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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Zweit. Kap. Von der innern Regierung der Stadt Nangasacki.
genommen hat. Denn so lange sich ein Gouverneur hier in Nagasacki aufhält, ist es we-
der ihm, noch seinen Edeln und Bedienten erlaubt, ein Frauenzimmer über ihre Schwelle
kommen zu lassen, wenn sie sich nicht die stärkste kaiserliche Ungnade zuziehn wollen. Für
diese hält man es unanständig, den geringsten Ungehorsam gegen die kaiserlichen Befehle mit
geringerer Strafe, als der, daß sich der Verbrecher selbst tödtet, oder auf ewig verbannt
oder in Arrest gelegt wird. Der Ruin seiner ganzen Familie ist dabei unvermeidlich.

Die jetzigen drei Herrn haben in kurzer Zeit ihren Verstand zu großem Vergnü-
gen der Majestät angewandt, und den ausländischen Handel zum Nachtheil der Fremden so
eingeschränkt, daß er den Einwohnern zum grösten Nutzen gereicht, und die Fremden doch
noch hier geblieben sind. Dieses gute Betragen hat ihnen dann auch den japanischen Rit-
tertitel Cami erworben. Zwei hatten ihn schon bei ihrer lezten Anwesenheit am Hofe erhal-
ten, und der dritte erwartete ihn, wie ich mich in Nangasacki auf hielt. Cami bedeutet ei-
gentlich ein großmächtiger, anbetenswürdiger Geist, eine ehrwürdige, unsterbliche Seele,
ein Wesen, das über alle Menschen erhaben ist. Man versteht also unter dem ertheilten
Titel Cami einen Befehl, daß der Kaiser den damit beehrten Man als einen Götzen wolle
geehrt haben. Dieser Titel wird noch ansehnlicher, wenn man ihm den Namen eines gewis-
sen Landes beifügt.

Die Gouverneurs während meines Aufenthalts waren folgende:

Der erste hies Kawaguts Genseimen, nach der bei der Ritterwürde gewöhnli-
chen Veränderung des Namens (wo von dem alten nur der Geschlechtsname beibehalten
wird) heist er jetzt: Kawagut Tsino Cami. Seine Erbgüter tragen ihm jährlich 4700
Kokf ein. Er ist ein wohlgestalter Man von etwa funfzig Jahren, listig und boshaft,
ein großer Feind der Holländer, ein ungerechter und strenger Richter, aber ein geschmeidi-
ger und glüklicher Hofman.

Der zweite hies Jama Oka Sjubjooje oder nach verändertem Titel Jama Oka
Tsussima no Cami.
Er hat sich den Weg zu seinem Glük durch Ausrottung der Beu-
telschneider in Jedo gebahnt, welches Geschäft seiner Oberaufsicht anvertrauet war. Er
reinigte die Hauptstadt in kurzer Zeit von diesem Gesindel, und hat mit seinen Leuten über
tausend von denselben eigenhändig ausgerottet. Die Einkünfte von seinen erblichen Gütern
betragen 2000 Kokf. Er ist jezt ein Herr von sechzig Jahren, sehr bescheiden, aufrichtig,
wohlthätig, besonders gegen seine arme Unterthanen. Als er das lezte Jahr hinauf nach
Hofe reisete, theilte er alle seine eingenommene Accidentien so mildthätig aus, daß einige
ehrbare, aber dürftige Bürger, wohl 100 Taels der Mann, empfingen. Jch wil nicht
entscheiden, ob dieser Herr durch ein solches gutthätiges Betragen nur suche, dem großen
Ansehn seiner Collegen, die weit schlauere und geschiktere Hofleute sind, entgegen zu arbeiten,
oder ob es wirklich aus edelmüthiger Gemüthsart herrühre? Soviel ist gewis, daß ihm die

Aus-
Zweiter Band. C

Zweit. Kap. Von der innern Regierung der Stadt Nangaſacki.
genommen hat. Denn ſo lange ſich ein Gouverneur hier in Nagaſacki aufhaͤlt, iſt es we-
der ihm, noch ſeinen Edeln und Bedienten erlaubt, ein Frauenzimmer uͤber ihre Schwelle
kommen zu laſſen, wenn ſie ſich nicht die ſtaͤrkſte kaiſerliche Ungnade zuziehn wollen. Fuͤr
dieſe haͤlt man es unanſtaͤndig, den geringſten Ungehorſam gegen die kaiſerlichen Befehle mit
geringerer Strafe, als der, daß ſich der Verbrecher ſelbſt toͤdtet, oder auf ewig verbannt
oder in Arreſt gelegt wird. Der Ruin ſeiner ganzen Familie iſt dabei unvermeidlich.

