Sechstes Kapitel. Von der Reise der Holländer an den Kaiserlichen Hof, und der Begegnung, die sie auf derselben erfahren.
So wie jedem Fürsten und Vasallen des Reichs ein gewisser Tag zum Aufbruche und Antritte der jährlich abzulegenden Hofreise von dem Kaiser bestimt ist, eben so wird es auch mit den Holländern gehalten, für welche der 15te und 16te Tag des Japanischen ersten Monats, der bei uns in den Februarius fält, durch alle Jahre dazu festgesezt bleibt. Gegen diese Zeit also macht man sich reisefertig, und bringt zuerst die in Osacca, Miaco und bei Hofe abzutragende Geschenke, (nachdem sie zuvor gehörig ver- theilt und behutsam eingepakt worden) hiernächst auch die zur bevorstehenden Seereise nö- thigen Lebensmittel und Küchengeräthschaften, nebst vielen andern Sachen zu Schiffe. Dieses Schif, (das lediglich zu der jährlichen Hinaufreise erbauet ist, und alle zwei Jahr mit neuen Schanzkleidern und Meublen nach dem Landesgebrauch prächtig ausgeziert und kostbar un- terhalten, oder da es zu alt geworden, mit einem andern gegen ein ansehnliches Miethegeld *) verwechselt wird) sendet man bis zu der Seestadt Simonosecki voraus, wo es uns, bis wir auf einem kürzeren Weg zu Lande nachfolgen, erwartet und uns sodenn aufnimt, um von da über See nach Osacca zu fahren. Ehedem giengen wir mit demselben Schiffe von Nagasacki zugleich ab, da wir aber einmal bei einem harten Sturme mit Lebensgefahr ge- strandet, so ist zu unserer Sicherheit die Landreise bis nach Osacca von dem Kaiser bewil- ligt worden. Etwa drei oder vier Wochen nach abgelassener Barke, oder drei oder vier Tage vor unserm Abzuge, begiebt sich unser Resident zu den beiden Gouverneurs, nimt von ihnen Abschied und empfiehlt die zurükbleibenden Holländer in ihren Schuz. Den Tag hernach werden die fertig gemachten Packen, die durch Träger und Pferde zu Lande
mitge-
*) Scheuchzer: gegen ein neu erbauetes oder gekauftes Schif.
Sechſtes Kapitel. Von der Reiſe der Hollaͤnder an den Kaiſerlichen Hof, und der Begegnung, die ſie auf derſelben erfahren.
So wie jedem Fuͤrſten und Vaſallen des Reichs ein gewiſſer Tag zum Aufbruche und Antritte der jaͤhrlich abzulegenden Hofreiſe von dem Kaiſer beſtimt iſt, eben ſo wird es auch mit den Hollaͤndern gehalten, fuͤr welche der 15te und 16te Tag des Japaniſchen erſten Monats, der bei uns in den Februarius faͤlt, durch alle Jahre dazu feſtgeſezt bleibt. Gegen dieſe Zeit alſo macht man ſich reiſefertig, und bringt zuerſt die in Oſacca, Miaco und bei Hofe abzutragende Geſchenke, (nachdem ſie zuvor gehoͤrig ver- theilt und behutſam eingepakt worden) hiernaͤchſt auch die zur bevorſtehenden Seereiſe noͤ- thigen Lebensmittel und Kuͤchengeraͤthſchaften, nebſt vielen andern Sachen zu Schiffe. Dieſes Schif, (das lediglich zu der jaͤhrlichen Hinaufreiſe erbauet iſt, und alle zwei Jahr mit neuen Schanzkleidern und Meublen nach dem Landesgebrauch praͤchtig ausgeziert und koſtbar un- terhalten, oder da es zu alt geworden, mit einem andern gegen ein anſehnliches Miethegeld *) verwechſelt wird) ſendet man bis zu der Seeſtadt Simonoſecki voraus, wo es uns, bis wir auf einem kuͤrzeren Weg zu Lande nachfolgen, erwartet und uns ſodenn aufnimt, um von da uͤber See nach Oſacca zu fahren. Ehedem giengen wir mit demſelben Schiffe von Nagaſacki zugleich ab, da wir aber einmal bei einem harten Sturme mit Lebensgefahr ge- ſtrandet, ſo iſt zu unſerer Sicherheit die Landreiſe bis nach Oſacca von dem Kaiſer bewil- ligt worden. Etwa drei oder vier Wochen nach abgelaſſener Barke, oder drei oder vier Tage vor unſerm Abzuge, begiebt ſich unſer Reſident zu den beiden Gouverneurs, nimt von ihnen Abſchied und empfiehlt die zuruͤkbleibenden Hollaͤnder in ihren Schuz. Den Tag hernach werden die fertig gemachten Packen, die durch Traͤger und Pferde zu Lande
mitge-
*) Scheuchzer: gegen ein neu erbauetes oder gekauftes Schif.
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Sechſtes Kapitel.
Von der Reiſe der Hollaͤnder an den Kaiſerlichen
Hof, und der Begegnung, die ſie auf derſelben erfahren.
So wie jedem Fuͤrſten und Vaſallen des Reichs ein gewiſſer Tag zum Aufbruche und
Antritte der jaͤhrlich abzulegenden Hofreiſe von dem Kaiſer beſtimt iſt, eben ſo
wird es auch mit den Hollaͤndern gehalten, fuͤr welche der 15te und 16te Tag des
Japaniſchen erſten Monats, der bei uns in den Februarius faͤlt, durch alle Jahre dazu
feſtgeſezt bleibt. Gegen dieſe Zeit alſo macht man ſich reiſefertig, und bringt zuerſt die in
Oſacca, Miaco und bei Hofe abzutragende Geſchenke, (nachdem ſie zuvor gehoͤrig ver-
theilt und behutſam eingepakt worden) hiernaͤchſt auch die zur bevorſtehenden Seereiſe noͤ-
thigen Lebensmittel und Kuͤchengeraͤthſchaften, nebſt vielen andern Sachen zu Schiffe.
Dieſes Schif, (das lediglich zu der jaͤhrlichen Hinaufreiſe erbauet iſt, und alle zwei Jahr mit
neuen Schanzkleidern und Meublen nach dem Landesgebrauch praͤchtig ausgeziert und koſtbar un-
terhalten, oder da es zu alt geworden, mit einem andern gegen ein anſehnliches Miethegeld *)
verwechſelt wird) ſendet man bis zu der Seeſtadt Simonoſecki voraus, wo es uns, bis
wir auf einem kuͤrzeren Weg zu Lande nachfolgen, erwartet und uns ſodenn aufnimt, um
von da uͤber See nach Oſacca zu fahren. Ehedem giengen wir mit demſelben Schiffe von
Nagaſacki zugleich ab, da wir aber einmal bei einem harten Sturme mit Lebensgefahr ge-
ſtrandet, ſo iſt zu unſerer Sicherheit die Landreiſe bis nach Oſacca von dem Kaiſer bewil-
ligt worden. Etwa drei oder vier Wochen nach abgelaſſener Barke, oder drei oder vier
Tage vor unſerm Abzuge, begiebt ſich unſer Reſident zu den beiden Gouverneurs, nimt
von ihnen Abſchied und empfiehlt die zuruͤkbleibenden Hollaͤnder in ihren Schuz. Den
Tag hernach werden die fertig gemachten Packen, die durch Traͤger und Pferde zu Lande
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*) Scheuchzer: gegen ein neu erbauetes oder gekauftes Schif.
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/206>, abgerufen am 24.11.2024.
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