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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Zwölftes Kap. Beschreibung der Stadt und des Schlosses Jedo.
sehnlicher sich ausnehmen, als die vorigen. Unsere Körbe, Pferde und Diener blieben
hierselbst zurük, und nun giengen wir mit unsern Führern quer über den Plaz nach dem
Fon mar, oder der Kaiserlichen Residenz zu. Erst kamen wir über eine lange steinerne
Brücke durch ein doppelt verschlossenes Bolwerk, darnach etwa 20 Schritte aufwärts durch
eine krumme Gasse, die nach Beschaffenheit des Erdreichs zu beiden Seiten eine unglaub-
liche hohe Mauer umgab, bis an die zur linken Hand am Ende dieser Gasse unter der lezten
Pforte der Residenz gelegene Fjak nin ban, d. i. die hundert Manswache genant, oder
die große Schloswache, wo wir abwarten musten, bis man uns weiter aufforderte, das,
wie man versicherte, so bald als der hohe Rath am Hof zusammen wäre, erfolgen solte.
Zwei Hauptleute von dieser Wache empfiengen uns inzwischen sehr höflich, und sezten uns
Thee und Tobak vor, die beiden Commissarien und Sino Cami kamen dazu, uns zu begrüßen,
mehrerer anderer uns unbekanter neugieriger Hofkavaliers nicht zu gedenken. Nachdem
denn die älteren und jüngeren Reichshofräthe innerhalb einer Stunde theils zu Fuße theils
in Norimons vorbei ins Kaiserliche Schlos passirt waren, so wurden wir abgerufen und
über einen viereckigten mit zwei prächtigen Pforten verschlossenen Plaz, und zwar zu Ende
der einen einige steinerne Tritte hinauf in den eigentlichen Residenzplaz geführt, welcher von
dort bis an die Fronte des Kaiserlichen Pallastes nur wenige Schritte breit, und mit Wacht-
habenden Soldaten wohl besezt, auch vol von Hofleuten und Pagen war. Man trat noch
etwa zwei Treppen hinauf in den Pallast und am Eingange zur rechten Hand in die nächste
Kammer als den gewöhnlichen Wartsaal für die, so vor den Kaiser oder die Reichsräthe
zur Audienz gelassen werden sollen. Es war derselbe mit verguldeten Pfeilern, Wänden
und Schauben prächtig ausgepuzt, auch ziemlich hoch, nach geschlossenen Schauben aber
sehr finster, indem alsdenn durch das obere Gegitter einer zur rechten Hand daran stoßen-
den Meubleskammer nur ein kleines Licht hereinfiel. Als wir hier über eine gute Stunde
gesessen, während dem sich der Kaiser auf seinem gewöhnlichen Sitze eingefunden hatte,
holten beide Commissarien und Sino Cami unsern Residenten oder Capitain ab, und führ-
ten ihn zu dem Audienzsaal, ließen uns aber zurük; kaum daß er hineingetreten seyn mochte,
gab eine überlaute Stimme mit Hollanda Capitain das Zeichen, daß er sich nähern
und seine Ehrerbietung ablegen solte, worauf er zwischen dem Orte, wo die Geschenke nach
der Ordnung lagen, und dem hohen Sizplatze der Kaiserlichen Majestät, so weit man ihm
es anwies, auf Händen und Füßen herbeikroch, das Haupt, auf dem Knie liegend, bis
zum Boden neigte, und sich ganz stilschweigend eben so und wie ein Krebs wiederum krie-
chend zurükzog. Hierinnen bestehet die ganze kurze Ceremonie bei der mit so vielen Um-
ständen zubereiteten Audienz. Mit der, welche jährlich die großen Landesherren haben, ge-
het es nicht anders zu, ihre Namen werden ebenfals abgerufen, sie bezeugen sodann ihren
demüthigen und gehorsamen Respekt, und kriechen rüklings wieder davon.

Der
Zweiter Band. N n

Zwoͤlftes Kap. Beſchreibung der Stadt und des Schloſſes Jedo.
