Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.Erst. Kap. Von der Lage der Stadt Nangasacki. nem Verdienst behandeln kann. Ausser den gewöhnlichen Verbrechern hält man hier auchalle diejenigen gefangen, welche des Verbrechens des Schleichhandels oder der christlichen Religion überführt sind, oder doch beschuldigt werden. Daher die Zahl der Gefangnen in dieser Hölle öfters über 100, und wenn häufige Exekutionen vorfallen, doch nie unter 50 ausmacht. Jm Umkreis dieses Gefangenhauses findet sich ein Gasthof, ein Haus zur Tortur, ein Gerichthaus zur heimlichen Exekution der minder Schuldigen, eine Küche, ein Haus zum Spazierengehn, und ein Tange oder Teich. Die Gefangnen sind von ver- schiednen Klassen, einige zum Tode verdamt, andre nur wegen Verdachts, und andre auf ewig gefangen. Zu diesen leztern gehören besonders diejenigen, welche man Bungoso d. i. Geschmeis aus Bungo nent. Unter diesem Namen versteht man die Christen, deren mit Weibern und Kindern hier noch etwa funfzig gefangen gehalten, und auch noch zuweilen einige aufgebracht werden, welches zulezt noch im J. 1688 geschah. Diese guten Leute wissen vom christlichen Glauben weiter nichts, als den Namen des Seligmachers, wollen aber doch bei ihrem einfältigen Bekentnis viel lieber sterben, als durch Verläugnung ihres Heilandes sich die Freiheit erwerben, die sie unter dieser Bedingung bekommen kön- ten. Jm September des jetzigen Jahrs 1692 hat man zum erstenmal das Beispiel gehabt, daß drei von diesen gefangnen Christen etwas Geld an die Tempel des Amida schikten, um für ihre verstorbnen Verwandten bitten zu lassen. Die Priester aber wolten ihnen nicht ein- mal wilfahren, bis sie die Erlaubniß der Gouverneurs erhalten hätten, welche sogar nöthig fanden, den Vorfal an den kaiserlichen Hof zu berichten und Verhaltungsbefehle einzuholen. Da man die Strenge gegen die Christen jezt unnöthig hält, und die wenig über- Zur Beschäftigung in ihrem müßigen und kümmerlichen Zustande läst man diese elende mern B 2
Erſt. Kap. Von der Lage der Stadt Nangaſacki. nem Verdienſt behandeln kann. Auſſer den gewoͤhnlichen Verbrechern haͤlt man hier auchalle diejenigen gefangen, welche des Verbrechens des Schleichhandels oder der chriſtlichen Religion uͤberfuͤhrt ſind, oder doch beſchuldigt werden. Daher die Zahl der Gefangnen in dieſer Hoͤlle oͤfters uͤber 100, und wenn haͤufige Exekutionen vorfallen, doch nie unter 50 ausmacht. Jm Umkreis dieſes Gefangenhauſes findet ſich ein Gaſthof, ein Haus zur Tortur, ein Gerichthaus zur heimlichen Exekution der minder Schuldigen, eine Kuͤche, ein Haus zum Spazierengehn, und ein Tange oder Teich. Die Gefangnen ſind von ver- ſchiednen Klaſſen, einige zum Tode verdamt, andre nur wegen Verdachts, und andre auf ewig gefangen. Zu dieſen leztern gehoͤren beſonders diejenigen, welche man Bungoſo d. i. Geſchmeis aus Bungo nent. Unter dieſem Namen verſteht man die Chriſten, deren mit Weibern und Kindern hier noch etwa funfzig gefangen gehalten, und auch noch zuweilen einige aufgebracht werden, welches zulezt noch im J. 1688 geſchah. Dieſe guten Leute wiſſen vom chriſtlichen Glauben weiter nichts, als den Namen des Seligmachers, wollen aber doch bei ihrem einfaͤltigen Bekentnis viel lieber ſterben, als durch Verlaͤugnung ihres Heilandes ſich die Freiheit erwerben, die ſie unter dieſer Bedingung bekommen koͤn- ten. Jm September des jetzigen Jahrs 1692 hat man zum erſtenmal das Beiſpiel gehabt, daß drei von dieſen gefangnen Chriſten etwas Geld an die Tempel des Amida ſchikten, um fuͤr ihre verſtorbnen Verwandten bitten zu laſſen. Die Prieſter aber wolten ihnen nicht ein- mal wilfahren, bis ſie die Erlaubniß der Gouverneurs erhalten haͤtten, welche ſogar noͤthig fanden, den Vorfal an den kaiſerlichen Hof zu berichten und Verhaltungsbefehle einzuholen. Da man die Strenge gegen die Chriſten jezt unnoͤthig haͤlt, und die wenig uͤber- Zur Beſchaͤftigung in ihrem muͤßigen und kuͤmmerlichen Zuſtande laͤſt man dieſe elende mern B 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0025" n="11"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Erſt. Kap. Von der Lage der Stadt Nangaſacki.