Zwölftes Kap. Beschreibung der Stadt und des Schlosses Jedo.
vielen Kammern ist sehr kostbar. Sie sind jedoch nur von einem Stokwerk und mit klei- nen *) Thürmen geziert.
Ohnerachtet des Flors aller Künste und Handwerke, des Handels und sonstiger Gewerbe, verursacht die große Menge müssiger Hof-und Klosterleute in allem mehrere Theurung, als an irgend einem Orte des Reichs.
Was die Art der Regierung der Stadt betrift, so ist solche mit der von Nagasacki und Osacka einerlei. Die Gassenrichter (Ottona) nämlich sind über einzelne Straßen, die Bürgermeister über Quartiere, und zwei jährlich abwechselnde Gouverneurs über die ganze Stadt gesezt.
Das Kaiserliche Schlos liegt im Nördlichen Theile der Stadt, und hat in einer etwas ungleichen Rundung fünf Japanische Meilen im Umkreise. Es bestehet aus einer gedoppelten Vorburg, einer großen Vestung, als der eigentlichen Residenz des Kaisers und zwei befestigten Nebenschlössern, auch einigen großen Lustgarten hinter der Residenz.
Die erste und äußerste Burg ist mit Wällen, ausgemauerten Graben und Pforten, und inwärts mit einer ansehnlichen Wache versehen. Sie umgiebt den großen halben Theil der Kaiserlichen Residenz, hat aber so viele Durchschnitte, abgehende Graben und Wälle, daß ich den Grundris davon so wenig selbst entwerfen als aus der Japaner ihren Plans ab- nehmen können. Auf dem großen Platze, den diese Burg einnimt, haben die Landes- fürstlichen Familien ihre Wohnungen, welche Gassenweise angelegt, schön gebauet und mit schweren Pforten an den Vorhöfen verwahrt sind.
Die zweite und innere Burg, die von der ersten umschlossen wird, begreift einen kleineren Plaz, und nur die Fronte der Kaiserlichen Residenz; sie ist aber mit Wällen, Graben, Brücken und Pforten besser als die erste, auch mit einer größeren Wache besezt. Die ältesten Reichsräthe, Gouverneurs und einige der ansehnlichsten Landesherren wohnen hier in schönen Pallästen.
Die Kaiserliche Residenz liegt auf einem etwas erhöheten jedoch ebenen Hügel, und wird von einem breiten mit Quadersteinen aufgemauerten Graben umgeben, der fürnemlich an der Schlosseite mit ungeheur großen Werksteinen in die Höhe etwas schräg aufgeführt, darhinter mit Erde gefült und oben mit langen Gebäuden besezt, und mit gefachten Thurm- förmigen viereckigten Wachthäusern befestigt ist. An der Mauer selbst sind hervorstehende steinerne Bolwerke nach den Regeln der Kriegsbaukunst angebracht, besagte Werksteine aber nur über einander angelegt, und mit keinem Kalk oder sonst einer Klammer verbun-
den,
*) Scheuchzer hat, anstat kleinen, gelesen: keinen.
Zweiter Band. M m
Zwoͤlftes Kap. Beſchreibung der Stadt und des Schloſſes Jedo.
vielen Kammern iſt ſehr koſtbar. Sie ſind jedoch nur von einem Stokwerk und mit klei- nen *) Thuͤrmen geziert.
Ohnerachtet des Flors aller Kuͤnſte und Handwerke, des Handels und ſonſtiger Gewerbe, verurſacht die große Menge muͤſſiger Hof-und Kloſterleute in allem mehrere Theurung, als an irgend einem Orte des Reichs.
Was die Art der Regierung der Stadt betrift, ſo iſt ſolche mit der von Nagaſacki und Oſacka einerlei. Die Gaſſenrichter (Ottona) naͤmlich ſind uͤber einzelne Straßen, die Buͤrgermeiſter uͤber Quartiere, und zwei jaͤhrlich abwechſelnde Gouverneurs uͤber die ganze Stadt geſezt.
Das Kaiſerliche Schlos liegt im Noͤrdlichen Theile der Stadt, und hat in einer etwas ungleichen Rundung fuͤnf Japaniſche Meilen im Umkreiſe. Es beſtehet aus einer gedoppelten Vorburg, einer großen Veſtung, als der eigentlichen Reſidenz des Kaiſers und zwei befeſtigten Nebenſchloͤſſern, auch einigen großen Luſtgarten hinter der Reſidenz.
Die erſte und aͤußerſte Burg iſt mit Waͤllen, ausgemauerten Graben und Pforten, und inwaͤrts mit einer anſehnlichen Wache verſehen. Sie umgiebt den großen halben Theil der Kaiſerlichen Reſidenz, hat aber ſo viele Durchſchnitte, abgehende Graben und Waͤlle, daß ich den Grundris davon ſo wenig ſelbſt entwerfen als aus der Japaner ihren Plans ab- nehmen koͤnnen. Auf dem großen Platze, den dieſe Burg einnimt, haben die Landes- fuͤrſtlichen Familien ihre Wohnungen, welche Gaſſenweiſe angelegt, ſchoͤn gebauet und mit ſchweren Pforten an den Vorhoͤfen verwahrt ſind.
