gemalten Drachen oder Teufelskopf, mit aufgeſperretem Maule, großen Zaͤhnen und feurigen Augen angetroffen; welcher Figur auch die Sinefen und Jndianer, ja ſelbſt die Mahomedaner in Arabien und Perſien einen Plaz uͤber ihre Thuͤren geben, damit, wie die lezteren ſagen, neidiſche Augen bei dem Anblicke ſich bre- chen, und folglich dem Hauſe nicht ſchaden moͤgen. So iſt an eben dem Orte gewoͤhnlich ein Zweig von dem Baume Fanna Skimmi, oder auch das Kraut Odermennig ange- bracht: durch das erſte ſol Segen in das Haus kommen, durch das andere aber der boͤſe Geiſt vertrieben werden, mehrerer anderer Zweige von geringerem Belange zu geſchweigen. Jn verſchiedenen Flecken findet man hoͤlzerne Ablas-Schachteln uͤber die Thuͤren geſezt, welche die Pilgrimme jaͤhrlich von Jsje mitbringen, und durch welche man dem Hauſe Gluͤk zuzuwenden meinet. Andere kleben und hangen lange Papierſtuͤcken, die von den Geiſtli- chen verſchiedener Sekten und Kloͤſter den ihrer Bekaͤntnis zugethanen Hausvaͤtern gegeben werden, an die Hausthuͤre oder in das innere und die Kammern, durch welche Kraft ge- wiſſer Charaktere und Gebaͤtformeln alles Ungluͤk beſchworen und von dem Hauſe abgewie- ſen wird. Gegen dieſe oder jene beſondere Seuchen und Plagen hat man noch viele derglei- chen Amuleten vor die Thuͤren geheftet; eins iſt unter andern auch wider die Armuth; und da moͤgen denn Diebe gar ſchlecht ihre Rechnung finden.
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Drittes Kap. Beſchreibung der weltlichen und geiſtlichen Gebaͤude.
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die Bekleiſterung nicht) ſiehet man durchgaͤngig ein auf einem halben Bogen abgedruktes
ſchlechtes Bildnis dieſes oder jenen Hausgoͤtzen; das von dem ſchwarzen Giwon, fonſt
Godſu Ten Oo genant, welches nach dem Buchſtaben der Ochſenkoͤpfige Himmels-
fuͤrſt heißet, iſt am gemeinſten. Man glaubt von ihm, daß er die Hausgenoſſen vor
Krankheiten, und inſonderheit die Kinder vor den Blattern, die in dem Lande ſehr boͤsar-
tig ſind, bewahre. (Tab. XX. Fig. 10.) Jn vielen Doͤrfern meinet man noch beſſer
vor dergleichen Uebeln geſchuͤzt zu ſeyn, indem alda die ſcheusliche Figur eines mit Haaren
bewachſenen Jeſoers, die mit beiden Haͤnden ein großes Schwerdt fuͤhren, als ob er da-
durch das Ungluͤck abwehre, jenes Stelle vertrit. An der Vorderſeite neuer und ſchoͤner
Haͤuſer habe ich manchmal einen gemalten Drachen oder Teufelskopf, mit aufgeſperretem
Maule, großen Zaͤhnen und feurigen Augen angetroffen; welcher Figur auch die Sinefen
und Jndianer, ja ſelbſt die Mahomedaner in Arabien und Perſien einen Plaz uͤber ihre
Thuͤren geben, damit, wie die lezteren ſagen, neidiſche Augen bei dem Anblicke ſich bre-
chen, und folglich dem Hauſe nicht ſchaden moͤgen. So iſt an eben dem Orte gewoͤhnlich
ein Zweig von dem Baume Fanna Skimmi, oder auch das Kraut Odermennig ange-
bracht: durch das erſte ſol Segen in das Haus kommen, durch das andere aber der boͤſe
Geiſt vertrieben werden, mehrerer anderer Zweige von geringerem Belange zu geſchweigen.
Jn verſchiedenen Flecken findet man hoͤlzerne Ablas-Schachteln uͤber die Thuͤren geſezt,
welche die Pilgrimme jaͤhrlich von Jsje mitbringen, und durch welche man dem Hauſe Gluͤk
zuzuwenden meinet. Andere kleben und hangen lange Papierſtuͤcken, die von den Geiſtli-
chen verſchiedener Sekten und Kloͤſter den ihrer Bekaͤntnis zugethanen Hausvaͤtern gegeben
werden, an die Hausthuͤre oder in das innere und die Kammern, durch welche Kraft ge-
wiſſer Charaktere und Gebaͤtformeln alles Ungluͤk beſchworen und von dem Hauſe abgewie-
ſen wird. Gegen dieſe oder jene beſondere Seuchen und Plagen hat man noch viele derglei-
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da moͤgen denn Diebe gar ſchlecht ihre Rechnung finden.
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/185>, abgerufen am 21.11.2024.
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