</hi></fw><lb/> nem Verdienſt behandeln kann. Auſſer den gewoͤhnlichen Verbrechern haͤlt man hier auch<lb/> alle diejenigen gefangen, welche des Verbrechens des Schleichhandels oder der chriſtlichen<lb/> Religion uͤberfuͤhrt ſind, oder doch beſchuldigt werden. Daher die Zahl der Gefangnen<lb/> in dieſer <hi rendition="#fr">Hoͤlle</hi> oͤfters uͤber 100, und wenn haͤufige Exekutionen vorfallen, doch nie unter<lb/> 50 ausmacht. Jm Umkreis dieſes Gefangenhauſes findet ſich ein Gaſthof, ein Haus zur<lb/> Tortur, ein Gerichthaus zur heimlichen Exekution der minder Schuldigen, eine Kuͤche,<lb/> ein Haus zum Spazierengehn, und ein <hi rendition="#fr">Tange</hi> oder <hi rendition="#fr">Teich.</hi> Die Gefangnen ſind von ver-<lb/> ſchiednen Klaſſen, einige zum Tode verdamt, andre nur wegen Verdachts, und andre auf<lb/> ewig gefangen. Zu dieſen leztern gehoͤren beſonders diejenigen, welche man <hi rendition="#fr">Bungoſo</hi><lb/> d. i. <hi rendition="#fr">Geſchmeis aus Bungo</hi> nent. Unter dieſem Namen verſteht man die Chriſten,<lb/> deren mit Weibern und Kindern hier noch etwa funfzig gefangen gehalten, und auch noch<lb/> zuweilen einige aufgebracht werden, welches zulezt noch im J. 1688 geſchah. Dieſe guten<lb/> Leute wiſſen vom chriſtlichen Glauben weiter nichts, als den Namen des Seligmachers,<lb/> wollen aber doch bei ihrem einfaͤltigen Bekentnis viel lieber ſterben, als durch Verlaͤugnung<lb/> ihres Heilandes ſich die Freiheit erwerben, die ſie unter dieſer Bedingung bekommen koͤn-<lb/> ten. Jm September des jetzigen Jahrs 1692 hat man zum erſtenmal das Beiſpiel gehabt,<lb/> daß drei von dieſen gefangnen Chriſten etwas Geld an die Tempel des Amida ſchikten, um<lb/> fuͤr ihre verſtorbnen Verwandten bitten zu laſſen. Die Prieſter aber wolten ihnen nicht ein-<lb/> mal wilfahren, bis ſie die Erlaubniß der Gouverneurs erhalten haͤtten, welche ſogar noͤthig<lb/> fanden, den Vorfal an den kaiſerlichen Hof zu berichten und Verhaltungsbefehle<lb/> einzuholen.</p><lb/> <p>Da man die Strenge gegen die Chriſten jezt unnoͤthig haͤlt, und die wenig uͤber-<lb/> gebliebnen ſo einfaͤltig ſind, ſo werden dieſe mit der Todesſtrafe verſchont, und muͤſſen nur<lb/> ihr Leben in dieſer zeitlichen Hoͤlle bei ganz ſchlechter Koſt und bloßem Waſſer zum Getraͤnk<lb/> zubringen. Alle zwei Monate werden ſie nach dem Pallaſt des Gouverneurs geſchlept, und<lb/> daſelbſt wegen ihres verbotnen Glaubens examinirt und aufgefordert andre Chriſten zu ent-<lb/> decken. Dies geſchieht aber nicht mehr mit alter Strenge, und blos aus beibehaltner Ge-<lb/> wohnheit der ehmaligen Geſetze. Bei dieſer Gelegenheit koͤnnen ſie ſich aus ihrer ewigen<lb/> Gefangenſchaft erloͤſen, ſonſt aber nicht. Sie genießen indes doch jaͤhrlich einige Erquik-<lb/> ſtunden. Zweimal werden ſie in jedem Jahr einzeln aus dem Kerker gelaſſen, um ſich<lb/> nach Landesgebrauch mit <hi rendition="#fr">Moxa</hi> zu brennen, und ſich dadurch vor Qualen zu praͤſerviren;<lb/> ſechsmal wird ihnen jaͤhrlich erlaubt, ſich im Teiche des Gefangenhauſes zu waſchen; und<lb/> eben ſoviel mal wird ihnen in dem beſonders dazu erbaueten geraͤumigen Spazierhauſe er-<lb/> laubt, ſich eine Bewegung zu machen.</p><lb/> <p>Zur Beſchaͤftigung in ihrem muͤßigen und kuͤmmerlichen Zuſtande laͤſt man dieſe elende<lb/> Leute ein ſchlechtes Garn aus Hanf ſpinnen, womit die Saͤume der Matten in ihren Zim-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">B 2</fw><fw place="bottom" type="catch">mern</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [11/0025]
Erſt. Kap. Von der Lage der Stadt Nangaſacki.
