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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Eilftes Kap. Reise von Famma matz bis zur Residenz Jedo.
durch verschiedene in der Charte bezeichnete Dörfer, acht Meilen getragen wurden. Des
Vormittags gieng es vier Meilen Berg an, meistens über einen kahlen hier und da mit
Rohr und Schilfgras bewachsenen Boden. Mein Japanisches Dodsutski oder Reisebuch
ermahnte den Reisenden, sich besonders auf diesem einsamen Wege in Acht zu nehmen.
Auf der äußersten Höhe des Berges sahe man zur Seite einen langen Gränzstein, der den
Anfang der Herrschaft Odowara andeutete, und zugleich die Provinz Jdsu von Sagami
scheidete. Von hier drehete man sich ferner wiederum mühsam Berg unter, und erhielt
nach etwa 10 Straßenlängen oder nach einer Stunde den Flecken Togitz, der gemeiniglich
mit dem Namen des Gebirges Fackone genent wird, und wo wir, als auf der Hälfte
unsers heutigen Weges, Mittag machten. Sowol die Lage als verschiedene andere Um-
stände, fürnemlich die angränzende Mittelländische Bergsee machen diesen Ort so merkwür-
dig, daß ich mich ein wenig dabei auf halten mus. Der Flecken an sich bestehet aus etwa
250 schlechten Häusern, meist in einer langen Bogenweise gekrümten Gasse am Südostufer
der gedachten auf so hohem Gebirge gleichsam in der Luft gelegenen See, welche jedoch,
da sie noch von andern rauhen Bergen umgeben und beschlossen wird, nicht überlaufen und
austreten kan. (Der inzwischen noch weit höher hervorragende Fusino Jamma war von
hier etwas Nördlicher als gegen W. N. W. zu sehen.) Die Breite derselben ist, von O.
bis W., eine kleine halbe, und von S. bis N. eine große Japanische Meile. Unweit
dem Nordufer sol, wie man mir sagte, ein Goldreiches Erz gegraben werden. Am Ost-
ufer stehet der spizzulaufende hohe Berg Fitango Jamma, und an dessen Fuße das Dorf
Motto Fackone, zwischen welchem und dem Flecken Togitz, Dsoo gasima, d. i. die
Jnsel Dsoo oder Ssjio liegt. Wegen der bergigten rauhen Ufern lässet sich eben diese
See nicht wohl umgehen, sondern man fährt mit kleinen Kahnen, wo man hin wil. Es
werden darinnen verschiedene Arten von Fischen gefangen, worunter nur Lachse und Ström-
linge genent werden konten. Die Entstehung derselben wurde für ganz gewis einem Erdbe-
ben zugeschrieben, wodurch vor Alters dieser Ort eingesunken; als einen Beweis davon
führt man die unermeslichen Suggi oder Cederstämme an, welche sich in dem tiefen Grun-
de von ungemeiner Dicke häufig befinden, und die auf Erfordern und Gutfinden des Lan-
desherrn von Tauchern losgehoben und heraus gebracht werden. Man trift außerdem
überhaupt keinen Ort in Japan an, wo dieser Art Bäume so hoch, gerade und schön und
in einer solchen Menge wachsen, als hier. Da es weder Fliegen noch Mücken hier giebt,
so wird man des Sommers in seiner Ruhe nicht viel gestört, des Winters hingegen fält
der Aufenthalt eben nicht so gar bequem, denn die Luft ist so kalt, schwer, dunstig und un-
gesund, daß es ein Fremder, ohne Nachtheil seiner Gesundheit, nicht wol lange aushal-
ten kan, wie mich denn der ehemalige Generaldirektor der Holländischen Compagnie, der
Herr von Camphuysen, versichert, daß er sich seinen schwächlichen Körper an keinem

andern
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Eilftes Kap. Reiſe von Famma matz bis zur Reſidenz Jedo.
durch verſchiedene in der Charte bezeichnete Doͤrfer, acht Meilen getragen wurden. Des
Vormittags gieng es vier Meilen Berg an, meiſtens uͤber einen kahlen hier und da mit
Rohr und Schilfgras bewachſenen Boden. Mein Japaniſches Dodſutski oder Reiſebuch
ermahnte den Reiſenden, ſich beſonders auf dieſem einſamen Wege in Acht zu nehmen.
Auf der aͤußerſten Hoͤhe des Berges ſahe man zur Seite einen langen Graͤnzſtein, der den
Anfang der Herrſchaft Odowara andeutete, und zugleich die Provinz Jdſu von Sagami
ſcheidete. Von hier drehete man ſich ferner wiederum muͤhſam Berg unter, und erhielt
nach etwa 10 Straßenlaͤngen oder nach einer Stunde den Flecken Togitz, der gemeiniglich
mit dem Namen des Gebirges Fackone genent wird, und wo wir, als auf der Haͤlfte
unſers heutigen Weges, Mittag machten. Sowol die Lage als verſchiedene andere Um-
ſtaͤnde, fuͤrnemlich die angraͤnzende Mittellaͤndiſche Bergſee machen dieſen Ort ſo merkwuͤr-
dig, daß ich mich ein wenig dabei auf halten mus. Der Flecken an ſich beſtehet aus etwa
250 ſchlechten Haͤuſern, meiſt in einer langen Bogenweiſe gekruͤmten Gaſſe am Suͤdoſtufer
der gedachten auf ſo hohem Gebirge gleichſam in der Luft gelegenen See, welche jedoch,
da ſie noch von andern rauhen Bergen umgeben und beſchloſſen wird, nicht uͤberlaufen und
austreten kan. (Der inzwiſchen noch weit hoͤher hervorragende Fuſino Jamma war von
hier etwas Noͤrdlicher als gegen W. N. W. zu ſehen.) Die Breite derſelben iſt, von O.
bis W., eine kleine halbe, und von S. bis N. eine große Japaniſche Meile. Unweit
dem Nordufer ſol, wie man mir ſagte, ein Goldreiches Erz gegraben werden. Am Oſt-
ufer ſtehet der ſpizzulaufende hohe Berg Fitango Jamma, und an deſſen Fuße das Dorf
Motto Fackone, zwiſchen welchem und dem Flecken Togitz, Dſoo gaſima, d. i. die
Jnſel Dſoo oder Sſjio liegt. Wegen der bergigten rauhen Ufern laͤſſet ſich eben dieſe
See nicht wohl umgehen, ſondern man faͤhrt mit kleinen Kahnen, wo man hin wil. Es
werden darinnen verſchiedene Arten von Fiſchen gefangen, worunter nur Lachſe und Stroͤm-
linge genent werden konten. Die Entſtehung derſelben wurde fuͤr ganz gewis einem Erdbe-
ben zugeſchrieben, wodurch vor Alters dieſer Ort eingeſunken; als einen Beweis davon
fuͤhrt man die unermeslichen Suggi oder Cederſtaͤmme an, welche ſich in dem tiefen Grun-
de von ungemeiner Dicke haͤufig befinden, und die auf Erfordern und Gutfinden des Lan-
desherrn von Tauchern losgehoben und heraus gebracht werden. Man trift außerdem
uͤberhaupt keinen Ort in Japan an, wo dieſer Art Baͤume ſo hoch, gerade und ſchoͤn und
in einer ſolchen Menge wachſen, als hier. Da es weder Fliegen noch Muͤcken hier giebt,
ſo wird man des Sommers in ſeiner Ruhe nicht viel geſtoͤrt, des Winters hingegen faͤlt
der Aufenthalt eben nicht ſo gar bequem, denn die Luft iſt ſo kalt, ſchwer, dunſtig und un-
geſund, daß es ein Fremder, ohne Nachtheil ſeiner Geſundheit, nicht wol lange aushal-
ten kan, wie mich denn der ehemalige Generaldirektor der Hollaͤndiſchen Compagnie, der
Herr von Camphuyſen, verſichert, daß er ſich ſeinen ſchwaͤchlichen Koͤrper an keinem