ſehnlicher ſich ausnehmen, als die vorigen. Unſere Koͤrbe, Pferde und Diener blieben
hierſelbſt zuruͤk, und nun giengen wir mit unſern Fuͤhrern quer uͤber den Plaz nach dem
Fon mar, oder der Kaiſerlichen Reſidenz zu. Erſt kamen wir uͤber eine lange ſteinerne
Bruͤcke durch ein doppelt verſchloſſenes Bolwerk, darnach etwa 20 Schritte aufwaͤrts durch
eine krumme Gaſſe, die nach Beſchaffenheit des Erdreichs zu beiden Seiten eine unglaub-
liche hohe Mauer umgab, bis an die zur linken Hand am Ende dieſer Gaſſe unter der lezten
Pforte der Reſidenz gelegene Fjak nin ban, d. i. die hundert Manswache genant, oder
die große Schloswache, wo wir abwarten muſten, bis man uns weiter aufforderte, das,
wie man verſicherte, ſo bald als der hohe Rath am Hof zuſammen waͤre, erfolgen ſolte.
Zwei Hauptleute von dieſer Wache empfiengen uns inzwiſchen ſehr hoͤflich, und ſezten uns
Thee und Tobak vor, die beiden Commiſſarien und Sino Cami kamen dazu, uns zu begruͤßen,
mehrerer anderer uns unbekanter neugieriger Hofkavaliers nicht zu gedenken. Nachdem
denn die aͤlteren und juͤngeren Reichshofraͤthe innerhalb einer Stunde theils zu Fuße theils
in Norimons vorbei ins Kaiſerliche Schlos paſſirt waren, ſo wurden wir abgerufen und
uͤber einen viereckigten mit zwei praͤchtigen Pforten verſchloſſenen Plaz, und zwar zu Ende
der einen einige ſteinerne Tritte hinauf in den eigentlichen Reſidenzplaz gefuͤhrt, welcher von
dort bis an die Fronte des Kaiſerlichen Pallaſtes nur wenige Schritte breit, und mit Wacht-
habenden Soldaten wohl beſezt, auch vol von Hofleuten und Pagen war. Man trat noch
etwa zwei Treppen hinauf in den Pallaſt und am Eingange zur rechten Hand in die naͤchſte
Kammer als den gewoͤhnlichen Wartſaal fuͤr die, ſo vor den Kaiſer oder die Reichsraͤthe
zur Audienz gelaſſen werden ſollen. Es war derſelbe mit verguldeten Pfeilern, Waͤnden
und Schauben praͤchtig ausgepuzt, auch ziemlich hoch, nach geſchloſſenen Schauben aber
ſehr finſter, indem alsdenn durch das obere Gegitter einer zur rechten Hand daran ſtoßen-
den Meubleskammer nur ein kleines Licht hereinfiel. Als wir hier uͤber eine gute Stunde
geſeſſen, waͤhrend dem ſich der Kaiſer auf ſeinem gewoͤhnlichen Sitze eingefunden hatte,
holten beide Commiſſarien und Sino Cami unſern Reſidenten oder Capitain ab, und fuͤhr-
ten ihn zu dem Audienzſaal, ließen uns aber zuruͤk; kaum daß er hineingetreten ſeyn mochte,
gab eine uͤberlaute Stimme mit Hollanda Capitain das Zeichen, daß er ſich naͤhern
und ſeine Ehrerbietung ablegen ſolte, worauf er zwiſchen dem Orte, wo die Geſchenke nach
der Ordnung lagen, und dem hohen Sizplatze der Kaiſerlichen Majeſtaͤt, ſo weit man ihm
es anwies, auf Haͤnden und Fuͤßen herbeikroch, das Haupt, auf dem Knie liegend, bis
zum Boden neigte, und ſich ganz ſtilſchweigend eben ſo und wie ein Krebs wiederum krie-
chend zuruͤkzog. Hierinnen beſtehet die ganze kurze Ceremonie bei der mit ſo vielen Um-
ſtaͤnden zubereiteten Audienz. Mit der, welche jaͤhrlich die großen Landesherren haben, ge-
het es nicht anders zu, ihre Namen werden ebenfals abgerufen, ſie bezeugen ſodann ihren
demuͤthigen und gehorſamen Reſpekt, und kriechen ruͤklings wieder davon.