nem Verdienſt behandeln kann. Auſſer den gewoͤhnlichen Verbrechern haͤlt man hier auch
alle diejenigen gefangen, welche des Verbrechens des Schleichhandels oder der chriſtlichen
Religion uͤberfuͤhrt ſind, oder doch beſchuldigt werden. Daher die Zahl der Gefangnen
in dieſer Hoͤlle oͤfters uͤber 100, und wenn haͤufige Exekutionen vorfallen, doch nie unter
50 ausmacht. Jm Umkreis dieſes Gefangenhauſes findet ſich ein Gaſthof, ein Haus zur
Tortur, ein Gerichthaus zur heimlichen Exekution der minder Schuldigen, eine Kuͤche,
ein Haus zum Spazierengehn, und ein Tange oder Teich. Die Gefangnen ſind von ver-
ſchiednen Klaſſen, einige zum Tode verdamt, andre nur wegen Verdachts, und andre auf
ewig gefangen. Zu dieſen leztern gehoͤren beſonders diejenigen, welche man Bungoſo
d. i. Geſchmeis aus Bungo nent. Unter dieſem Namen verſteht man die Chriſten,
deren mit Weibern und Kindern hier noch etwa funfzig gefangen gehalten, und auch noch
zuweilen einige aufgebracht werden, welches zulezt noch im J. 1688 geſchah. Dieſe guten
Leute wiſſen vom chriſtlichen Glauben weiter nichts, als den Namen des Seligmachers,
wollen aber doch bei ihrem einfaͤltigen Bekentnis viel lieber ſterben, als durch Verlaͤugnung
ihres Heilandes ſich die Freiheit erwerben, die ſie unter dieſer Bedingung bekommen koͤn-
ten. Jm September des jetzigen Jahrs 1692 hat man zum erſtenmal das Beiſpiel gehabt,
daß drei von dieſen gefangnen Chriſten etwas Geld an die Tempel des Amida ſchikten, um
fuͤr ihre verſtorbnen Verwandten bitten zu laſſen. Die Prieſter aber wolten ihnen nicht ein-
mal wilfahren, bis ſie die Erlaubniß der Gouverneurs erhalten haͤtten, welche ſogar noͤthig
fanden, den Vorfal an den kaiſerlichen Hof zu berichten und Verhaltungsbefehle
einzuholen.
Da man die Strenge gegen die Chriſten jezt unnoͤthig haͤlt, und die wenig uͤber-
gebliebnen ſo einfaͤltig ſind, ſo werden dieſe mit der Todesſtrafe verſchont, und muͤſſen nur
ihr Leben in dieſer zeitlichen Hoͤlle bei ganz ſchlechter Koſt und bloßem Waſſer zum Getraͤnk
zubringen. Alle zwei Monate werden ſie nach dem Pallaſt des Gouverneurs geſchlept, und
daſelbſt wegen ihres verbotnen Glaubens examinirt und aufgefordert andre Chriſten zu ent-
decken. Dies geſchieht aber nicht mehr mit alter Strenge, und blos aus beibehaltner Ge-
wohnheit der ehmaligen Geſetze. Bei dieſer Gelegenheit koͤnnen ſie ſich aus ihrer ewigen
Gefangenſchaft erloͤſen, ſonſt aber nicht. Sie genießen indes doch jaͤhrlich einige Erquik-
ſtunden. Zweimal werden ſie in jedem Jahr einzeln aus dem Kerker gelaſſen, um ſich
nach Landesgebrauch mit Moxa zu brennen, und ſich dadurch vor Qualen zu praͤſerviren;
ſechsmal wird ihnen jaͤhrlich erlaubt, ſich im Teiche des Gefangenhauſes zu waſchen; und
eben ſoviel mal wird ihnen in dem beſonders dazu erbaueten geraͤumigen Spazierhauſe er-
laubt, ſich eine Bewegung zu machen.
Zur Beſchaͤftigung in ihrem muͤßigen und kuͤmmerlichen Zuſtande laͤſt man dieſe elende
Leute ein ſchlechtes Garn aus Hanf ſpinnen, womit die Saͤume der Matten in ihren Zim-
mern
B 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |