Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.Zehntes Kap. Reise von Miaco bis Famma matz. halb mit der Stadt umgebne Schlos ansehnlich, gros und nach inländischer Art mit hohenviereckigten vielen Dächern und Thürmen geziert. Ohnweit dem Schlosse sahe man einen großen Tempel des Abgottes Umano Gongin, und bald darauf gelangte man zu der Pfor- te, wo das Landesherrliche Wachthaus war, das auf einem vorhangenden schwarzen Schanzkleide das Wapen, nämlich einen gewissen Charakter zwischen zwei aufgerichteten Kleeblättern, zeigte. Jnsofern es das felsigte oder sandigte Erdreich nicht verhindert, ist die Landstraße von hier bis Jedo von beiden Seiten mit Tannenbäumen besezt, und in einer richtigen Abmessung von Meile zu Meile in der Mitte eines runden Mannshohen Hügels ein Baum gepflanzt, wobei ein Reisender die Entfernung der Oerter und den Fortgang sei- ner Reise erkennen kan. Eine halbe Meile von der Residenz Dsjedsje befanden wir uns in einem nach der Ein Dsja oder Drache (der bei den heidnischen Völkern überhaupt in großer Ach- Eine andere Fabel ist folgende: die steinerne Säule an dem Ende eben gedachter und Zweiter Band. H h
Zehntes Kap. Reiſe von Miaco bis Famma matz. halb mit der Stadt umgebne Schlos anſehnlich, gros und nach inlaͤndiſcher Art mit hohenviereckigten vielen Daͤchern und Thuͤrmen geziert. Ohnweit dem Schloſſe ſahe man einen großen Tempel des Abgottes Umano Gongin, und bald darauf gelangte man zu der Pfor- te, wo das Landesherrliche Wachthaus war, das auf einem vorhangenden ſchwarzen Schanzkleide das Wapen, naͤmlich einen gewiſſen Charakter zwiſchen zwei aufgerichteten Kleeblaͤttern, zeigte. Jnſofern es das felſigte oder ſandigte Erdreich nicht verhindert, iſt die Landſtraße von hier bis Jedo von beiden Seiten mit Tannenbaͤumen beſezt, und in einer richtigen Abmeſſung von Meile zu Meile in der Mitte eines runden Mannshohen Huͤgels ein Baum gepflanzt, wobei ein Reiſender die Entfernung der Oerter und den Fortgang ſei- ner Reiſe erkennen kan. Eine halbe Meile von der Reſidenz Dſjedſje befanden wir uns in einem nach der Ein Dſja oder Drache (der bei den heidniſchen Voͤlkern uͤberhaupt in großer Ach- Eine andere Fabel iſt folgende: die ſteinerne Saͤule an dem Ende eben gedachter und Zweiter Band. H h
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Zehntes Kap. Reiſe von Miaco bis Famma matz.
halb mit der Stadt umgebne Schlos anſehnlich, gros und nach inlaͤndiſcher Art mit hohen
viereckigten vielen Daͤchern und Thuͤrmen geziert. Ohnweit dem Schloſſe ſahe man einen
großen Tempel des Abgottes Umano Gongin, und bald darauf gelangte man zu der Pfor-
te, wo das Landesherrliche Wachthaus war, das auf einem vorhangenden ſchwarzen
Schanzkleide das Wapen, naͤmlich einen gewiſſen Charakter zwiſchen zwei aufgerichteten
Kleeblaͤttern, zeigte. Jnſofern es das felſigte oder ſandigte Erdreich nicht verhindert, iſt
die Landſtraße von hier bis Jedo von beiden Seiten mit Tannenbaͤumen beſezt, und in einer
richtigen Abmeſſung von Meile zu Meile in der Mitte eines runden Mannshohen Huͤgels
ein Baum gepflanzt, wobei ein Reiſender die Entfernung der Oerter und den Fortgang ſei-
ner Reiſe erkennen kan.
Eine halbe Meile von der Reſidenz Dſjedſje befanden wir uns in einem nach der
Laͤnge des Weges gelegenen Dorfe Tſitta oder Tſjitto, auch, nachdem einer eine Ausſpra-
che hat, Sjetta genant. Aus der angraͤnzenden Oitzerſee flos queer durch der Jodoſche
Strohm, der hier den Namen Jocatta gava bekoͤmmt, und deſſen Mund oder Anfang
eine gedoppelte hoͤlzerne Bruͤcke bedekt, da ihre mit Gelaͤndern und dieſe mit meſſingenen
Knoͤpfen verſehene Theile auf einer kleinen Jnſel zuſammenſtoßen, wovon der eine 40, der
andere 300 Schritte in der Laͤnge hat. Sie iſt die groͤßeſte, die ich hier zu Lande angetrof-
fen, und durch ganz Japan beruͤhmt. Sie heißet von dem Dorfe, Tſettanofas, oder
die Bruͤcke von Tſitta. Jch kann nicht umhin, hier ein wenig ſtehen zu bleiben, um ein
und andere fabelhafte Erzaͤhlungen von Dingen mitzutheilen, welche in dieſer Gegend vor-
gefallen ſeyn ſollen, und die die Japaner ſo feſt als ein Evangelium glauben.
Ein Dſja oder Drache (der bei den heidniſchen Voͤlkern uͤberhaupt in großer Ach-
tung iſt, und den die Japaner mit Fuͤßen, Haͤnden und zwei Hoͤrnern malen) hatte alhier
am Ufer ſeine Wohnung. Ein gewaltiger Tauſendbein von zwei Manslaͤngen hingegen
hielt ſich zwei Meilen von hier auf einem an der Landſtraße gelegenen Berge oder hohen
runden Huͤgel auf, der von eben dieſem Thiere den Namen Mukaddo Jamma fuͤhrt,
und machte ſelbige Straße unſicher, verfuͤgte ſich auch des Nachts ans Ufer, und verzehrte
die von dem Drachen gelegten Eyer; hieruͤber entſtand zwiſchen den beiden Thieren ein gro-
ßer Streit, worinnen der Drache obſiegte, und jenen ſchaͤdlichen Feind ums Leben brachte.
Zum Gedaͤchtnis dieſer Begebenheit hatte man an dem Orte in einem Theile des Dorfes,
Tawarattadu genant, einen Tempel errichtet, den man uns auch als einen Beweis da-
von zeigte.
Eine andere Fabel iſt folgende: die ſteinerne Saͤule an dem Ende eben gedachter
Bruͤcke war vorzeiten mit einem boͤſen Geiſte beſeſſen, der die Vorbeireiſenden ſowol als die
Dorfleute ſehr beunruhigte. Es geſchahe, daß der große und heilig gehaltene Lehrer Kooſj
durchpaſſirte, alle Bauren lagen ihm an, ihnen dieſe unleidliche Beſchwerde abzunehmen,
und
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