Die übrige Bewirthung auf unserer Reise (die Versorgung unserer Pferde, Knech- te, Träger, auch die Herbergen, Stuben, Speisen und Aufwartung) ist zwar gegen genugsame Bezahlung so gut, als man es wünschen könte, sie wird aber demohngeach- tet verächtlich und schlecht, weil wir zu sehr eingeschränkt werden, und beinahe keine andre Freiheit vergönt behalten, als daß wir mit den Augen von den Pferden und aus den Trag- körben umher sehen dürfen. Sobald ein Holländer vom Pferde steigt, (welches ohne die höchste Noth nicht einmal gern gesehen wird) mus der Führer oder Vorreuter, und darauf der ganze Zug stille halten, der Dosin samt den beiden Häschern auch absitzen, und sich bei dem Holländer stellen; diese böse Geister umgeben und bewahren uns überhaupt auf der ganzen Reise dergestalt, daß sie auch da, wo uns die Natur hintreibt, nicht von uns weichen. Der Bugio oder Hauptführer unsers Trains studirt täglich in den Artikeln sei- ner ihm mitgegebenen Jnstruktion, so wie in den Journalen von den zwei nächst vorher abgelegten Aufführungen oder Aufreisen nach dem Kaiserlichen Hofe, um sich in allem auf das pünktlichste (so lieb ihm seine Ehre und Leben ist *)), darnach zu richten. Verfährt einer noch genauer, so wird es seinem klugen Betragen zugeschrieben. Es giebt manchmal Dumköpfe, die so eigensinnig sind, daß sie sich durch keine Macht der Natur oder anderer Unfälle abhalten lassen, in andere Herbergen, als die, so in vorigem Jahre bezogen sind, einzukehren, und solte man auch wider Wind und Wetter mit großer Gefahr und Unge- mach bis in die tiefeste Nacht reisen müssen.
Die Herbergen für uns sind eben dieselben, worinnen die Landesfürsten bei ihrem jährlichen Durchzuge ihren Aufenthalt nehmen, also in jedem Ort die vornehmsten. Sie werden alsbald, nach Landesfürstlicher Art, mit der edlen Holländisch-Ostindischen Com- pagnie Schanzkleidern und Wapen behangen, um durch die Livree den daselbst logirenden vornehmen Gast, nach Landes Gebrauch, bekant zu machen. Wir halten diese Herber- gen jährlich mit einer solchen Abwechselung, daß wir da zu Mittag essen, wo wir in der Rükreise übernachten wollen, wodurch zugleich die Belästigung, die, in Ansehung der leztern, für die Wirthe größer ist, unter alle gleich vertheilt wird.
Das für uns bestimte Gemach ist alzeit das hinterste, welches gegen einem arti- gen Hausgarten und also am angenehmsten liegt, auch für den fürnehmsten Theil des Hau- ses gehalten wird, weil es von dem Pöbel, Geschrei auf den Gassen und Küchenlärmen des Vorderhauses am weitesten entfernt ist.
So wie der Wirth die einheimischen großen Gäste zu empfangen gewohnt ist, so beobachtet er es auch bei uns, er komt nemlich mit einem Cannisimo oder Ehrenkleide und kur- zem Säbel angethan, unserm Train bis forn im Flecken oder gar bis auf das Feld entgegen, stelt
sich
*) Fehlt in der Engl. Uebers.
Sechſtes Kap. Von der Reiſe der Hollaͤnder ꝛc.