Die zweite und innere Burg, die von der erſten umſchloſſen wird, begreift einen kleineren Plaz, und nur die Fronte der Kaiſerlichen Reſidenz; ſie iſt aber mit Waͤllen, Graben, Bruͤcken und Pforten beſſer als die erſte, auch mit einer groͤßeren Wache beſezt. Die aͤlteſten Reichsraͤthe, Gouverneurs und einige der anſehnlichſten Landesherren wohnen hier in ſchoͤnen Pallaͤſten.
Die Kaiſerliche Reſidenz liegt auf einem etwas erhoͤheten jedoch ebenen Huͤgel, und wird von einem breiten mit Quaderſteinen aufgemauerten Graben umgeben, der fuͤrnemlich an der Schlosſeite mit ungeheur großen Werkſteinen in die Hoͤhe etwas ſchraͤg aufgefuͤhrt, darhinter mit Erde gefuͤlt und oben mit langen Gebaͤuden beſezt, und mit gefachten Thurm- foͤrmigen viereckigten Wachthaͤuſern befeſtigt iſt. An der Mauer ſelbſt ſind hervorſtehende ſteinerne Bolwerke nach den Regeln der Kriegsbaukunſt angebracht, beſagte Werkſteine aber nur uͤber einander angelegt, und mit keinem Kalk oder ſonſt einer Klammer verbun-
den,
*) Scheuchzer hat, anſtat kleinen, geleſen: keinen.
Zweiter Band. M m
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Zwoͤlftes Kap. Beſchreibung der Stadt und des Schloſſes Jedo.
vielen Kammern iſt ſehr koſtbar. Sie ſind jedoch nur von einem Stokwerk und mit klei-
nen *) Thuͤrmen geziert.
Ohnerachtet des Flors aller Kuͤnſte und Handwerke, des Handels und ſonſtiger
Gewerbe, verurſacht die große Menge muͤſſiger Hof-und Kloſterleute in allem mehrere
Theurung, als an irgend einem Orte des Reichs.
Was die Art der Regierung der Stadt betrift, ſo iſt ſolche mit der von Nagaſacki
und Oſacka einerlei. Die Gaſſenrichter (Ottona) naͤmlich ſind uͤber einzelne Straßen, die
Buͤrgermeiſter uͤber Quartiere, und zwei jaͤhrlich abwechſelnde Gouverneurs uͤber die ganze
Stadt geſezt.
Das Kaiſerliche Schlos liegt im Noͤrdlichen Theile der Stadt, und hat in einer
etwas ungleichen Rundung fuͤnf Japaniſche Meilen im Umkreiſe. Es beſtehet aus einer
gedoppelten Vorburg, einer großen Veſtung, als der eigentlichen Reſidenz des Kaiſers und
zwei befeſtigten Nebenſchloͤſſern, auch einigen großen Luſtgarten hinter der Reſidenz.
Die erſte und aͤußerſte Burg iſt mit Waͤllen, ausgemauerten Graben und Pforten,
und inwaͤrts mit einer anſehnlichen Wache verſehen. Sie umgiebt den großen halben Theil
der Kaiſerlichen Reſidenz, hat aber ſo viele Durchſchnitte, abgehende Graben und Waͤlle,
daß ich den Grundris davon ſo wenig ſelbſt entwerfen als aus der Japaner ihren Plans ab-
nehmen koͤnnen. Auf dem großen Platze, den dieſe Burg einnimt, haben die Landes-
fuͤrſtlichen Familien ihre Wohnungen, welche Gaſſenweiſe angelegt, ſchoͤn gebauet und mit
ſchweren Pforten an den Vorhoͤfen verwahrt ſind.
Die zweite und innere Burg, die von der erſten umſchloſſen wird, begreift einen
kleineren Plaz, und nur die Fronte der Kaiſerlichen Reſidenz; ſie iſt aber mit Waͤllen,
Graben, Bruͤcken und Pforten beſſer als die erſte, auch mit einer groͤßeren Wache beſezt.
Die aͤlteſten Reichsraͤthe, Gouverneurs und einige der anſehnlichſten Landesherren wohnen
hier in ſchoͤnen Pallaͤſten.
Die Kaiſerliche Reſidenz liegt auf einem etwas erhoͤheten jedoch ebenen Huͤgel, und
wird von einem breiten mit Quaderſteinen aufgemauerten Graben umgeben, der fuͤrnemlich
an der Schlosſeite mit ungeheur großen Werkſteinen in die Hoͤhe etwas ſchraͤg aufgefuͤhrt,
darhinter mit Erde gefuͤlt und oben mit langen Gebaͤuden beſezt, und mit gefachten Thurm-
foͤrmigen viereckigten Wachthaͤuſern befeſtigt iſt. An der Mauer ſelbſt ſind hervorſtehende
ſteinerne Bolwerke nach den Regeln der Kriegsbaukunſt angebracht, beſagte Werkſteine
aber nur uͤber einander angelegt, und mit keinem Kalk oder ſonſt einer Klammer verbun-
den,
*) Scheuchzer hat, anſtat kleinen, geleſen: keinen.
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/309>, abgerufen am 24.06.2024.
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