Der
Zweiter Band. N n
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[281/0317] Zwoͤlftes Kap. Beſchreibung der Stadt und des Schloſſes Jedo. ſehnlicher ſich ausnehmen, als die vorigen. Unſere Koͤrbe, Pferde und Diener blieben hierſelbſt zuruͤk, und nun giengen wir mit unſern Fuͤhrern quer uͤber den Plaz nach dem Fon mar, oder der Kaiſerlichen Reſidenz zu. Erſt kamen wir uͤber eine lange ſteinerne Bruͤcke durch ein doppelt verſchloſſenes Bolwerk, darnach etwa 20 Schritte aufwaͤrts durch eine krumme Gaſſe, die nach Beſchaffenheit des Erdreichs zu beiden Seiten eine unglaub- liche hohe Mauer umgab, bis an die zur linken Hand am Ende dieſer Gaſſe unter der lezten Pforte der Reſidenz gelegene Fjak nin ban, d. i. die hundert Manswache genant, oder die große Schloswache, wo wir abwarten muſten, bis man uns weiter aufforderte, das, wie man verſicherte, ſo bald als der hohe Rath am Hof zuſammen waͤre, erfolgen ſolte. Zwei Hauptleute von dieſer Wache empfiengen uns inzwiſchen ſehr hoͤflich, und ſezten uns Thee und Tobak vor, die beiden Commiſſarien und Sino Cami kamen dazu, uns zu begruͤßen, mehrerer anderer uns unbekanter neugieriger Hofkavaliers nicht zu gedenken. Nachdem denn die aͤlteren und juͤngeren Reichshofraͤthe innerhalb einer Stunde theils zu Fuße theils in Norimons vorbei ins Kaiſerliche Schlos paſſirt waren, ſo wurden wir abgerufen und uͤber einen viereckigten mit zwei praͤchtigen Pforten verſchloſſenen Plaz, und zwar zu Ende der einen einige ſteinerne Tritte hinauf in den eigentlichen Reſidenzplaz gefuͤhrt, welcher von dort bis an die Fronte des Kaiſerlichen Pallaſtes nur wenige Schritte breit, und mit Wacht- habenden Soldaten wohl beſezt, auch vol von Hofleuten und Pagen war. Man trat noch etwa zwei Treppen hinauf in den Pallaſt und am Eingange zur rechten Hand in die naͤchſte Kammer als den gewoͤhnlichen Wartſaal fuͤr die, ſo vor den Kaiſer oder die Reichsraͤthe zur Audienz gelaſſen werden ſollen. Es war derſelbe mit verguldeten Pfeilern, Waͤnden und Schauben praͤchtig ausgepuzt, auch ziemlich hoch, nach geſchloſſenen Schauben aber ſehr finſter, indem alsdenn durch das obere Gegitter einer zur rechten Hand daran ſtoßen- den Meubleskammer nur ein kleines Licht hereinfiel. Als wir hier uͤber eine gute Stunde geſeſſen, waͤhrend dem ſich der Kaiſer auf ſeinem gewoͤhnlichen Sitze eingefunden hatte, holten beide Commiſſarien und Sino Cami unſern Reſidenten oder Capitain ab, und fuͤhr- ten ihn zu dem Audienzſaal, ließen uns aber zuruͤk; kaum daß er hineingetreten ſeyn mochte, gab eine uͤberlaute Stimme mit Hollanda Capitain das Zeichen, daß er ſich naͤhern und ſeine Ehrerbietung ablegen ſolte, worauf er zwiſchen dem Orte, wo die Geſchenke nach der Ordnung lagen, und dem hohen Sizplatze der Kaiſerlichen Majeſtaͤt, ſo weit man ihm es anwies, auf Haͤnden und Fuͤßen herbeikroch, das Haupt, auf dem Knie liegend, bis zum Boden neigte, und ſich ganz ſtilſchweigend eben ſo und wie ein Krebs wiederum krie- chend zuruͤkzog. Hierinnen beſtehet die ganze kurze Ceremonie bei der mit ſo vielen Um- ſtaͤnden zubereiteten Audienz. Mit der, welche jaͤhrlich die großen Landesherren haben, ge- het es nicht anders zu, ihre Namen werden ebenfals abgerufen, ſie bezeugen ſodann ihren demuͤthigen und gehorſamen Reſpekt, und kriechen ruͤklings wieder davon. Der Zweiter Band. N n

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/317>, abgerufen am 24.11.2024.