Die uͤbrige Bewirthung auf unſerer Reiſe (die Verſorgung unſerer Pferde, Knech- te, Traͤger, auch die Herbergen, Stuben, Speiſen und Aufwartung) iſt zwar gegen genugſame Bezahlung ſo gut, als man es wuͤnſchen koͤnte, ſie wird aber demohngeach- tet veraͤchtlich und ſchlecht, weil wir zu ſehr eingeſchraͤnkt werden, und beinahe keine andre Freiheit vergoͤnt behalten, als daß wir mit den Augen von den Pferden und aus den Trag- koͤrben umher ſehen duͤrfen. Sobald ein Hollaͤnder vom Pferde ſteigt, (welches ohne die hoͤchſte Noth nicht einmal gern geſehen wird) mus der Fuͤhrer oder Vorreuter, und darauf der ganze Zug ſtille halten, der Doſin ſamt den beiden Haͤſchern auch abſitzen, und ſich bei dem Hollaͤnder ſtellen; dieſe boͤſe Geiſter umgeben und bewahren uns uͤberhaupt auf der ganzen Reiſe dergeſtalt, daß ſie auch da, wo uns die Natur hintreibt, nicht von uns weichen. Der Bugio oder Hauptfuͤhrer unſers Trains ſtudirt taͤglich in den Artikeln ſei- ner ihm mitgegebenen Jnſtruktion, ſo wie in den Journalen von den zwei naͤchſt vorher abgelegten Auffuͤhrungen oder Aufreiſen nach dem Kaiſerlichen Hofe, um ſich in allem auf das puͤnktlichſte (ſo lieb ihm ſeine Ehre und Leben iſt *)), darnach zu richten. Verfaͤhrt einer noch genauer, ſo wird es ſeinem klugen Betragen zugeſchrieben. Es giebt manchmal Dumkoͤpfe, die ſo eigenſinnig ſind, daß ſie ſich durch keine Macht der Natur oder anderer Unfaͤlle abhalten laſſen, in andere Herbergen, als die, ſo in vorigem Jahre bezogen ſind, einzukehren, und ſolte man auch wider Wind und Wetter mit großer Gefahr und Unge- mach bis in die tiefeſte Nacht reiſen muͤſſen.
Die Herbergen fuͤr uns ſind eben dieſelben, worinnen die Landesfuͤrſten bei ihrem jaͤhrlichen Durchzuge ihren Aufenthalt nehmen, alſo in jedem Ort die vornehmſten. Sie werden alsbald, nach Landesfuͤrſtlicher Art, mit der edlen Hollaͤndiſch-Oſtindiſchen Com- pagnie Schanzkleidern und Wapen behangen, um durch die Livree den daſelbſt logirenden vornehmen Gaſt, nach Landes Gebrauch, bekant zu machen. Wir halten dieſe Herber- gen jaͤhrlich mit einer ſolchen Abwechſelung, daß wir da zu Mittag eſſen, wo wir in der Ruͤkreiſe uͤbernachten wollen, wodurch zugleich die Belaͤſtigung, die, in Anſehung der leztern, fuͤr die Wirthe groͤßer iſt, unter alle gleich vertheilt wird.
Das fuͤr uns beſtimte Gemach iſt alzeit das hinterſte, welches gegen einem arti- gen Hausgarten und alſo am angenehmſten liegt, auch fuͤr den fuͤrnehmſten Theil des Hau- ſes gehalten wird, weil es von dem Poͤbel, Geſchrei auf den Gaſſen und Kuͤchenlaͤrmen des Vorderhauſes am weiteſten entfernt iſt.
So wie der Wirth die einheimiſchen großen Gaͤſte zu empfangen gewohnt iſt, ſo beobachtet er es auch bei uns, er komt nemlich mit einem Canniſimo oder Ehrenkleide und kur- zem Saͤbel angethan, unſerm Train bis forn im Flecken oder gar bis auf das Feld entgegen, ſtelt
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*) Fehlt in der Engl. Ueberſ.
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Sechſtes Kap. Von der Reiſe der Hollaͤnder ꝛc.
