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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Fünftes Buch.
personen, welche gut und reizend aussehen, erhalten auch die Erlaubnis als Nonnen zu bet-
teln ohne große Mühe, weil sie es eben sind, die den Reisenden die Almosen durch ihre an-
lockende Gestalt am besten abzwingen können. Die bettelnde Jammabosen widmen ihre
Töchter dieser Profession, nehmen auch wol die Bickuni zu ihren Weibern. Manche
unter ihnen sind in den Bordels erzogen, die, wenn sie da ihre Zeit gedient haben, alsdenn
diese Freiheit erkaufen und darinnen den Rest ihrer Jugend zubringen. Jhrer zwo oder
drei gesellen sich zu einander, gehen täglich eine oder mehr Meilen von ihrer Wohnung ab,
und warten die vornehmen Leute ab, die in Cangos oder auf Pferden vorbei reisen: jede
macht sich zu einem besonders und singt ein Baurenliedchen auf, findet sie einen recht Freige-
bigen, so erlustigt sie ihn in Begleitung auf etliche Stunden lang. Nichts geistliches und
armes ist an ihnen zu sehen, denn sie haben ihr geschornes Haupt mit einer schwarz seidenen
Kappe verhült, sich mit bürgerlichen Kleidern net und sauber ausgeschmükt, die Hände
mit Handschuhen ohne Finger bedekt, das gewöhnlich geschminkte Angesicht mit einem brei-
ten Sonnenhute vor der Luft beschüzt, und führen dabei einen kleinen Reisestab, so, daß sie
romantische Schäferinnen vorstellen. Jn ihren Reden und Geberden haben sie nichts Fre-
ches, Demüthiges, Niederträchtiges und Affektirtes, sondern sie sind frei, aber mit Schaam
gemäßiget. Doch um diese Betlerinnen nicht über die Gebühr zu erheben, mus ich sagen,
daß ihre Schaamhaftigkeit, wider die Landessitten und Ordensgebräuche, nicht viel auf
sich habe, indem sie ihren Busen auf offenen Straßen den freigebigen Reisenden darhal-
ten *), daher ich sie, so geistlich sie auch geschoren sind, von der Zahl leichtfertiger und
unzüchtiger Weibspersonen nicht wohl ausschließen kan.

Bei dieser Gelegenheit komme ich auf einen andern Betlerorden, welchen die
Jammabos, d. i. Bergpfaffen, ausmachen, die aber eigentlich Jammabus, d. i. Berg-
soldaten, heißen, weil sie stets einen Hiebdegen **) tragen. Sie sind nicht geschoren,
und suchen der Regel des ersten Pilgrims oder Stifters ihres Ordens, der mit Bergesteigen
seinen Leib kastrirte, nachzukommen, oder wenigstens mit ihrer Kleidung und einigen äu-
ßerlichen Manieren ihn nachzuahmen. Sie stehen wie Laien unter dem Haupte dieses Or-
dens in Miaco, wohin sie jährlich ein Stük Geldes aufbringen müssen, dagegen sie denn
einen höhern Rang, samt einem Zierzeichen, an welchem derselbe unter ihnen erkant wird,
abholen. Jhr Aufenthalt und Wohnplaz ist in der Nähe eines berühmten einheimischen
Götzen- oder Camitempels: wenn sie in dessen Stam den Reisenden anbetteln, so halten

sie
*) [Spaltenumbruch] Scheuchzer sagt, daß sie das thäten, un-
ter dem Vorwande, da es eine gewöhnliche Sitte[Spaltenumbruch]
des Landes sey. Jch lese, wie es hier in den
Text gebracht, das Gegentheil.
**) Scheuchzer: Degen und Sähel.

Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.
perſonen, welche gut und reizend ausſehen, erhalten auch die Erlaubnis als Nonnen zu bet-
teln ohne große Muͤhe, weil ſie es eben ſind, die den Reiſenden die Almoſen durch ihre an-
lockende Geſtalt am beſten abzwingen koͤnnen. Die bettelnde Jammaboſen widmen ihre
Toͤchter dieſer Profeſſion, nehmen auch wol die Bickuni zu ihren Weibern. Manche
unter ihnen ſind in den Bordels erzogen, die, wenn ſie da ihre Zeit gedient haben, alsdenn
dieſe Freiheit erkaufen und darinnen den Reſt ihrer Jugend zubringen. Jhrer zwo oder
drei geſellen ſich zu einander, gehen taͤglich eine oder mehr Meilen von ihrer Wohnung ab,
und warten die vornehmen Leute ab, die in Cangos oder auf Pferden vorbei reiſen: jede
macht ſich zu einem beſonders und ſingt ein Baurenliedchen auf, findet ſie einen recht Freige-
bigen, ſo erluſtigt ſie ihn in Begleitung auf etliche Stunden lang. Nichts geiſtliches und
armes iſt an ihnen zu ſehen, denn ſie haben ihr geſchornes Haupt mit einer ſchwarz ſeidenen
Kappe verhuͤlt, ſich mit buͤrgerlichen Kleidern net und ſauber ausgeſchmuͤkt, die Haͤnde
mit Handſchuhen ohne Finger bedekt, das gewoͤhnlich geſchminkte Angeſicht mit einem brei-
ten Sonnenhute vor der Luft beſchuͤzt, und fuͤhren dabei einen kleinen Reiſeſtab, ſo, daß ſie
romantiſche Schaͤferinnen vorſtellen. Jn ihren Reden und Geberden haben ſie nichts Fre-
ches, Demuͤthiges, Niedertraͤchtiges und Affektirtes, ſondern ſie ſind frei, aber mit Schaam
gemaͤßiget. Doch um dieſe Betlerinnen nicht uͤber die Gebuͤhr zu erheben, mus ich ſagen,
daß ihre Schaamhaftigkeit, wider die Landesſitten und Ordensgebraͤuche, nicht viel auf
ſich habe, indem ſie ihren Buſen auf offenen Straßen den freigebigen Reiſenden darhal-
ten *), daher ich ſie, ſo geiſtlich ſie auch geſchoren ſind, von der Zahl leichtfertiger und
unzuͤchtiger Weibsperſonen nicht wohl ausſchließen kan.

Bei dieſer Gelegenheit komme ich auf einen andern Betlerorden, welchen die
Jammabos, d. i. Bergpfaffen, ausmachen, die aber eigentlich Jammabus, d. i. Berg-
ſoldaten, heißen, weil ſie ſtets einen Hiebdegen **) tragen. Sie ſind nicht geſchoren,
und ſuchen der Regel des erſten Pilgrims oder Stifters ihres Ordens, der mit Bergeſteigen
ſeinen Leib kaſtrirte, nachzukommen, oder wenigſtens mit ihrer Kleidung und einigen aͤu-
ßerlichen Manieren ihn nachzuahmen. Sie ſtehen wie Laien unter dem Haupte dieſes Or-
dens in Miaco, wohin ſie jaͤhrlich ein Stuͤk Geldes aufbringen muͤſſen, dagegen ſie denn
einen hoͤhern Rang, ſamt einem Zierzeichen, an welchem derſelbe unter ihnen erkant wird,
abholen. Jhr Aufenthalt und Wohnplaz iſt in der Naͤhe eines beruͤhmten einheimiſchen
Goͤtzen- oder Camitempels: wenn ſie in deſſen Stam den Reiſenden anbetteln, ſo halten