Die jetzigen drei Herrn haben in kurzer Zeit ihren Verſtand zu großem Vergnuͤ-
gen der Majeſtaͤt angewandt, und den auslaͤndiſchen Handel zum Nachtheil der Fremden ſo
eingeſchraͤnkt, daß er den Einwohnern zum groͤſten Nutzen gereicht, und die Fremden doch
noch hier geblieben ſind. Dieſes gute Betragen hat ihnen dann auch den japaniſchen Rit-
tertitel Cami erworben. Zwei hatten ihn ſchon bei ihrer lezten Anweſenheit am Hofe erhal-
ten, und der dritte erwartete ihn, wie ich mich in Nangaſacki auf hielt. Cami bedeutet ei-
gentlich ein großmaͤchtiger, anbetenswuͤrdiger Geiſt, eine ehrwuͤrdige, unſterbliche Seele,
ein Weſen, das uͤber alle Menſchen erhaben iſt. Man verſteht alſo unter dem ertheilten
Titel Cami einen Befehl, daß der Kaiſer den damit beehrten Man als einen Goͤtzen wolle
geehrt haben. Dieſer Titel wird noch anſehnlicher, wenn man ihm den Namen eines gewiſ-
ſen Landes beifuͤgt.

Die Gouverneurs waͤhrend meines Aufenthalts waren folgende:

Der erſte hies Kawaguts Genſeimen, nach der bei der Ritterwuͤrde gewoͤhnli-
chen Veraͤnderung des Namens (wo von dem alten nur der Geſchlechtsname beibehalten
wird) heiſt er jetzt: Kawagut Tſino Cami. Seine Erbguͤter tragen ihm jaͤhrlich 4700
Kokf ein. Er iſt ein wohlgeſtalter Man von etwa funfzig Jahren, liſtig und boshaft,
ein großer Feind der Hollaͤnder, ein ungerechter und ſtrenger Richter, aber ein geſchmeidi-
ger und gluͤklicher Hofman.

Der zweite hies Jama Oka Sjubjooje oder nach veraͤndertem Titel Jama Oka
Tſuſſima no Cami.
Er hat ſich den Weg zu ſeinem Gluͤk durch Ausrottung der Beu-
telſchneider in Jedo gebahnt, welches Geſchaͤft ſeiner Oberaufſicht anvertrauet war. Er
reinigte die Hauptſtadt in kurzer Zeit von dieſem Geſindel, und hat mit ſeinen Leuten uͤber
tauſend von denſelben eigenhaͤndig ausgerottet. Die Einkuͤnfte von ſeinen erblichen Guͤtern
betragen 2000 Kokf. Er iſt jezt ein Herr von ſechzig Jahren, ſehr beſcheiden, aufrichtig,
wohlthaͤtig, beſonders gegen ſeine arme Unterthanen. Als er das lezte Jahr hinauf nach
Hofe reiſete, theilte er alle ſeine eingenommene Accidentien ſo mildthaͤtig aus, daß einige
ehrbare, aber duͤrftige Buͤrger, wohl 100 Taels der Mann, empfingen. Jch wil nicht
entſcheiden, ob dieſer Herr durch ein ſolches gutthaͤtiges Betragen nur ſuche, dem großen
Anſehn ſeiner Collegen, die weit ſchlauere und geſchiktere Hofleute ſind, entgegen zu arbeiten,
oder ob es wirklich aus edelmuͤthiger Gemuͤthsart herruͤhre? Soviel iſt gewis, daß ihm die