Die uͤbrige Bewirthung auf unſerer Reiſe (die Verſorgung unſerer Pferde, Knech-
te, Traͤger, auch die Herbergen, Stuben, Speiſen und Aufwartung) iſt zwar gegen
genugſame Bezahlung ſo gut, als man es wuͤnſchen koͤnte, ſie wird aber demohngeach-
tet veraͤchtlich und ſchlecht, weil wir zu ſehr eingeſchraͤnkt werden, und beinahe keine andre
Freiheit vergoͤnt behalten, als daß wir mit den Augen von den Pferden und aus den Trag-
koͤrben umher ſehen duͤrfen. Sobald ein Hollaͤnder vom Pferde ſteigt, (welches ohne die
hoͤchſte Noth nicht einmal gern geſehen wird) mus der Fuͤhrer oder Vorreuter, und darauf
der ganze Zug ſtille halten, der Doſin ſamt den beiden Haͤſchern auch abſitzen, und ſich
bei dem Hollaͤnder ſtellen; dieſe boͤſe Geiſter umgeben und bewahren uns uͤberhaupt auf
der ganzen Reiſe dergeſtalt, daß ſie auch da, wo uns die Natur hintreibt, nicht von uns
weichen. Der Bugio oder Hauptfuͤhrer unſers Trains ſtudirt taͤglich in den Artikeln ſei-
ner ihm mitgegebenen Jnſtruktion, ſo wie in den Journalen von den zwei naͤchſt vorher
abgelegten Auffuͤhrungen oder Aufreiſen nach dem Kaiſerlichen Hofe, um ſich in allem auf
das puͤnktlichſte (ſo lieb ihm ſeine Ehre und Leben iſt *)), darnach zu richten. Verfaͤhrt
einer noch genauer, ſo wird es ſeinem klugen Betragen zugeſchrieben. Es giebt manchmal
Dumkoͤpfe, die ſo eigenſinnig ſind, daß ſie ſich durch keine Macht der Natur oder anderer
Unfaͤlle abhalten laſſen, in andere Herbergen, als die, ſo in vorigem Jahre bezogen ſind,
einzukehren, und ſolte man auch wider Wind und Wetter mit großer Gefahr und Unge-
mach bis in die tiefeſte Nacht reiſen muͤſſen.
Die Herbergen fuͤr uns ſind eben dieſelben, worinnen die Landesfuͤrſten bei ihrem
jaͤhrlichen Durchzuge ihren Aufenthalt nehmen, alſo in jedem Ort die vornehmſten. Sie
werden alsbald, nach Landesfuͤrſtlicher Art, mit der edlen Hollaͤndiſch-Oſtindiſchen Com-
pagnie Schanzkleidern und Wapen behangen, um durch die Livree den daſelbſt logirenden
vornehmen Gaſt, nach Landes Gebrauch, bekant zu machen. Wir halten dieſe Herber-
gen jaͤhrlich mit einer ſolchen Abwechſelung, daß wir da zu Mittag eſſen, wo wir in der
Ruͤkreiſe uͤbernachten wollen, wodurch zugleich die Belaͤſtigung, die, in Anſehung der
leztern, fuͤr die Wirthe groͤßer iſt, unter alle gleich vertheilt wird.
Das fuͤr uns beſtimte Gemach iſt alzeit das hinterſte, welches gegen einem arti-
gen Hausgarten und alſo am angenehmſten liegt, auch fuͤr den fuͤrnehmſten Theil des Hau-
ſes gehalten wird, weil es von dem Poͤbel, Geſchrei auf den Gaſſen und Kuͤchenlaͤrmen
des Vorderhauſes am weiteſten entfernt iſt.
So wie der Wirth die einheimiſchen großen Gaͤſte zu empfangen gewohnt iſt, ſo
beobachtet er es auch bei uns, er komt nemlich mit einem Canniſimo oder Ehrenkleide und kur-
zem Saͤbel angethan, unſerm Train bis forn im Flecken oder gar bis auf das Feld entgegen, ſtelt
ſich
*) Fehlt in der Engl. Ueberſ.
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/209>, abgerufen am 21.11.2024.
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