Viert. Kap. Beschreibung der Posthäuser, Herbergen, etc.
Ein armer Reisender kan es aus seinem bei sich führenden gedrukten Wegweiser wissen, an welchem Orte er diese und dergleichen Speisen, und wo er sie am besten und wohlfeilsten bekömt, und also seinen Appetit darnach einrichten.
Da übrigens ein Reisender selten etwas anders als Thee trinkt, so ist dieser hier an dem Wege in allen Wirthshäusern, Herbergen, Garküchen und den vielen im Felde und Wäldern errichteten Buden zu haben. Man nimt aber dazu die gröbesten Blätter, die nach zweimaliger Ablesung der jungen Blätter (welche meistens bei der Tafel von vor- nehmern Personen verbraucht werden) übrig oder vom vorigen Jahre sitzen geblieben; es wer- den selbige, so bald sie abgepflükt sind, in der Pfanne einmal unter stetem Umrühren, ohne sie zu rol- len, stark gebraten und in großen Strohsäcken unter dem Dache im Rauche auf bewahrt. Die Zu- bereitung des Tranks von solchen Blättern für den reisenden Fusgänger ist daher herzlich schlecht; man nimt deren eine große Faust vol und kocht sie entweder in ein Säkchen gethan oder auch nur blos in einem eisernen Kessel mit Wasser ab, in welchem zugleich ein Körbchen ist, wo- durch die Blätter niedergedrükt werden, damit man allezeit klaren Trank schöpfen kan; und so wird denn mit der Kelle eine halbe Schale vol eingeschenkt, diese mit Zugießung kal- ten Wassers gemäßigt, und darauf dem Gaste zugereicht. Ohnerachtet nun eine solche von alten und jährigen Blättern abgekochte braune Theesuppe ziemlich herbe und laugicht schmekt, so halten sie dennoch die Einwohner zu ihrem täglichen Gebrauche dienlicher als die, so nach der Sinesen Manier aus gekrülleten jungen Blättern gezogen wird, weil deren Kraft dem Haupte nicht zuträglich sey, die im Abkochen hingegen verfliege. Von den vielfältigen Kram- und Waarenbuden, in welchen man auf unserm Wege in und außer- halb den Städten, Flecken und Dörfern öffentlichen Verkauf treibt, wil ich weiter nichts gedenken, theils weil es damit wie in Deutschland hergeht, theils weil auch schon an seinem Orte von den Waaren und inländischen Manufakturen, welche hier zu finden sind, geredet worden ist.
Fünf-
Zweiter Band. Z
Viert. Kap. Beſchreibung der Poſthaͤuſer, Herbergen, ꝛc.
Ein armer Reiſender kan es aus ſeinem bei ſich fuͤhrenden gedrukten Wegweiſer wiſſen, an welchem Orte er dieſe und dergleichen Speiſen, und wo er ſie am beſten und wohlfeilſten bekoͤmt, und alſo ſeinen Appetit darnach einrichten.
Da uͤbrigens ein Reiſender ſelten etwas anders als Thee trinkt, ſo iſt dieſer hier an dem Wege in allen Wirthshaͤuſern, Herbergen, Garkuͤchen und den vielen im Felde und Waͤldern errichteten Buden zu haben. Man nimt aber dazu die groͤbeſten Blaͤtter, die nach zweimaliger Ableſung der jungen Blaͤtter (welche meiſtens bei der Tafel von vor- nehmern Perſonen verbraucht werden) uͤbrig oder vom vorigen Jahre ſitzen geblieben; es wer- den ſelbige, ſo bald ſie abgepfluͤkt ſind, in der Pfanne einmal unter ſtetem Umruͤhren, ohne ſie zu rol- len, ſtark gebraten und in großen Strohſaͤcken unter dem Dache im Rauche auf bewahrt. Die Zu- bereitung des Tranks von ſolchen Blaͤttern fuͤr den reiſenden Fusgaͤnger iſt daher herzlich ſchlecht; man nimt deren eine große Fauſt vol und kocht ſie entweder in ein Saͤkchen gethan oder auch nur blos in einem eiſernen Keſſel mit Waſſer ab, in welchem zugleich ein Koͤrbchen iſt, wo- durch die Blaͤtter niedergedruͤkt werden, damit man allezeit klaren Trank ſchoͤpfen kan; und ſo wird denn mit der Kelle eine halbe Schale vol eingeſchenkt, dieſe mit Zugießung kal- ten Waſſers gemaͤßigt, und darauf dem Gaſte zugereicht. Ohnerachtet nun eine ſolche von alten und jaͤhrigen Blaͤttern abgekochte braune Theeſuppe ziemlich herbe und laugicht ſchmekt, ſo halten ſie dennoch die Einwohner zu ihrem taͤglichen Gebrauche dienlicher als die, ſo nach der Sineſen Manier aus gekruͤlleten jungen Blaͤttern gezogen wird, weil deren Kraft dem Haupte nicht zutraͤglich ſey, die im Abkochen hingegen verfliege. Von den vielfaͤltigen Kram- und Waarenbuden, in welchen man auf unſerm Wege in und außer- halb den Staͤdten, Flecken und Doͤrfern oͤffentlichen Verkauf treibt, wil ich weiter nichts gedenken, theils weil es damit wie in Deutſchland hergeht, theils weil auch ſchon an ſeinem Orte von den Waaren und inlaͤndiſchen Manufakturen, welche hier zu finden ſind, geredet worden iſt.