ſie
*) [Spaltenumbruch] Scheuchzer ſagt, daß ſie das thaͤten, un-
ter dem Vorwande, da es eine gewoͤhnliche Sitte[Spaltenumbruch]
des Landes ſey. Jch leſe, wie es hier in den
Text gebracht, das Gegentheil.
**) Scheuchzer: Degen und Saͤhel.
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[184/0202] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. perſonen, welche gut und reizend ausſehen, erhalten auch die Erlaubnis als Nonnen zu bet- teln ohne große Muͤhe, weil ſie es eben ſind, die den Reiſenden die Almoſen durch ihre an- lockende Geſtalt am beſten abzwingen koͤnnen. Die bettelnde Jammaboſen widmen ihre Toͤchter dieſer Profeſſion, nehmen auch wol die Bickuni zu ihren Weibern. Manche unter ihnen ſind in den Bordels erzogen, die, wenn ſie da ihre Zeit gedient haben, alsdenn dieſe Freiheit erkaufen und darinnen den Reſt ihrer Jugend zubringen. Jhrer zwo oder drei geſellen ſich zu einander, gehen taͤglich eine oder mehr Meilen von ihrer Wohnung ab, und warten die vornehmen Leute ab, die in Cangos oder auf Pferden vorbei reiſen: jede macht ſich zu einem beſonders und ſingt ein Baurenliedchen auf, findet ſie einen recht Freige- bigen, ſo erluſtigt ſie ihn in Begleitung auf etliche Stunden lang. Nichts geiſtliches und armes iſt an ihnen zu ſehen, denn ſie haben ihr geſchornes Haupt mit einer ſchwarz ſeidenen Kappe verhuͤlt, ſich mit buͤrgerlichen Kleidern net und ſauber ausgeſchmuͤkt, die Haͤnde mit Handſchuhen ohne Finger bedekt, das gewoͤhnlich geſchminkte Angeſicht mit einem brei- ten Sonnenhute vor der Luft beſchuͤzt, und fuͤhren dabei einen kleinen Reiſeſtab, ſo, daß ſie romantiſche Schaͤferinnen vorſtellen. Jn ihren Reden und Geberden haben ſie nichts Fre- ches, Demuͤthiges, Niedertraͤchtiges und Affektirtes, ſondern ſie ſind frei, aber mit Schaam gemaͤßiget. Doch um dieſe Betlerinnen nicht uͤber die Gebuͤhr zu erheben, mus ich ſagen, daß ihre Schaamhaftigkeit, wider die Landesſitten und Ordensgebraͤuche, nicht viel auf ſich habe, indem ſie ihren Buſen auf offenen Straßen den freigebigen Reiſenden darhal- ten *), daher ich ſie, ſo geiſtlich ſie auch geſchoren ſind, von der Zahl leichtfertiger und unzuͤchtiger Weibsperſonen nicht wohl ausſchließen kan. Bei dieſer Gelegenheit komme ich auf einen andern Betlerorden, welchen die Jammabos, d. i. Bergpfaffen, ausmachen, die aber eigentlich Jammabus, d. i. Berg- ſoldaten, heißen, weil ſie ſtets einen Hiebdegen **) tragen. Sie ſind nicht geſchoren, und ſuchen der Regel des erſten Pilgrims oder Stifters ihres Ordens, der mit Bergeſteigen ſeinen Leib kaſtrirte, nachzukommen, oder wenigſtens mit ihrer Kleidung und einigen aͤu- ßerlichen Manieren ihn nachzuahmen. Sie ſtehen wie Laien unter dem Haupte dieſes Or- dens in Miaco, wohin ſie jaͤhrlich ein Stuͤk Geldes aufbringen muͤſſen, dagegen ſie denn einen hoͤhern Rang, ſamt einem Zierzeichen, an welchem derſelbe unter ihnen erkant wird, abholen. Jhr Aufenthalt und Wohnplaz iſt in der Naͤhe eines beruͤhmten einheimiſchen Goͤtzen- oder Camitempels: wenn ſie in deſſen Stam den Reiſenden anbetteln, ſo halten ſie *) Scheuchzer ſagt, daß ſie das thaͤten, un- ter dem Vorwande, da es eine gewoͤhnliche Sitte des Landes ſey. Jch leſe, wie es hier in den Text gebracht, das Gegentheil. **) Scheuchzer: Degen und Saͤhel.

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/202>, abgerufen am 21.11.2024.