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[261/0295] Eilftes Kap. Reiſe von Famma matz bis zur Reſidenz Jedo. durch verſchiedene in der Charte bezeichnete Doͤrfer, acht Meilen getragen wurden. Des Vormittags gieng es vier Meilen Berg an, meiſtens uͤber einen kahlen hier und da mit Rohr und Schilfgras bewachſenen Boden. Mein Japaniſches Dodſutski oder Reiſebuch ermahnte den Reiſenden, ſich beſonders auf dieſem einſamen Wege in Acht zu nehmen. Auf der aͤußerſten Hoͤhe des Berges ſahe man zur Seite einen langen Graͤnzſtein, der den Anfang der Herrſchaft Odowara andeutete, und zugleich die Provinz Jdſu von Sagami ſcheidete. Von hier drehete man ſich ferner wiederum muͤhſam Berg unter, und erhielt nach etwa 10 Straßenlaͤngen oder nach einer Stunde den Flecken Togitz, der gemeiniglich mit dem Namen des Gebirges Fackone genent wird, und wo wir, als auf der Haͤlfte unſers heutigen Weges, Mittag machten. Sowol die Lage als verſchiedene andere Um- ſtaͤnde, fuͤrnemlich die angraͤnzende Mittellaͤndiſche Bergſee machen dieſen Ort ſo merkwuͤr- dig, daß ich mich ein wenig dabei auf halten mus. Der Flecken an ſich beſtehet aus etwa 250 ſchlechten Haͤuſern, meiſt in einer langen Bogenweiſe gekruͤmten Gaſſe am Suͤdoſtufer der gedachten auf ſo hohem Gebirge gleichſam in der Luft gelegenen See, welche jedoch, da ſie noch von andern rauhen Bergen umgeben und beſchloſſen wird, nicht uͤberlaufen und austreten kan. (Der inzwiſchen noch weit hoͤher hervorragende Fuſino Jamma war von hier etwas Noͤrdlicher als gegen W. N. W. zu ſehen.) Die Breite derſelben iſt, von O. bis W., eine kleine halbe, und von S. bis N. eine große Japaniſche Meile. Unweit dem Nordufer ſol, wie man mir ſagte, ein Goldreiches Erz gegraben werden. Am Oſt- ufer ſtehet der ſpizzulaufende hohe Berg Fitango Jamma, und an deſſen Fuße das Dorf Motto Fackone, zwiſchen welchem und dem Flecken Togitz, Dſoo gaſima, d. i. die Jnſel Dſoo oder Sſjio liegt. Wegen der bergigten rauhen Ufern laͤſſet ſich eben dieſe See nicht wohl umgehen, ſondern man faͤhrt mit kleinen Kahnen, wo man hin wil. Es werden darinnen verſchiedene Arten von Fiſchen gefangen, worunter nur Lachſe und Stroͤm- linge genent werden konten. Die Entſtehung derſelben wurde fuͤr ganz gewis einem Erdbe- ben zugeſchrieben, wodurch vor Alters dieſer Ort eingeſunken; als einen Beweis davon fuͤhrt man die unermeslichen Suggi oder Cederſtaͤmme an, welche ſich in dem tiefen Grun- de von ungemeiner Dicke haͤufig befinden, und die auf Erfordern und Gutfinden des Lan- desherrn von Tauchern losgehoben und heraus gebracht werden. Man trift außerdem uͤberhaupt keinen Ort in Japan an, wo dieſer Art Baͤume ſo hoch, gerade und ſchoͤn und in einer ſolchen Menge wachſen, als hier. Da es weder Fliegen noch Muͤcken hier giebt, ſo wird man des Sommers in ſeiner Ruhe nicht viel geſtoͤrt, des Winters hingegen faͤlt der Aufenthalt eben nicht ſo gar bequem, denn die Luft iſt ſo kalt, ſchwer, dunſtig und un- geſund, daß es ein Fremder, ohne Nachtheil ſeiner Geſundheit, nicht wol lange aushal- ten kan, wie mich denn der ehemalige Generaldirektor der Hollaͤndiſchen Compagnie, der Herr von Camphuyſen, verſichert, daß er ſich ſeinen ſchwaͤchlichen Koͤrper an keinem andern K k 3

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/295>, abgerufen am 24.11.2024.