Fuͤnf-
Zweiter Band. Z
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Viert. Kap. Beſchreibung der Poſthaͤuſer, Herbergen, ꝛc.
Ein armer Reiſender kan es aus ſeinem bei ſich fuͤhrenden gedrukten Wegweiſer
wiſſen, an welchem Orte er dieſe und dergleichen Speiſen, und wo er ſie am beſten und
wohlfeilſten bekoͤmt, und alſo ſeinen Appetit darnach einrichten.
Da uͤbrigens ein Reiſender ſelten etwas anders als Thee trinkt, ſo iſt dieſer hier
an dem Wege in allen Wirthshaͤuſern, Herbergen, Garkuͤchen und den vielen im Felde
und Waͤldern errichteten Buden zu haben. Man nimt aber dazu die groͤbeſten Blaͤtter,
die nach zweimaliger Ableſung der jungen Blaͤtter (welche meiſtens bei der Tafel von vor-
nehmern Perſonen verbraucht werden) uͤbrig oder vom vorigen Jahre ſitzen geblieben; es wer-
den ſelbige, ſo bald ſie abgepfluͤkt ſind, in der Pfanne einmal unter ſtetem Umruͤhren, ohne ſie zu rol-
len, ſtark gebraten und in großen Strohſaͤcken unter dem Dache im Rauche auf bewahrt. Die Zu-
bereitung des Tranks von ſolchen Blaͤttern fuͤr den reiſenden Fusgaͤnger iſt daher herzlich ſchlecht;
man nimt deren eine große Fauſt vol und kocht ſie entweder in ein Saͤkchen gethan oder auch
nur blos in einem eiſernen Keſſel mit Waſſer ab, in welchem zugleich ein Koͤrbchen iſt, wo-
durch die Blaͤtter niedergedruͤkt werden, damit man allezeit klaren Trank ſchoͤpfen kan;
und ſo wird denn mit der Kelle eine halbe Schale vol eingeſchenkt, dieſe mit Zugießung kal-
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von alten und jaͤhrigen Blaͤttern abgekochte braune Theeſuppe ziemlich herbe und laugicht
ſchmekt, ſo halten ſie dennoch die Einwohner zu ihrem taͤglichen Gebrauche dienlicher als die,
ſo nach der Sineſen Manier aus gekruͤlleten jungen Blaͤttern gezogen wird, weil deren
Kraft dem Haupte nicht zutraͤglich ſey, die im Abkochen hingegen verfliege. Von den
vielfaͤltigen Kram- und Waarenbuden, in welchen man auf unſerm Wege in und außer-
halb den Staͤdten, Flecken und Doͤrfern oͤffentlichen Verkauf treibt, wil ich weiter nichts
gedenken, theils weil es damit wie in Deutſchland hergeht, theils weil auch ſchon an ſeinem
Orte von den Waaren und inlaͤndiſchen Manufakturen, welche hier zu finden ſind, geredet
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/195>, abgerufen am 21.11.2024.
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