Aus-
Zweiter Band. C
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[17/0031] Zweit. Kap. Von der innern Regierung der Stadt Nangaſacki. genommen hat. Denn ſo lange ſich ein Gouverneur hier in Nagaſacki aufhaͤlt, iſt es we- der ihm, noch ſeinen Edeln und Bedienten erlaubt, ein Frauenzimmer uͤber ihre Schwelle kommen zu laſſen, wenn ſie ſich nicht die ſtaͤrkſte kaiſerliche Ungnade zuziehn wollen. Fuͤr dieſe haͤlt man es unanſtaͤndig, den geringſten Ungehorſam gegen die kaiſerlichen Befehle mit geringerer Strafe, als der, daß ſich der Verbrecher ſelbſt toͤdtet, oder auf ewig verbannt oder in Arreſt gelegt wird. Der Ruin ſeiner ganzen Familie iſt dabei unvermeidlich. Die jetzigen drei Herrn haben in kurzer Zeit ihren Verſtand zu großem Vergnuͤ- gen der Majeſtaͤt angewandt, und den auslaͤndiſchen Handel zum Nachtheil der Fremden ſo eingeſchraͤnkt, daß er den Einwohnern zum groͤſten Nutzen gereicht, und die Fremden doch noch hier geblieben ſind. Dieſes gute Betragen hat ihnen dann auch den japaniſchen Rit- tertitel Cami erworben. Zwei hatten ihn ſchon bei ihrer lezten Anweſenheit am Hofe erhal- ten, und der dritte erwartete ihn, wie ich mich in Nangaſacki auf hielt. Cami bedeutet ei- gentlich ein großmaͤchtiger, anbetenswuͤrdiger Geiſt, eine ehrwuͤrdige, unſterbliche Seele, ein Weſen, das uͤber alle Menſchen erhaben iſt. Man verſteht alſo unter dem ertheilten Titel Cami einen Befehl, daß der Kaiſer den damit beehrten Man als einen Goͤtzen wolle geehrt haben. Dieſer Titel wird noch anſehnlicher, wenn man ihm den Namen eines gewiſ- ſen Landes beifuͤgt. Die Gouverneurs waͤhrend meines Aufenthalts waren folgende: Der erſte hies Kawaguts Genſeimen, nach der bei der Ritterwuͤrde gewoͤhnli- chen Veraͤnderung des Namens (wo von dem alten nur der Geſchlechtsname beibehalten wird) heiſt er jetzt: Kawagut Tſino Cami. Seine Erbguͤter tragen ihm jaͤhrlich 4700 Kokf ein. Er iſt ein wohlgeſtalter Man von etwa funfzig Jahren, liſtig und boshaft, ein großer Feind der Hollaͤnder, ein ungerechter und ſtrenger Richter, aber ein geſchmeidi- ger und gluͤklicher Hofman. Der zweite hies Jama Oka Sjubjooje oder nach veraͤndertem Titel Jama Oka Tſuſſima no Cami. Er hat ſich den Weg zu ſeinem Gluͤk durch Ausrottung der Beu- telſchneider in Jedo gebahnt, welches Geſchaͤft ſeiner Oberaufſicht anvertrauet war. Er reinigte die Hauptſtadt in kurzer Zeit von dieſem Geſindel, und hat mit ſeinen Leuten uͤber tauſend von denſelben eigenhaͤndig ausgerottet. Die Einkuͤnfte von ſeinen erblichen Guͤtern betragen 2000 Kokf. Er iſt jezt ein Herr von ſechzig Jahren, ſehr beſcheiden, aufrichtig, wohlthaͤtig, beſonders gegen ſeine arme Unterthanen. Als er das lezte Jahr hinauf nach Hofe reiſete, theilte er alle ſeine eingenommene Accidentien ſo mildthaͤtig aus, daß einige ehrbare, aber duͤrftige Buͤrger, wohl 100 Taels der Mann, empfingen. Jch wil nicht entſcheiden, ob dieſer Herr durch ein ſolches gutthaͤtiges Betragen nur ſuche, dem großen Anſehn ſeiner Collegen, die weit ſchlauere und geſchiktere Hofleute ſind, entgegen zu arbeiten, oder ob es wirklich aus edelmuͤthiger Gemuͤthsart herruͤhre? Soviel iſt gewis, daß ihm die Aus- Zweiter Band. C

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/31>, abgerufen am 03.12.2024.